China erholte sich schnell vom Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Ist sein aktueller Wachstumspfad nachhaltig?
Kai-Kong Chay: Chinas aggressiver und strikter Lockdown-Ansatz war recht erfolgreich. Dies stimmte sowohl Verbraucher als auch Hersteller zuversichtlich. Infolgedessen kam es zu einer V-förmigen Erholung der Industrieproduktion und des Bruttoinlandsprodukts.
China tritt nun in eine zweite Wachstumsphase ein, die vor allem vom Binnenkonsum getragen wird. Trotz des andauernden Handelskriegs zwischen China und den USA steigen die Exporte aufgrund der gedrosselten Produktion in den Industrieländern. Chinesische Exporteure gewinnen Marktanteile und die Industriegewinne steigen. Auch die Investitionen in das Anlagevermögen der chinesischen Industrie sind im Aufwärtstrend, da die Hersteller zuversichtlich in neue Produktionskapazitäten oder eine stärkere Automatisierung investieren. Was den Konsum angeht, so ist er seit dem zweiten Quartal des letzten Jahres unglaublich stark – insbesondere der Online-Konsum.
Wie sehen Sie derzeit Chinas heimischen Anleihenmarkt?
Paula Chan: Wir sind recht positiv gestimmt, sowohl aufgrund des makroökonomischen Ausblicks als auch aufgrund der technischen Daten. Auf der Makro-Ebene liegen die Wachstumsaussichten für China in diesem Jahr wahrscheinlich bei 6-7 Prozent. Am wichtigsten für Fixed-Income-Investoren ist, dass die People’s Bank of China erklärt hat, den geldpolitischen Zyklus in den kommenden Jahren umsichtig und stabil halten zu wollen. Das bedeutet, dass der kurzfristige Zinssatz auf dem aktuellen Niveau verankert werden soll. Die Inflation stellt kein großes Problem dar, da die Lebensmittelpreise tatsächlich allmählich sinken. Die Bonitätseinstufung Chinas wurde im letzten Jahr zwar nach unten korrigiert. Nach unserer internen Analyse hat sich Chinas Bonität nun jedoch stabilisiert, was ein Hauptrisiko für Investoren reduziert.
Was die technischen Daten betrifft, so profitiert der Rentenmarkt weiterhin von der Aufnahme in globale Indizes. Derzeit liegt der Anteil ausländischer Investoren am chinesischen Staatsanleihenmarkt bei etwa 6-7 Prozent. Angesichts der globalen Indexeinbindung erwarten wir, dass der Anteil ausländischer Investoren stark ansteigen und bis Ende 2023 etwa 20 Prozent erreichen wird. Zudem dürfte der Markt in diesem Jahr von einem geringeren Angebot profitieren, da das Pandemie-bedingte, hohe Emissionsvolumen des letzten Jahres nun hinter uns liegt.
Weshalb Anleger China im Auge behalten sollten? Im Gegensatz zum außerordentlich niedrigen oder sogar negativen globalen Renditeumfeld, insbesondere in Europa, bleibt Chinas Rentenmarkt im positiven Bereich. Die chinesische Staatsanleihe bietet derzeit 3,15 Prozent in lokaler Währung, das sind 200 Basispunkte mehr als die 10-jährige US-Staatsanleihe und 250 Basispunkte mehr als das norwegische Pendant. Dies sind historisch hohe Niveaus im Vergleich zu den letzten zehn Jahren.
Da politische Entwicklungen oft nur schwer vorhersagbar sind: Sollten sich Investoren stattdessen auf die strukturellen Treiber in China konzentrieren?
Kai-Kong Chay: Auf jeden Fall. Als Aktieninvestoren konzentrieren wir uns vor allem auf strukturelle Trends, weil es oft schwierig ist, Dinge wie das Verhältnis zwischen China und den USA genau vorherzusagen. Thematisch stechen zwei Trends hervor: Konsum und Innovation. Was den Konsum betrifft, so wird die chinesische Mittelschicht immer reifer. Das verfügbare Einkommen ist in den letzten fünf Jahren um etwa 52 Prozent gestiegen und es fließt eher in Dienstleistungen in Bereichen wie Bildung und Freizeit als beispielsweise in Kleidung, Lebensmittel oder Tabak. Die Verbraucher wollen qualitativ bessere Dienstleistungen als die des Staates, was privaten Anbietern neue Möglichkeiten eröffnet. So hat zum Beispiel der Bereich Online-Bildung einen Aufschwung erlebt – nicht zuletzt in Folge des Lockdowns. Die Schüler haben nun Zugang zu mehr Unterrichtsressourcen, besonders in C- und D-Städten. Die Covid-19-Situation hat auch die Art und Weise verändert, wie die Menschen konsumieren. Der Anteil am E-Commerce ist stark ansteigen. Wir sind optimistisch für den E-Commerce, insbesondere für aufstrebende Unternehmen, deren Angebote sich an die Menschen abseits der Metropolen richten.
Der Renminbi war im vergangenen Jahr stark. Was erwarten Sie für das Jahr 2021?
Paula Chan: Ja, der Renminbi hat sich 2020 gut entwickelt. Dafür gab es zwei Haupttreiber: der schwächere US-Dollar und die Tatsache, dass China als erstes von der Covid-19-Pandemie betroffen war und als erstes wieder aus der Krise herausgekommen ist. Der Markt antizipierte zudem eine Biden-Regierung und damit eine stabilere und berechenbarere Beziehung zwischen den USA und China. Kurzfristig wird sich der Markt wahrscheinlich auf dem aktuellen Niveau konsolidieren. Aber angesichts der positiven Aussichten für den Aktien- und Rentenmarkt könnte der Renminbi im Jahr 2021 erneut gut abschneiden.
ESG macht in Europa enorme Fortschritte. Wie sieht es in China aus?
Paula Chan: China hat sich definitiv zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet und ist das erste Schwellenland, das sich zur Kohlenstoffneutralität bis 2060 verpflichtet hat, wobei der Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen vor dem Jahr 2030 liegen soll. Zu den politischen Richtlinien gehört, dass Banken und Finanzinstitutionen nun die Analyse des Kohlenstoffrisikos in ihre Kreditentscheidungen einbeziehen. Zugleich schaffen sie Anreize für Kraftwerke in Bereichen wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung.
Was die Entwicklung des Anleihenmarktes betrifft, so nimmt die Emission von ESG-Anleihen weiter zu und deckt eine breite Palette von Branchen ab – darunter Banken und Unternehmen in Branchen wie Maschinenbau, Bauwesen und Immobilien. Das ESG-Universum macht gerade einmal 1,25 Prozent des chinesischen Onshore-Anleihenmarktes aus, sodass sich hier in Zukunft große Chancen ergeben werden.
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