Edith Peschel und Katharina Abich, Pflegekräfte auf der Corona-Normalstation
„Wir sind normalerweise das Team der interdisziplinären Wahlleistungsstation. Im Oktober haben wir unsere Station geschlossen und betreuen seitdem die Patienten auf einer der zwei Covid-19 Normal-Stationen im Klinikum Darmstadt. Unterstützung bekommen wir von Kolleg*innen aus der Urologie und der Hautklinik. So lernen wir alle voneinander.
Durch die Arbeit auf einer interdisziplinären Station waren wir es gewohnt, Patient*innen mit den unterschiedlichsten Krankheiten zu pflegen. Aber dieses Spektrum an Krankheiten, das wir auf der Corona-Station betreuen müssen, ist auch für uns ungewohnt. Denn jeder Patient*in, der positiv getestet wird, kommt auf eine der drei Corona-Stationen – egal, welche Erkrankung er sonst noch hat. So ist aus der Frauenheilkunde oder HNO bis zur Inneren Medizin so gut wie alles dabei. Die allermeisten Patient*innen haben nicht nur Corona, sondern auch eine andere Erkrankung, da sie alt und vorerkrankt sind.
Das ist für unser Team eine große Herausforderung und eine riesengroße Umstellung. Unsere Arbeitsroutine gibt es plötzlich nicht mehr. Wir mussten uns schnell einarbeiten und es gab viele Unsicherheiten, weil niemand die Krankheit kannte und keiner hatte eine Pandemie je erlebt. Wir geben als Team alles, kommen dabei aber an unsere persönlichen Grenzen.
Das aufwändige an Covid-19-Patient*innen ist, dass sie eine besonders engmaschige Überwachung brauchen, weil sich ihr Zustand rasch verschlechtern kann. Das bedeutet für uns viel Verantwortung, weil wir trotz des hohen Arbeitsaufkommens niemanden aus dem Blick verlieren dürfen.
Wir haben in den letzten Monaten sehr viel über die Krankheit gelernt. Wir können die Symptome viel besser lesen und einen typischen Verlauf erkennen. Aber der medizinische und pflegerische Aufwand ist viel höher. Hinzu kommt, dass wir sehr viel alte Patient*innen auf unsere Station haben, die viel Unterstützung bei der Körperpflege, bei der Ernährung oder bei der Bewegung brauchen.
Anstrengend ist auch, dass wir immer mit persönlicher Schutzkleidung (PSA) arbeiten müssen. Wenn wir zu den Patienten gehen, ziehen wir eine FFP-2-Maske, ein Haarschutz, eine Brille oder ein Visier, einen Schutzkittel und zwei paar Handschuhe an. Dabei müssen wir sehr sorgfältig vorgehen. Wir müssen unsere Tätigkeiten viel genauer planen, denn wenn man etwas vergessen hat, muss man sich erneut wieder aus- und dann wieder anziehen. Das kostet enorm viel Zeit. Also muss man idealerweise alle benötigten Materialien dabeihaben und auch auf Eventualitäten vorbereitet sein. Wir haben in diesen Fluren die wichtigsten Materialien aufgestellt, damit wir für die Versorgung alles Nötige schnell parat haben. Auch unser Miteinander hat sich durch die strengen Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln stark verändert. Pausen verbringen wir getrennt und auch die Übergaben laufen anders ab. Das ist natürlich nicht das Miteinander, welches wir uns wünschen.
Belastend ist auch, den psychischen Zustand der Patient*innen zu erleben. Ihnen steht die Angst häufig ins Gesicht geschrieben. Sie haben Angst vor dem Virus, sie sind geschwächt, sie dürfen kein Besuch empfangen. Nur in absoluten Ausnahmefällen ist das möglich. Das ist sehr belastend und wir versuchen für sie da zu sein, müssen aber erst einmal sehen, dass sie gut versorgt sind. Zwischendurch versuchen wir so oft wie möglich Kontakt zu den Angehörigen zu halten, weil wir auch merken, wie sehr die leiden.
