Angebote für mobiles und flexibles Arbeiten an gemeinschaftlich genutzten Orten gibt es in Ballungsgebieten schon länger. Eine Trendstudie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat nun erstmals die Situation von Coworking im ländlichen Raum betrachtet. Demnach kann die neue Arbeitsform wichtige Impulse für die wirtschaftliche Wiederbelebung strukturschwacher Regionen geben.

Der verlassene Bäckerladen wird zur digitalen Kreativwerkstatt, die Streuobstwiese zur Stellfläche für mobile Arbeitsräume aus Containern: In den vergangenen Jahren sind in Deutschland immer mehr Coworking-Angebote im ländlichen Raum entstanden. Diese neue Form einer flexiblen und mobilen Berufsausübung in gemeinschaftlich genutzten Räumen besitzt viel Potenzial für die nachhaltige Belebung strukturschwacher Regionen. Dies geht aus der heute vorgestellten Trendstudie „Coworking im ländlichen Raum“ hervor, die erstmals ein genaueres Bild des Coworking-Phänomens jenseits der urbanen Ballungsräume zeichnet. Die CoworkLand Genossenschaft sowie das Netzwerk Zukunftsorte haben hierfür im Auftrag der Bertelsmann Stiftung über 200 Tiefeninterviews mit Nutzer:innen sowie Gründer:innen von Coworking-Orten bundesweit geführt. Die darin geschilderten Erfahrungen zeigen allerdings auch, dass Coworking auf dem Land stark von den technischen Gegebenheiten und der sozialen Vernetzung der Gründer:innen abhängt.

„Der ländliche Raum wird oft als rückständig und abgehängt bewertet. Die Fallbeispiele in unserer Studie zeigen jedoch: Die Zukunft der Arbeit hat auf dem Land schon begonnen“, sagt Alexandra Schmied, Studienleiterin und Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung. Schmied weiter: „Coworking gibt Menschen die Möglichkeit, wohnortnah gut ausgestattete Arbeitsplätze zu nutzen, ohne täglich weite Pendelstrecken auf sich zu nehmen. Ländliche Regionen, die unter Abwanderung und Überalterung leiden, lassen sich durch den Zuzug junger Familien und die Modernisierung der Infrastruktur neu beleben. Unternehmen profitieren von einem größeren Einzugsgebiet für Fachkräfte. Nicht zuletzt kann Coworking eine Triebkraft für den Wandel hin zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen und modernen Wirtschaftswelt sein.“

Breite Zielgruppe und große Integrationskraft

Nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Landleben wieder an Attraktivität gewonnen: Umfragen zufolge würde eine Mehrheit der Deutschen lieber im Grünen als in der Großstadt wohnen. Wie aus den für diese Studie geführten Interviews hervorgeht, versprechen Coworking-Angebote eine bessere Vereinbarkeit von Berufsausübung und Wohnortwunsch. Ihr Potenzial für den ländlichen Raum zeigt sich in der vielfältigen Kundschaft. Unter den Nutzer:innen von Coworking auf dem Land finden sich viele Menschen im Angestelltenverhältnis, in unterschiedlichen Berufsbildern, ohne akademischen Schulabschluss und mit einer breiten Altersstruktur. „Coworking auf dem Land hat eine sehr viel breitere Zielgruppe und größere Integrationskraft als in der Stadt. Es wird von all jenen nachgefragt, die ein Bedürfnis nach Gemeinschaft haben und sich ihren Arbeitsort frei auswählen können”, stellt Ulrich Bähr, Geschäftsführer von CoworkLand, fest.

Zwar zieht es auch hier Angehörige der Kreativ-, Digital- und IT-Wirtschaft – und damit die ursprüngliche Kernzielgruppe des Coworking – verstärkt ins Grüne. Doch die Coworker:innen in ländlichen Gebieten bilden ein weit gefächertes gesellschaftliches Spektrum ab, das auch Handwerker:innen, Wissenschaftler:innen, Berater:innen und Lehrer:innen umfasst. Auch die Anbieterseite zeichnet sich durch Vielfalt aus. Das zeigt der Blick auf die unterschiedlichen Orte und damit Geschäftsmodelle. Coworking-Einrichtungen finden sich beispielsweise an beliebten Pendlerrouten, auf abgelegenen Landgütern, leerstehenden Ladenlokalen in einer Kleinstadt, inmitten beliebter Urlaubsregionen oder auf einem Bauernhof am Dorfrand. „Wir sind davon überzeugt, dass Coworking auf dem Land das Zeug zum Massenphänomen hat und für einen wirksamen Strukturwandel sorgen kann – vor allem, wenn sich auch festangestellte Pendler:innen zunehmend für Coworking gewinnen lassen. In dieser Zielgruppe liegt noch großes und fast unberührtes Potenzial“, erläutert Bähr.

