Drei Monate nach Amtsantritt skizziert die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden noch ihre Nahost-Strategie. Der Kreditversicherer Credendo sieht dabei drei wesentliche Verschiebungen. Erstens der Versuch des Abbaus von Spannungen, die unter der Trump-Regierung entstanden sind, insbesondere mit dem Iran. Zweitens soll der außenpolitische Fokus auf die Region verringert werden. Drittens gibt es eine größere Distanz zu Saudi-Arabien. Abgesehen von dem Wunsch, das Atomabkommen mit dem Iran wieder in Kraft zu setzen, wird jedoch keine grundlegende Änderung der regionalen Strategie der Vereinigten Staaten erwartet.

Auch Bidens Vorgänger haben schon versucht, den außenpolitischen Schwerpunkt vom Nahen Osten nach Asien zu verlagern, um dem wachsenden Einfluss Chinas entgegenzuwirken. Strategische Beziehungen, Sicherheitsbedenken und politische Ereignisse haben die Region aber immer wieder zurück in das öffentliche Interesse geholt. Als beispeilsweise Obama versuchte, sich verstärkt Asien zuzuwenden, hielten der Arabische Frühling, der syrische Bürgerkrieg, der Aufstieg des IS im Irak und das iranische Atomprogramm den Nahen Osten im Fokus. Zwei Entwicklungen kommen Biden aber nun entgegen. Zum einen verringert sich die strategische Bedeutung der Region für die USA, weil der Schieferboom sie zu einem Nettoexporteur von Rohöl und Gas gemacht hat. Zum anderen ist die Unterstützung Israels weniger problematisch, da das Land seine Sicherheitsposition unter Kontrolle und formelle Beziehungen zu vielen der arabischen Nachbarn aufgebaut hat. Dennoch bestehen weiterhin wichtige amerikanische Interessen in der Region, insbesondere mit Blick auf Iran und Irak.

Die Unterstützung des Iran für schiitische Milizen in verschiedenen Ländern soll eingedämmt werden, auch soll das Land keine Atomwaffen entwickeln. Die Trump-Regierung versuchte dies, indem sie sich 2018 aus dem Atomabkommen zurückzog und eine Kampagne des maximalen Drucks gegen das Land startete. Die Biden-Regierung hingegen möchte Spannungen abbauen und das Atomabkommen wieder in Kraft setzen, ohne das Gesicht zu verlieren. Eine Einigung ist nach Einschätzung der Credendo-Länderanalysten wahrscheinlich, wird aber viel Zeit in Anspruch nehmen, da sich der Iran der Forderung nach multilateralen Verhandlungen widersetzt und beide Seiten auf erste Schritte der jeweils anderen Seite warten.

Während die iranische Wirtschaft nach wie vor unter den Auswirkungen von US-Sanktionen und der Coronapandemie leidet, finden im Juni Präsidenten- und Parlamentswahlen statt. Es besteht die Möglichkeit, dass nach acht Jahren unter gemäßigter Präsidentschaft von Rouhani dann ein Hardliner an die Macht kommt. Eine Aufhebung der US-Sanktionen könnte der Wirtschaft neuen Schub geben. Credendo stuft das Land aktuell in der höchsten Risikoklasse (7 von 7) ein, eine Aufhebung der Sanktionen könnte zu einem Upgrade in Klasse 6 führen.

Die Regierung Biden möchte auch Spannungen in anderen Teilen der Region abbauen. Beispielsweise sollen Hilfen für die Palästinenser wieder aufgenommen und die diplomatischen Beziehungen verbessert werden.

Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den USA und Iran hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Irak, wo der Iran seinen Einfluss durch die Unterstützung der Volksmobilisierungskräfte gegen den IS stark ausgeweitet hat. Schiitische Milizen sind lose in das irakische Verteidigungsministerium integriert. Es gibt erhebliche Spannungen zwischen den USA und dem Iran im Irak durch den Angriff auf die US-Botschaft im Dezember 2019, die Ermordung des iranischen Generals Soleimani im Januar 2020 und Angriffe einer vom Iran unterstützten Miliz auf US-Streitkräfte am Flughafen Erbil. Eine Entspannung zwischen den USA und Iran würde sich daher unmittelbar auf den Irak auswirken, dessen politisches Risiko Credendo in der zweithöchsten Klasse (6 von 7) einstuft.

Bemerkenswert ist die Veränderung in den Beziehungen zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Während die Trump-Regierung enge Kontakte zu diesem pflegte, hat Biden als Ansprechpartner wieder König Salman in den Mittelpunkt gerückt. Zuvor hatten die USA Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate eingefroren, die Unterstützung Saudi-Arabiens im Jemenkrieg beendet und einen Geheimdienstbericht freigegeben, der Kronprinz Mohammed bin Salman mit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Verbindung bringt. In Saudi-Arabien wird dies aber wohl nur geringe Auswirkungen haben. Der Kronprinz hat seine Machtposition gefestigt und wird weiterhin eine dominierende Rolle spielen als erwarteter künftiger Herrscher. Die strategische Unterstützung der USA ist weiterhin stark, wie sich kürzlich nach einem Angriff von Houthi-Rebellen auf einen saudischen Flughafen und Ölanlagen zeigte. Der neue US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte sofort die Unterstützung seines Landes für die Sicherheit Saudi-Arabiens. Diese Unterstützung ist aber nicht mehr so bedingungslos wie unter der vorherigen amerikanischen Regierung. Von Saudi-Arabien wird eine gemäßigte Außenpoltik erwartet. In diesem Licht ist vielleicht auch die Wiederaufnahme der Beziehungen Saudi-Arabiens zu Katar, einem US-Verbündeten am Golf, zu sehen. 

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