Wir wussten von Anfang an, dass wir auf der Corona-Station mehr physische und psychische Belastung erfahren werden. Leider hat die Realität diese Befürchtungen bestätigt. Auch dass wir mehr Todesfälle erleben, als wir es normalerweise tun, ist für uns alle belastend.
In unserem Team können wir offen sprechen und uns einander mitteilen, was uns in dieser Krise weiter zusammenschweißt. Wir nehmen an Supervisionen teil und eine Hotline wurde eingerichtet.
Das Wichtigste für uns ist: Wir halten sehr gut zusammen und achten aufeinander, weil es körperlich und mental sehr anstrengend ist. Aber es ist ein Marathon – und das schon sehr lange. Wir hoffen auf die Impfung und damit das Ende der Pandemie.
Gunnar Gölzenleuchter, stellvertretende Stationsleitung auf Covid-Intensivstation und Intensivfachpflegekraft:
„Ich bin die stellvertretende Stationsleitung auf einer COVID-Intensivstation. Momentan fühle ich mich einfach nur müde und erschöpft. Seit Wochen habe ich – und natürlich auch meine Kollegen*innen – immer wieder mehrere Dienste hintereinander gemacht. Corona verschont auch uns nicht, die gelernt haben, sich im beruflichen Umfeld zu schützen: einige Kolleg*innen sind selbst an Corona erkrankt und fallen aus. Auch als Teamleiter mache ich daher wie alle Kollegen*innen Dienst direkt am Patienten – eigentlich hätte ich wie immer administrative Aufgaben zu erledigen, aber dazu komme ich jetzt erst nach Dienstende.
Wir arbeiten auf einer Intensivstation und sind es daher gewohnt, dass auch Patient*innen sterben. Was wir momentan erleben, ist aber anders. Der Patient*innen, die wir hier sehen, haben alle dasselbe Krankheitsbild. Sie sind im Alter von Ende 40 bis Mitte 80 und der Krankheitsverlauf in seinen Phasen ist oft sehr ähnlich und so aggressiv; obwohl wir so hart um jeden Patienten*innen kämpfen, sterben doch zu viele.
Sehr belastend ist für uns alle, dass unsere Patienten*innen hoch motiviert, aber mit extrem niedrigen Sauerstoffwerten im Blut („Blutgaswerten“), auf unsere Station kommen, sie alle z. T. sehr anstrengenden Therapiemaßnahmen bereitwillig mitmachen, so beispielsweise die Atmung mit sehr hohen Sauerstoffkonzentrationen und -flüssen, die sogenannte High-Flow-Sauerstofftherapie, die für die Patient*innen wirklich anstrengend und belastend ist. Wir selbst haben aber von Anfang an die Angst im Hinterkopf, dass es zu einem tragischen Verlauf kommen könnte, den wir, obwohl wir es mit aller Kraft versuchen, nicht immer verhindern können.
Die Arbeit mit den schwerstkranken COVID-Patienten ist so anstrengend: Wir drehen die beatmeten Patienten vom Rücken auf den Bauch und wieder zurück, wir überwachen ständig alle Organfunktionen, wir pflegen sie rundum und das alles mit der Schutzkleidung, unter der man wahnsinnig schwitzt. Es ist frustrierend, wenn man unter diesen schwierigen Bedingungen alles tut, dass ein Patient*in gesund wird und dann passiert es trotzdem … Wir wissen, dass auch bei uns knapp 30 Prozent der Covid-Intensivpatienten*innen versterben. Das ist auch für uns auf der Intensivstation viel, zu viel.
Schön ist, dass das Team so gut funktioniert und zusammenhält. Wir unterstützen und trösten uns gegenseitig. Letztens hat hier eine Kollegin so geweint, weil jemand gestorben ist. In solchen Momenten kommt einem die ganze Anstrengung manchmal sinnlos vor und man fühlt sich so machtlos. Schlimm ist es auch, wenn man einen Menschen betreut hat, dem es erst besser geht und dann kommt man zum nächsten Dienst und er hat sich wieder verschlechtert.
