ALLES AUSSER WEISS
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ließ „das konservative Hamburg nur Weißanstrich für Decken, Türen und Fenster zu, und höchstens da, wo es angebracht und bezahlt wurde, sparsamste Vergoldung“, befand Peter Gustaf Dorén. Geprägt durch seine Kindheit in südschwedischer Farbenvielfalt verordnete er seiner Wahlheimat eine Farbkur. Seine Kundschaft überzeugte er mit sorgfältig ausgestalteten Musterbögen und sicherem Gespür für den Facettenreichtum der Ornament- und Raumgestaltung. Dabei bewegte er sich geschickt zwischen Tradition, Innovation und hanseatischer Zurückhaltung. Gleichzeitig wertete Dorén den Berufszweig der Kunst- und Dekorationsmaler auf. Er selbst beherrschte das Freihand- und Zirkelzeichnen, die Wappenmalerei, das gemalte Nachahmen von Holz, Marmor und Textil und vollendete in Frankreich seine Meisterschaft in der Dekorationsmalerei.
CAFÉS, THEATER, MUSEEN UND PASSAGIERSCHIFFE
Dorén gestaltete Räume für das Hotel Vier Jahreszeiten und Schümanns berühmten Austernkeller, für das Oberlandesgericht, die Staatliche Kunstgewerbeschule, das Museum für Völkerkunde und für Passagierschiffe der Hamburg-Amerika-Linie sowie italienischer und englischer Reedereien. Zu Beginn der Spielzeit 1900/1901 erhielt er den Auftrag, das Thalia Theater neu einzurichten. Das Ergebnis begeisterte selbst das kühle Hamburger Temperament: Vom Eingang in Blau und der „hübschen“ Mosaikmalerei über die „prächtigen“ Türen aus poliertem Mahagoni bis zum „freundlich-harmonischen Farbconcept“ der weiteren Ausstattung schwärmten die Hamburger Nachrichten im August 1900.
HAMBURGS GOLDENE 20ER JAHRE
Farbige Fassaden lösten das reine Weiß der reinen Form des 18. Jahrhunderts ab und das Einheitsgrau der Straßenzüge auf. Da farbige Anstriche für den Außenbereich, speziell im Hamburger Schmuddelwetter, lange Zeit nicht geeignet waren, sprach sich Dorén für „farbige“ Baumaterialien aus: Klinker, Backstein, Keramik, Marmor, Sandstein und Granit. Er profitierte nachhaltig vom Bauboom der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts: In der gesamten Hamburger Innenstadt entstanden Geschäftskomplexe, Kinos, Restaurants und Hotels, dazu kamen Villen und Landhäuser etablierter Großkaufmannsfamilien.
DIE WELTAUSSTELLUNG 1900 IN PARIS
Der hervorragende Netzwerker Dorén saß in allen wichtigen Kommissionen und Vereinen, die im weitesten Sinne mit Gestaltung zu tun hatten. 1888 trat er dem Kunstgewerbe-Verein bei und gehörte zur Delegation der Hamburger Gewerbekammer, die sich 1900 mit dem MK&G-Gründer Justus Brinckmann sechs Wochen in Paris aufhielt. Dort fand jene Weltausstellung statt, die erstmals den Jugendstil präsentierte. Ausgehend von der Forderung, das Handwerk wieder auf ein künstlerisches Niveau zurückzuführen, entstand ein „neuer Stil“, der einer sanften Revolution glich: Die „gute Gestaltung“ sollte die Lebensumstände der Menschen verbessern. Nicht alle folgten diesem Grundsatz, Widerstand regte sich auch unter Handwerkern. Dorén jedoch ließ sich mitreißen von dem Aufbruch und brachte die Gestaltungsprinzipien in den bürgerlichen Wohnraum.
GESCHÄFTSSINN UND MODERNE UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Peter Gustaf Doréns wirtschaftlicher Erfolg und sein gesellschaftliches Renommé nahmen 1908 konkrete Form an: Am Pulverteich 28 baute er ein fünfgeschossiges Kontor- und Ateliergebäude mit Büroräumen, Atelier, Textil- und Musterlager. Zeitgenossen berichteten von zeitgemäßem Arbeiten durch Fahrstühle, gute Lichtverhältnisse, flexible Raumnutzung und von flachen Hierarchien. Bauherrn und Architekten überzeugte er mit straff organisierten Arbeitsabläufen und prompter Rechnungsstellung. Unter dem neuen Label „Werkstätten für Wohnungskunst“ (1903) bot seine Firma neben Dekorationsmalerei und Malerhandwerk auch die passende Innenarchitektur: Dorén stattete Wohnräume als harmonische Einheit aus, inklusive aller Detailarbeiten. Dazu präsentierte und lieferte er Objekte zeitgenössischer Künstler*innen, darunter Stoffe der Wiener Werkstätte, Fliesen des Keramikers Jakob Julius Scharvogel, Teppiche und künstlerische Tapetenkollektionen.
WERBUNG IN EIGENER SACHE
In der Selbstvermarktung war Peter Gustaf Dorén Profi. Bereits in Schweden gab er sich – in Anlehnung an den berühmten französischen Illustrator Gustave Doré – den Nachnamen Dorén. Seine Geschäftskontakte pflegte er persönlich und legte großen Wert auf eine künstlerisch wertvolle und werbewirksame Darstellung, von sorgfältig gestalteten Drucksachen, Grußkarten und Firmenlogos bis zu Schablonen für die Fahrzeugbeschriftung. Dabei kombinierte er virtuos Typografie, Illustration und Ornament. Als die Firma wuchs, zog Dorén in den bei Handwerkern beliebten Hamburger Stadtteil Sankt Georg. Die neuen Räume verbanden Büro, Werkstätten und Privatwohnung, die zugleich Showroom war. Diese multifunktionale Nutzung entsprach dem Ideal des Jugendstil, wie es auch Henry van der Velde im belgischen Uccle lebte. Dorén unterstützte außerdem zeitgenössische Künstler*innen und Kunsthandwerker*innen und förderte sie, indem er ihre Werke in den Privat- und Geschäftsräumen präsentierte. Zu seiner Kunstsammlung zählten Arbeiten von Emil Nolde, Franz Nölken, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Otto Eckmann und Georg Jensen.
PUBLIKATION
Parallel zur Ausstellung erscheint Anfang April 2021 im Hatje Cantz Verlag das Buch PETER GUSTAF DORÉN. EIN HAMBURGER RAUMKÜNSTLER UM 1900 über das Lebenswerk von Gustav Peter Dorén, hg. von Peter Nils Dorén, mit Texten von Peter Nils Dorén, Roland Jaeger, Rüdiger Joppien, Gestaltung: Peter Nils Dorén, Deutsch, 2021, 224 Seiten, 400 Abb., 24,00 x 30,00 cm, ISBN 978-3-7757-5050-9, 48 Euro.
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