Der Deutsche Hochschulverband (DHV) fordert eine stärkere Anrechnung digitaler Lehrformate in den Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder. Die Tatsache, dass Hochschulleitungen pandemiebedingt die vollständige Substituierung von Lehrangeboten durch virtuelle Formate akzeptierten, obwohl in vielen Lehrverpflichtungsverordnungen deren Anrechnungshöhe auf 25 Prozent begrenzt werde, unterstreiche die Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Anpassung. "Zwar bleiben Universitäten ihrem Selbstverständnis nach keine Fern-, sondern Präsenzuniversitäten und damit auf die persönliche Begegnung und Interaktion von Lehrenden und Lernenden angewiesen. Angesichts des Infektionsgeschehens ist aber absehbar, dass Präsenzlehre vorerst nur in engen Grenzen und unter strenger Beachtung der gebotenen Abstands- und Hygieneregeln durchführbar sein wird", erklärte DHV-Präsident Professor Dr. Bernhard Kempen. "Wer sich dagegen aus fiskalischen Erwägungen durch digitale Lehrformate größere Einspareffek
te beim Lehrpersonal erhofft, nährt vollkommen falsche Hoffnungen. Auch nach Covid-19 wird es unter Wahrung der Lehrmittelfreiheit und Methodenvielfalt darum gehen, traditionelle und digitale Lehrformate fachspezifisch besser zu verzahnen, weil sich beide gegenseitig ergänzen und bereichern können."

Für überobligatorischen Einsatz in der digitalen Lehre müsse es daher generell einen fairen Ausgleich geben, der gegebenenfalls auch die Absenkung des Gesamtlehrdeputats einer Fakultät einschließen könne. "Hierdurch kann auch ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, um nachhaltiges Engagement in der digitalen Lehre zu fördern", betonte Kempen. "Synchrone elektronische Lehre sollte grundsätzlich mit einer Präsenz-Lehrverpflichtungsstunde eins zu eins gleichgesetzt werden. Die Bewertung asynchroner digitaler Lehre sollte den jeweiligen semesterbezogenen Zeitaufwand für die Veranstaltung widerspiegeln."

Notwendig sei, zwischen der erstmaligen Herstellung einer digitalen Vorlesung, ihrer veränderten oder unveränderten Übernahme in weiteren Semestern und einem ausgefeilten Zusammenspiel von digitalen Formaten mit Präsenzelementen zu differenzieren. Die Erstellung und Betreuung von Angeboten, die über die digitale Lehrveranstaltung einschließlich der jeweiligen Vor- und Nachbereitung hinausgingen, sollten in Lehrverpflichtungsverordnungen gesondert mit einem Korridor von Gewichtungsmöglichkeiten bedacht werden. Für eine digitale Lehrveranstaltung als Ganzes solle nach Maßgabe des Aufwandes auch ein Faktor veranschlagt werden können, der oberhalb der Zahl eins liege. Näher spezifizierte Anrechnungsfaktoren sollten in den Lehrverpflichtungsverordnungen selbst geregelt werden. Dabei sollten in Zweifelsfällen der Bewertung beispielsweise mit den Fachbereichs- und Fakultätsräten diejenigen entscheiden, die am ehesten fach- und sachgerecht urteilen könnten. Außerdem sollten Lehrdeput
atsermäßigungen auch wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt werden, die in der Vor- und Nachbereitung für multimediale und unterstützende digitale Lehre tätig seien, unabhängig davon, dass sie diese Aufgaben in der Regel weisungsgebunden wahrnähmen.

"Innovative digitale Lehre kann es nicht zum Nulltarif geben", ergänzte der DHV-Präsident. Vorschläge, parallel zum Digitalpakt Schule auf Bund-Länder-Ebene einen Digitalpakt Hochschule aufzulegen oder Hochschulen eine "Digitalisierungspauschale" pro Studentin bzw. Student zur Verfügung zu stellen, seien von der Politik bislang leider nicht aufgegriffen worden. "Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in der Pandemie Flexibilität sowie außerordentliche Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Nunmehr muss auch die staatliche Politik in einer nationalen Kraftanstrengung durch substantielle finanzielle Unterstützung ihren Beitrag zur Weiterentwicklung leisten", fügte Kempen hinzu.

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