Was uns immer wieder motiviert ist, dass wir von außen so viel Unterstützung erfahren. Es gibt Restaurants, die uns Essen bringen oder Kuchen spenden und auch von Privatleuten kommt viel Unterstützung. Immer wieder bringen Angehörige uns Kuchen oder schreiben uns nette Karten – das hilft!
Und es gibt richtige Lichtblicke: zwei COVID-Patienten, die wir im Frühjahr hier intensivmedizinisch behandelt haben, sind vorbeigekommen und haben sich bei uns bedankt. Das hat unser gesamtes Team sehr gefreut und motiviert. Beiden Patienten ging es im Frühjahr wirklich schlecht und jetzt zu sehen, dass sie wieder fit sind, das ist einfach toll.“
Dr. Sabine Jobmann, Klinikdirektorin der Zentralen Notaufnahme
„Irgendwie bin ich immer müde. Das letzte Jahr war sehr anstrengend: erste „Corona-Welle“, kurze Sommerpause, dann die zweite Welle und parallel dazu sind wir mit der Abteilung umgezogen. Die neuen Räumlichkeiten sind sehr schön – die Freude darüber geht in der zweiten Welle unter. Schade!
Mein letzter Urlaub war im Juli. Der Urlaub im Herbst wurde verschoben, im Dezember ging es auch nicht. Also wird der Urlaub mit ins neue Jahr genommen. Die fehlenden Erholungstage machen sich so langsam bemerkbar und das geht vielen Kolleginnen und Kollegen von mir so. Die Frage, wann diese Urlaubstage genommen werden können, ist berechtigt.
Schon vor dem Betreten der Klinik überlege ich mir, ob das geplante Team am heutigen Tag vollständig ist. Ist jemand krank? Wenn ja, ist er „normal“ krank oder besteht Verdacht auf eine Corona-Infektion oder ist diese sogar nachgewiesen? Wenn ja, wer hatte mit wem wann Kontakt gehabt? Wer muss informiert und abgestrichen werden? Wo muss nochmal was gemeldet werden? Wer muss wie lange in Quarantäne?
Wir machen uns Sorgen um die erkrankten Kolleg*innen. Einige hatten leichte Symptome und die machen sich eher Sorgen um die Kollegen auf der Arbeit, die jetzt mehr arbeiten müssen, während man selber mit leichten Symptomen zu Hause ist. Es gab aber auch welche, die deutliche Krankheitssymptome hatten und wir waren froh, wenn es ihnen besser ging. Niemand möchte die eigenen Kolleg*innen behandeln müssen!
Viele Kolleg*innen haben Kinder. Auch immer wieder ein Problem! Hat die Kinderbetreuung auf? Gibt es irgendwelche Einschränkungen? Sind die Öffnungszeiten verkürzt? Schule ja oder nein. Fällt eine Betreuungsperson aus? Darauf müssen wir immer wieder auch sehr kurzfristig reagieren und es muss irgendwie gehen.
Und dann ist da noch die Angst, was ist, wenn ich mich infiziere und dann jemanden, der mir nahesteht, anstecke? Kein schöner Gedanke!
Unabhängig von all diesen Dingen geht es in der Notaufnahme jeden Tag weiter. Für die Patienten mit Corona-Symptomatik haben wir einen abgeschlossenen Bereich eröffnet. Plötzlich haben wir zwei Notaufnahmen nebeneinander. Im Isolationsbereich darf nur in Schutzkleidung gearbeitet werden. Wenn man dies über einen längeren Zeitraum tut, erspart man sich einen Saunabesuch. Und die versprochene Ablösung zur Pause fällt erst einmal aus, da ein schwerverletzter Patient angekündigt ist. Das geht vor! Die anderen Notfallpatienten kommen trotz Corona weiterhin und wir möchten alle Patient*innen gut versorgen.
Wenn sehr viel los ist, steht der Rettungsdienst manchmal mit seinen Patient*innen in einer Warteschlange. Es gibt leider keine Alternative – die umgebenden Krankenhäuser sind auch alle voll. Das ist für alle nervenaufreibend und wir müssen achtgeben, dass wir weiterhin gut miteinander umgehen.“
Klinikum Darmstadt GmbH
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