Sie haben das Potential, einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Materialien einzuleiten: Werkstoffe, deren Struktur so aufgebaut ist, dass sich ihre Eigenschaften gezielt kontrollieren und reversibel ändern lassen. Das Fraunhofer-Forschungscluster Programmierbare Materialien, an dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF beteiligt sind, entwickelt diese innovativen Werkstoffe. Sie ersetzen technische Systeme aus vielen Bauteilen und Materialien durch ein einzelnes, lokal konfiguriertes Material. Damit lassen sich komplexe und lokal unterschiedliche Effekte implementieren, die völlig neuartige Bauteilfunktionen erlauben. Das Spektrum der denkbaren Anwendungsmöglichkeiten ist enorm. Daher ist es das Ziel des Fraunhofer LBF, dieses innovative Thema mit Unterstützung der Industrie weiter vorantreiben.

Mehr Informationen gibt der virtuelle Workshop »Programmierbare Dämpfung« am 17. November 2020.

Nach der Vision der Fraunhofer-Forscherinnen und Forscher liegt die Zukunft der Werkstoffe in der Verbindung von Logik und Material, wie Dr. William Kaal, der als Gruppenleiter am Fraunhofer LBF an dieser innovativen Technologie forscht, erläutert: »Funktionalitäten werden direkt in die Struktur des Materials einprogrammiert und ersetzen so komplette Systeme inklusive Sensoren, Aktoren und Energieversorgung. Damit eröffnet sich ein einzigartiges Potential für neue Systemlösungen.« Aktuell werden im Forschungscluster wissenschaftliche Grundlagen gelegt und gemeinsam mit der Industrie Anwendungspotentiale identifiziert. »Gerade durch den intensiven Kontakt zu zahlreichen Industriepartnern mit Bezug zu dynamischen Fragestellungen kann das Fraunhofer LBF hier einen wertvollen Beitrag leisten«, so Dr. Kaal.

Programmierbare Dämpfung

Für viele Anwendungen werden frequenz- oder situationsabhängige Dämpfungen benötigt, die aktuell entweder durch fest eingestellte, passive Maßnahmen oder durch aufwändige aktive Systeme realisiert werden. Im Rahmen des Forschungsclusters erforschen die Beteiligten daher Ansätze für programmierbare Materialien, deren dynamische Dämpfungseigenschaften sich je nach Situation selbständig reversibel ändern. Die Möglichkeiten sind laut Dr. Kaal zahlreich: »Es sind Materialien denkbar, die im Normalfall steif sind, aber im Falle eines schlagartigen Aufpralls mit hohen Beschleunigungen weich und stark dämpfend werden, um beispielsweise sensible Elektronik zu schützen. Oder es lassen sich Materialien entwerfen, deren Dämpfungsverhalten von der aktuellen Dehnung abhängig ist, und die somit, je nach Betriebssituationen, eine optimale Dynamik aufweisen.« Schließlich lassen sich auch Materialien designen, deren temperaturabhängiges Dämpfungsverhalten denen konventioneller Materialien wie Elastomeren entgegengerichtet ist.

Design und Erprobung von Einheitszellen

Ähnlich wie Organe des menschlichen Körpers aus funktionellen Einheiten von Zellen bestehen, lassen sich auch programmierbare Materialien aus Einheitszellen aufbauen. Deren Funktionalität, beispielsweise die beschleunigungs-, dehnungs- oder temperaturabhängige Dämpfung, beruht auf mikromechanischen Effekten. Dabei werden beispielsweise innere Strömungsquerschnitte mechanisch variiert und damit das Dämpfungsverhalten eingestellt. Das Fraunhofer LBF gestaltet diese funktionalisierten Einheitszellen für serientaugliche, programmierbare Materialien. Darüber hinaus werden gemeinsam mit anderen Fraunhofer-Instituten Fertigungsverfahren zur Realisierung der Einheitszellenverbünde auf verschiedenen Größenskalen entwickelt, um perspektivisch eine serientaugliche Marktfähigkeit zu garantieren.

Informationen und Anmeldung zum virtuellen Workshop »Programmierbare Dämpfung« am 17. November 2020 gibt es hier: https://www.lbf.fraunhofer.de/…

Über Fraunhofer Institut LBF

Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei der wichtigsten Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der gut 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.

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