Die Menschen suchen vermehrt Erholung und Ausgleich in den Bergen, in dem sie wandern, klettern oder mountainbiken. Diese Entwicklung fordert Destinationen, EinwohnerInnen, Infrastruktur und Natur gleichermassen und wird durch die Corona-Krise noch verstärkt. Wie lässt sich Outdoor-Tourismus nachhaltiger gestalten? Dieser Frage widmeten sich bei der Online-Konferenz «Outdoor-Tourismus mit Fernsicht» am 16. und 17. November 2020 über 320 Teilnehmende. Sie erhielten neue Impulse für Strategien zur Besucherlenkung, lernten Methoden der Bewusstseinsbildung kennen und diskutierten über Belastungsgrenzen. Die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze betonte in ihren Grussworten: «Für einen krisenfesten Outdoor-Tourismus sind unkonventionelle Kooperations- und Geschäftsmodelle gefragt, die den sich verändernden Bedürfnissen gerecht werden.»
Ein Foto, tausend Leute
Der Bergsee leuchtet im satten Türkis, eine Hütte schmiegt sich an schroffe Felsen: Spektakuläre Freizeitbilder gehen durch die sozialen Medien um die Welt und ziehen tausende Menschen an. Dominik Siegrist von der Ostschweizer Fachhochschule zeigte in seinem Vortrag, dass Outdoor-Tourismus durch Trends wie Digitalisierung, Gesundheit und Sicherheit zum neuen Mainstream wird. Der Institutsleiter für Landschaft und Freiraum ist überzeugt, dass sich ein nachhaltiger und klimaverträglicher Outdoor-Tourismus nicht von allein entwickelt. «Es braucht den politischen Willen, fachliches Knowhow und ausreichende finanzielle Ressourcen.» Anreizsysteme fördern freiwilliges Handeln, doch für wirkungsvolle Lösungen brauche es klare Vorgaben und Regelungen.
Den Nationalpark Triglav in Slowenien besuchen im Sommer bis zu 7’000 Tagesgäste. «Die Situation ist unerträglich für die Bevölkerung und für die Besuchenden», erzählt Naturschutzberater Aleš Zdešar. Denn niemand wolle in der offenen Landschaft Schlange stehen. Aus diesem Grund hat die Verwaltung anhand sozialer Faktoren, Wetter und Naturschutz die Kapazität des Parks berechnet. Das Ergebnis: Höchstens 1’500 Personen pro Tag wären vertretbar. Zdešar will nun den Zugang zum Park begrenzen: «Wir müssen nicht nur die Natur schützen, sondern auch sicherstellen, dass BesucherInnen diese erleben können.»
Ein organisatorisches Nadelöhr
TouristInnen anziehen, aber nicht zu viele. Natur zugänglich machen, aber schützen. Hot-Spots einrichten, aber nachhaltig. Tourismus zu managen ist immer widersprüchlicher und komplexer geworden. Christian Baumgartner, Tourismusforscher und Vize-Präsident von CIPRA International, setzt sich deshalb für ein neues Stellenprofil ein: «Wir brauchen einen Kümmerer für nachhaltigen Tourismus. Eine Person, die Projekte initiiert, vernetzt und mit der Bevölkerung zusammenarbeitet.» Voraussetzung für eine solche Stelle sei einerseits der politische Wille, andererseits eine entsprechende Weiterbildung. «In der Tourismusausbildung ist Nachhaltigkeit immer nur eine Ergänzung, und noch kein durchgehendes Prinzip.»
Den Verkehr am Sella Joch/I durch autofreie Tage beruhigen, Bewusstsein durch Kommunikationskampagnen schaffen, Einwegplastik durch Edelstahlflaschen ersetzen, Gemeinschaft und Wirtschaft im Valle Maira/I wiederbeleben: ReferentInnen aus dem ganzen Alpenbogen stellten einen bunten Strauss an Ideen, Geschäftsmodellen und Initiativen vor. Sie verdeutlichen, wie gross das Potenzial für mehr Nachhaltigkeit im Outdoor-Tourismus noch ist. Alenka Smerkolj, Generalsekretärin der Alpenkonvention war überzeugt: «Gute Ideen für Lösungen können nur im Dialog zwischen allen Beteiligten entstehen.»
Die Online-Konferenz wurde im Rahmen der Alpenkonvention und im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Deutschland durch das Gemeindenetzwerk «Allianz in den Alpen» und die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA organisiert.
Die Ergebnisse der Konferenz finden sie hier: padlet.com/cipraga/documentation_outdoortourismconference
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