Lokale Netzwerke sind wichtiger Erfolgsfaktor

Allerdings zeigt die Studie, dass die Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells eine große Herausforderung bei der Errichtung eines Coworking-Spaces auf dem Land darstellt. Anders als in den Ballungsgebieten, ist daher das Agieren in lokalen Netzwerken aus Sicht vieler Befragter ein wichtiger Erfolgsfaktor – zumal es im ländlichen Raum noch keinen entwickelten Markt für die neuen Angebote gibt. „Damit sich die positiven Effekte des Coworking entfalten können, ist es notwendig, die besonderen Bedarfe dieser neuen ‚Landarbeiterschaft‘ zu berücksichtigen. Zudem brauchen die netzwerkorientierten Gründer:innen die notwendige Unterstützung aber auch den Freiraum, um ihre andersartigen, jenseits der Metropolen funktionierenden Geschäftsmodelle umzusetzen“, sagt Schmied. „Kommunalpolitik sowie die ortsansässige Wirtschaft oder Vereine können für die ländliche Coworking-Szene wichtige Netzwerkpartner sein und hier Starthilfe geben“, schlägt Bähr vor.

Coworking-Schub durch Corona

Im Zuge der Bekämpfung des Coronavirus haben sich viele berufliche Tätigkeiten vom Büro an alternative Arbeitsorte verlagert. Dieser Trend dürfte dem Coworking im ländlichen Raum zusätzlichen Auftrieb verleihen, wie die im Frühjahr während des Ausbruchs der Pandemie geführten Interviews nahe legen. Demnach haben sich Abstandsregeln und Kontaktverbote kurzfristig zwar als Belastung für das auf Gemeinsamkeit ausgerichtete Arbeitsmodell erwiesen. Auf längere Sicht betrachtet, haben die Corona-Erfahrungen aus Sicht vieler Befragter allerdings unter Beweis gestellt, dass das Arbeiten an einem anderen Ort als dem Büro in vielen Berufsfeldern funktioniert und sich Präsenzzeiten und damit auch das Pendeln reduzieren lassen.

Die Befragungen der Coworking-Gründer:innen und -Nutzer:innen unterstreichen, dass Angebote zum mobilen Arbeiten im ländlichen Raum gegenüber dem Homeoffice große Vorteile mit sich bringen. So fehlen bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden häufig die sozialen Kontakte und klare Abgrenzungen von beruflichen und privaten Aktivitäten. Auch Ablenkungen durch andere Haushalts- oder Familienmitglieder treten im Coworking-Space seltener auf. Nicht zuletzt ist dort in der Regel eine bessere technische Infrastruktur vorhanden. „Mobiles Arbeiten kommt den Bedürfnissen vieler Angestellter deutlich mehr entgegen als der bloße Umzug ins Homeoffice. Arbeitgeber:innen,Tarifpartner:innen sowie der Gesetzgeber sollten daher Rahmenbedingungen schaffen, die eine Verlagerung der Tätigkeiten an neue, alternative Arbeitsorte begünstigen“, empfiehlt Bähr.

Zusatzinformationen

Zur Exploration des neuen und bisher kaum untersuchten Phänomens Coworking auf dem Land wurden bundesweit im Zeitraum zwischen 2018 und 2020 Interviews mit 166 Nutzer:innen sowie mehr als 50 Gründer:innen von Coworking-Angeboten im ländlichen Raum geführt. Dabei handelte es sich um qualitative, halbstrukturierte Leitfaden-Interviews. Die Interviews wurden zunächst in den Coworking-Räumlichkeiten selbst, ab Frühjahr 2020 Corona-bedingt telefonisch durchgeführt. Die Ergebnisse dienten im Anschluss zur Erstellung einer Typologie von Coworking-Nutzer:innen und -Gründer:innen, um die komplexe soziale Realität besser erfassen zu können.

Die wachsende Bedeutung mobilen Arbeitens hat das verantwortliche Projekt „Zukunft der Arbeit“ der Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem MÜNCHNER KREIS im Rahmen einer im Juli 2020 vorgelegten Expertenbefragung zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt nachgezeichnet.

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