Vielen nachhaltigen Unternehmen und innovativen Betrieben, die Pflicht-Mitglied der örtlichen Industrie- und Handelskammern sind, ist die strukturkonservative Haltung des DIHK e.V. zur Energiewende (Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke) in Erinnerung, die uneingeschränkte Begrüßung internationaler Handelsabkommen wie TTIP oder andere allgemeinpolitische „Ausreißer“ (wie das Bundesverwaltungsgericht die Öffentlichkeitsarbeit des DIHK e.V. beurteilte).
Klaus Stähle, Rechtsanwalt und Vorstand von UnternehmensGrün, erklärt: „In mehreren Gerichtsentscheidungen wurde festgestellt, dass die Kammern ihre ihnen zugewiesene Kompetenzen überschreiten, wenn sie solche Stellungnahmen abgeben. Die Besonderheit liegt darin, dass es sich hier um Pflichtmitglieder handelt und damit nicht um einen Verband, der politische Interessen eines Teils seiner Mitglieder, für so berechtigt er sie auch erachten will, in öffentlichen Stellungnahmen kundtun kann, so als ob er für die gesamte Wirtschaft spricht. Hier wäre vielmehr Zurückhaltung geboten.“
Gottfried Härle, Inhaber und Geschäftsführer einer mittelständischen Brauerei und Gründungsmitglied von UnternehmensGrün, unterstützt diese Analyse: „Bisher suggeriert der DIHK einen Alleinvertretungsanspruch der Wirtschaft, was bei einem Verband, der auf Pflichtmitgliedschaft beruht, einfach unzulässig ist. Damit streut der DIHK den Medien und der Öffentlichkeit Sand in die Augen – bei jedem anderen Verband ist die Interessenlage klar erkennbar. Künftig muss daher generell gelten: Der DIHK darf keinerlei politische Meinungsäußerungen abgeben.“
Nun möchte Bundeswirtschaftsminister Altmaier den DIHK e.V. zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft umwandeln. „Mit diesem Schritt möchte Minister Altmaier qua gesetzgeberischen Auftrags dem DIHK genau die Kompetenzen zuweisen, die in der Vergangenheit durch eine Vielzahl von Urteilen bestätigt als rechtswidrig und auch verfassungswidrig bewertet wurden“ führt Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün, aus. „Wir fragen uns, wer den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geschrieben hat. War es der DIHK selbst, der hier die Feder führte?“ so Reuter weiter. Und: „Der DIHK hat nicht verstanden, dass sich viele Unternehmen nachhaltig und klimafreundlich aufgestellt haben – und zwar jenseits von Hochglanzbroschüren und Greenwashing“, ist Reuter überzeugt. Diese Unternehmen würden sich aber oft in den Stellungnahmen des DIHK nicht wiederfinden, beispielsweise wenn dort Klimaschutz-Maßnahmen vorwiegend als „Last“ bezeichnet würden.
Weder ein DIHK e.V. noch ein DIHK als öffentlich-rechtliche Körperschaft hat die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, aus der öffentlichen Stellungnahme zu allen wirtschaftlichen Fragestellungen abgeleitet werden können. Er hat auch nicht zu sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Fragen Stellung nehmen. Dies ist den Tarifvertragsparteien und den anderen Sozial- und Wirtschaftsverbänden vorbehalten.
UnternehmensGrün begrüßt ausdrücklich, den DIHK unter eine Rechtsaufsicht zu stellen, was mit der Umwandlung des Vereins in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft erfolgen würde. Die Rechtsaufsicht konnte in der Vergangenheit lediglich mühsam über die Gerichte und über den Austritt regionaler Industrie- und Handelskammern aus dem DIHK e.V. bewerkstelligt werden.
„Der Gesetzesentwurf des Bundeswirtschaftsministers lässt auf erschreckende Weise die Handschrift des DIHK und seiner Funktionäre erkennen. Eine heterogene Wirtschaft, die per Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern vereinigt ist, kann keine Stellungnahmen in einem unterstellten Gesamtinteresse in der Öffentlichkeit zu wirtschaftspolitischen Fragen abgeben. Es gibt schlichtweg diese gesamtgesellschaftliche Verantwortung in den Industrie- und Handelskammern im gesellschaftspolitischen Diskurs nicht“ macht Klaus Stähle, Rechtsanwalt und Vorstand UnternehmensGrün, klar. Es könne hierzu einzelne Auffassungen geben. Diese zum Ausdruck zu bringen, sei aber den Verbänden zu überlassen und nicht einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Das gleiche gilt für das Austarieren sozialpolitischer Fragen, einschließlich solcher des Arbeitsrechts. „Hier gibt es eine Vielzahl von engagierten Verbänden, die im Diskurs der widerstreitenden Auffassungen und Interessen von der Politik und der Medienöffentlichkeit gehört werden“, so Stähle abschließend.
Hintergrund:
Der DIHK e.V. bewegt sich außerhalb der gesetzlichen Kompetenzen der regionalen Kammern, wenn er derlei Stellungnahmen abgibt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung (Entsch. vom 14.10.2020 – 8 C 23.19) wie aber auch schon (zuvor) im Urteil vom 23.03.2016 (10 C 4.15) aufgezeigt, dass die regionalen Industrie- und Handelskammern aus dem DIHK, der als Verein organisiert ist, austreten können, wenn es – von untypischen Einzelfällen einmal abgesehen – quasi zur Verbandspraxis gehört, öffentliche Stellungnahmen für die gesamte Wirtschaft abzugeben, obwohl auch der DIHK e.V. wissen müsste, dass er nur für einen Teil, leider gerade den strukturkonservativsten Teil, der Wirtschaft spricht.
Wenn dem DIHK e.V. sein Geschäftsmodell durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und in der Folge durch Austritte der regionalen Industrie- und Handelskammern entzogen wird, muss der DIHK e.V. seine Geschäftspolitik überdenken. Er muss seine öffentlichen politischen Meinungsäußerungen unterlassen und sich vielmehr auf den gesetzlichen Auftrag beziehen. Die regionalen Industrie- und Handelskammern haben wichtige Aufgaben. Von der Lehrlingsausbildung über Streitschlichtung, Fortbildung usw. Auch der DIHK e.V. als Dachverband hat beispielsweise die Aufgaben, die Auslandsvertretungen zu betreuen und Stellungnahmen zu gesetzgeberischen Vorhaben abzugeben, die in den Kernbereichen der Aufgaben der regionalen Industrie- und Handelskammern fallen.
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