Viele Unternehmen der herstellenden Industrie beklagen die mangelnde Ertragsqualität im Verkauf von Investitionsgütern oder langlebigen Gebrauchsgütern. Damit rückt das Angebot von Dienstleistungen und der Verkauf von Ersatzteilen stärker in den Fokus. Denn dieser Bereich wird zum elementaren Treiber des Unternehmensgewinns, mit dem sich erhebliche Margen erzielen lassen. Ein Potential, das viele Unternehmen noch immer unterschätzen. Zuweilen schrecken sie auch davor zurück – durch falsche Preispolitiken mit viel zu hohen Preisen sind Aftersales sogar als „Abzocke mit Ersatzteilen“ in Verruf gekommen. Damit Aftermarket-Services ihr Gewinnpotential voll entfalten können, ist eine strategische Ausrichtung des gesamten Aftersales-Bereichs nötig. Mit aktivem Preismanagement für Ersatzteile, das auch Chancen durch die Digitalisierung sowie die Wettbewerbssituation im Blick hat, lassen sich Umsatz und Gewinn nachhaltig steigern.

Sowohl in B2B-Investitionsgütermärkten als auch bei langlebigen und höherpreisigen Konsumgütern im B2C-Bereich zählt nicht nur das reine Verkaufsgeschäft; vielmehr wird die Anschlussbetreuung nach dem Kauf wichtiger, egal ob Auto, Waschmaschine oder komplexer Roboterstraße. Die Versorgung mit Ersatzteilen und Dienstleistungen steht hierbei im Fokus. Firmen aus Automobilindustrie, Anlagen- und Maschinenbau sowie Consumer Electronics profitieren so von zusätzlichem Umsatz, hoher Kundenbindung und mehr Profitabilität.

Häufig werden diese Hersteller jedoch mit dem Vorwurf einer falschen, weil zu hohen Preispolitik konfrontiert. Die Kritik an den Preisen für Ersatzteile kann sich so massiv auswirken, dass sie bestehende und potentielle Kunden bei der Neuanschaffung abschreckt. Für die Industrie erschwerend kommen auf dem ohnehin stark umkämpften Markt für langlebige Güter neue Wettbewerber hinzu, die unter anderem über Onlinehandel traditionellen Herstellern wie OEMs Marktanteile beim Ersatzteilgeschäft streitig machen. Durch großes Volumen in kleinen Sortimenten, niedriger Kostenstruktur als nicht-Vollsortimenter und reduzierte Preise entsteht so ernstzunehmende Konkurrenz durch den Großhandel, zumal die Digitalisierung Ersatzteilpreise und die Verfügbarkeit einzelner Teile transparenter macht.

Preisfindung als Spagat zwischen Kundenzufriedenheit und Umsatzzielen

Das Preismanagement für OEM-Ersatzteile muss daher gleichermaßen Kundenzufriedenheit und betriebswirtschaftliche Aspekte im Auge behalten, um dem Ausweichen von Kunden auf Drittanbieter zuvorzukommen. Ein gelungenes Preismanagement kennzeichnet der nachhaltige Ausgleich zwischen Umsatzsteigerung, Gewinnoptimierung, Marktanteilen und Kundenbindung. Artikelpreise optimal zu setzen, wird für viele Unternehmen daher zu einer zentralen Herausforderung. Eine Konsequenz muss sein, bisherige Preisstrategien und Preissetzungsmethoden kritisch zu überprüfen und anzupassen. Diese müssen auch vertriebliche Aspekte beachten, also welche Produkte in welchen Kundensegmenten verkauft werden, welche Produktkategorien dies betrifft, über welche Kanäle die Produkte vertrieben werden und welche Wettbewerbssituation vorliegt.

Basierend auf der Preisstrategie muss die richtige Preissetzungsmethode gewählt werden – kostenbasiert, wettbewerbsorientiert oder nutzenbasiert. Entscheidend ist, Strukturen für Preise und Konditionen sinnvoll aufzubauen. Preisstrukturen ließen sich z. B. an einem Kern- oder Eckartikel ausrichten, für den der Preis genau festgelegt wird. Um diesen lassen sich die Preise für alle anderen Produkte derselben Produktgruppe ausrichten, um den Wert des jeweiligen Artikels relational zueinander darstellen zu können.

Preisdynamik verdrängt zunehmend starre Preise

Eine Kernfrage im Rahmen der Preisstrategie ist, wie Preise im Markt beziehungsweise in verschiedenen Märkten gesteuert werden sollen. Produktpreise und Kundenpreise lassen sich von einem Extrem, nämlich weltweit einheitlichen Produktlistenpreisen (vor Steuern, Zöllen, Abgaben) mit hohem Differenzierungsgrad über Rabatte und Boni, ins andere Extrem zu kundenspezifischen Nettopreislisten in einer Vielzahl von Varianten festlegen, die sich zwischen Preisharmonisierung und Preisdifferenzierung bewegen. Es gilt abzuwägen, ob Bruttolistenpreise mit möglichen Rabatten oder feste Nettopreise, ob Listen- oder Händlerpreis mit Rabatten für Zwischenpartner, ob Boni oder Rabatte als direkt abgezogener Nachlass in der Preisstrategie festgelegt werden.

