Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist in einem Großteil der Entwicklungsländer verbreitet und stellt ein zunehmend großes Risiko auch für Europa und Nordamerika dar. In den letzten Jahren wurden weltweit bis zu 20 Millionen Neuinfektionen pro Jahr registriert, die bis zu 44.000 Todesfälle pro Jahr verursachen können. Einen Impfstoff gibt es außerhalb Chinas nicht. Derzeit beschränken sich die Behandlungsmöglichkeiten entweder auf das Virostatikum Ribavirin, bei dem es zur Entwicklung einer Medikamentenresistenz kommen kann, oder auf pegyliertes Interferon (PEG-74 IFN). Beide Behandlungsoptionen können schwere Nebenwirkungen verursachen.
Es ist bekannt, dass das HEV für seine Freisetzung aus den infizierten Zellen das sogenannte endosomale System des Wirts "kapert". Endosomen und daraus hervorgehende Exosomen sind membranumschlossene, funktionelle Bereiche (Organellen) in den Zellen, die am Transport von Proteinen und Lipiden zwischen und innerhalb von Zellen beteiligt sind. Diese endosomalen Strukturen sind in hohem Maße von Cholesterin abhängig.
Welche Auswirkungen hat die Infektion mit HEV auf den Cholesterin-Stoffwechsel? Und umgekehrt: Wie beeinflusst der intrazelluläre Cholesteringehalt die Freisetzung der HEV aus den Zellen und könnten Cholesterin-Modulatoren möglicherweise therapeutisch genutzt werden? Diesen Fragen gingen Mirco Glitscher und Kolleginnen und Kollegen im Paul-Ehrlich-Institut unter Leitung von Prof. Eberhard Hildt, Leiter der Abteilung Virologie, im Verbund mit Wissenschaftlerinnen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der Universitätsklinik Aachen und der Charité Universitätsmedizin Berlin nach.
Mithilfe verschiedener Methoden wies das Forschungskonsortium nach, dass eine HEV-Infektion die Serum-Lipidkonzentrationen senkt. In infizierten Zellen sind die Cholesterinwerte herabgesetzt. Eine Behandlung mit Statinen, einer bestimmten Wirkstoffgruppe von Lipidsenkern, erhöht die Virusspiegel (Virus-Titer) und damit die Viruslast in chronisch infizierten Patientinnen und Patienten. Auch in Zellkultur wurden nach Senkung der intrazellulären Cholesterinspiegel durch eine Behandlung mit dem Statin Simvastatin verstärkt Hepatitis-E-Viren freigesetzt. Umgekehrt wird durch Erhöhung des intrazellulären Cholesterins durch Lipoproteine niederer Dichte (low-density lipidprotein, LDL) oder 25-Hydroxycholesterin die Virusfreisetzung reduziert. Dies geschieht, indem die HEV in Zellorganellen, den Lysosomen, abgebaut werden. Die Abnahme der Virusfreisetzung ließ sich auch durch die Erhöhung des intrazellulären Cholesterins über medikamentöse Wirkstoffe wie Fenofibrat erzeugen. Fenofibrat ist ebenfalls ein Lipidsenker, gehört jedoch zu einer anderen Wirkstoffklasse als die Statine.
"Unsere Untersuchungen zeigen die Bedeutung der Wechselwirkung zwischen Cholesterin und dem Hepatitis-E-Virus für die Viruslast und den Krankheitsverlauf. Möglicherweise können die Erkenntnisse aus dieser Forschungsarbeit genutzt werden, um neue Therapieoptionen klinisch zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Lipidsenkern. Gerade Fibrate könnten hier eine günstige und effiziente Alternative zu derzeitigen Behandlungsoptionen darstellen.", erläutert Hildt die Bedeutung der Ergebnisse.
Originalpublikation
Glitscher M, Heiler Martín D, Woytinek K, Schmidt B, Tabari D, Scholl C, Stingl JC, Seelow E, Choi M, Hildt E (2021): Targeting cholesterol metabolism as efficient antiviral strategy against the Hepatitis E virus.
Cell Mol Gastroenterol Hepatol Feb 15 [Epub ahead of print].
Online-Abstract
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