Die ET-Preissetzung hat sich folglich von einer simplen, kostenorientierten Rechenaufgabe verabschiedet. Sie hat sich zu einem komplexen Vorgang professionalisiert, der Geschäftsleitung sowie Einkauf, Controlling, Marketing und Vertrieb einschließen muss. So empfiehlt sich auch eine stärkere Nutzung von variablem Marketing und kurzfristigen Aktionen mit günstigen Angeboten für ausgewählte Ersatzteile. Zudem ist zu prüfen, inwiefern fixe einmal im Jahr angepasste Preislisten dynamischer gestaltet werden können bzw. müssen. Das Online-Geschäft ist hier Vorbild: Starre Preise verlieren zunehmend an Relevanz und lassen Gewinnpotential ungenutzt. Stattdessen wird Preisdifferenzierung zusammen mit Segmentierung kundengerecht umgesetzt – bis hin zur automatischen Differenzierung von Preisen oder gar individualisierten Preisen für jeden Einzelnen. Viele Kunden haben sich an häufige Preisänderungen bereits nicht nur gewöhnt – sie erwarten diese sogar. In der Business-to-Business Kundenbeziehung geschieht dies sehr häufig über den Telefonverkauf durch den Innendienst. Dieser wird kontaktiert, sobald der Kunde mit dem Standardpreis abzüglich seiner Konditionen nicht zufrieden ist. Die fortschreitende Digitalisierung der Preisgestaltung und Preiswahrnehmung übt also großen Druck auf das Preismanagement aus; Wettbewerbsdruck nötigt zudem dazu, das eigene Unternehmen mit einem möglichst positiven und modernen (Preis-)Image aufzuladen. Denn unabhängig von tatsächlichen Fakten entscheidet oft das Preisimage über die Kaufentscheidung.

Beim Preismanagement für Ersatzteile ist auch eine Übertragungslogik für internationale Märkte festzulegen. Zu berücksichtigende Aspekte sind dabei unterschiedliche Wettbewerbssituationen, Währungsschwankungen, Inflationsunterschiede, Key Account-Geschäfte, länderübergreifender Einkauf auf Kundenseite und unterschiedliche Zahlungsbereitschaften. So kann bspw. eine Klimaanlage in Schweden mit einem anderen Preis ausgezeichnet werden als das identische Produkt im wärmeren Italien. Auch dürfen Landed Costs nicht vergessen werden: Eine gelungene Preisstrategie bezieht auch Steuern, Zölle, lokalen Wettbewerb und die jeweiligen Marktanteile ein.

Interaktion zwischen Hersteller und Käufer ist gefragt

Gerade Aftermarket-Services wie das Ersatzteilgeschäft eröffnen neue Wege zu Kundenbindung und Zufriedenheitssteigerung, um wesentliche Beiträge zu Umsatz und Gewinn zu erzielen. Ihr Preismanagement sieht sich jedoch hinsichtlich nachhaltiger Gewinnsteigerung mit diversen Herausforderungen konfrontiert; verantwortlich sind vor allem Veränderungen auf Kunden-, Markt und Wettbewerbsseite unter anderem verstärkt oder hervorgerufen durch die Digitalisierung. Preisvergleichsportale und Online-Handel tragen zu einem geänderten Einkaufsverhalten bei, das auch zu einer neuen Preisgewöhnung der Kundschaft führt; dynamische Preisentwicklungen und -differenzierungen werden so bedingt durch den Online-Handel zur Erwartung auf Kundenseite. Anstatt starrer Preisstrukturen akzeptieren oder erwarten viele Käufer, mit dem Hersteller interagieren und Angebote online vergleichen zu können.

Dies führt auch zu einer Beschleunigung der Kaufbeziehungen – die Preissensitivität des Kunden steigert sich und seine Loyalität nimmt ab. Die Möglichkeit zum Preisvergleich führt schnell zum Griff zur billigeren Alternative, sobald ein Angebot nicht gefällt. Dieses Mehr an Transparenz bei Preisen und Zahlungsbereitschaften muss das Preismanagement zunehmend beachten.

Nicht selten beziehen Kunden die kompletten Kosten inklusive Ersatzteile, die Total-cost-of-ownership, in ihre Entscheidungen zur Anschaffung wie etwa von Maschinen oder Fahrzeugen mit ein. Der entstehende Trade-Off als Abwägung zwischen Kosten und Nutzen auf Kundenseite lässt sich von den Anbietern entscheidend steuern und bewusst lenken. So können z. B. Service- und Reparaturpakete als Inklusiv- oder als zum Kauf zubuchbare Leistungen diese Kundenbedürfnisse bedienen – wobei auch hier wieder Differenzierungen hinsichtlich des Paketumfangs möglich werden.

Autor:  Prof. Dr. Markus B. Hofer, Geschäftsführender Partner der EbelHofer Strategy & Management Consultants GmbH, Lehrbeauftragter der International School of Management (ISM)

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