Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags stärkt Kritikern eines Kabinettsentwurfs zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes den Rücken, berichtet heute (11 Uhr) das Online-Magazin Telepolis unter Berufung auf das Papier.

„In der Rechtsprechung wurde das alleinige Abstellen auf Inzidenzwerte als Voraussetzung von Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bereits öfter kritisiert“, heißt es in dem Gutachten, das vor der geplanten Novelle des Infektionsschutzgesetzes verfasst wurde und der Redaktion vorlag.

Gerichte hätten vor allem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Schutzmaßnahmen in größeren Gebieten wie Kreisen geäußert, sofern dies allein mit dem Inzidenzwert in diesem Gesamtgebiet begründet werde, zitiert Telepolis aus dem Papier.

Ungeachtet dieser Einwände hatte das Bundeskabinett am Dienstag den Entwurf für eine erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorgelegt. Vorgesehen sind darin unter anderem Ausgangsbeschränkungen ab einem Inzidenzwert von 100.

Diese und weitere Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie sollen laut der Gesetzesnovelle in ganzen Landkreisen gelten. Damit nimmt die Bundesregierung trotz bekannter juristischer Einwände in Kauf, dass auch die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern beschnitten werden, an deren Wohnort die Infektionszahlen keine kritische Grenze überschritten haben, was selbst in Regierungsfraktionen für Unbehagen sorgte.

In seinem Gutachten verweist der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags auf Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und der Oberverwaltungsgerichte in Münster und Lüneburg. In Lüneburg etwa hatten die Richter neben dem Inzidenzwert die „Einbeziehung aller anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände“ gefordert und die Validität der Inzidenzwerte hinterfragt.

Würde der Regierungsentwurf umgesetzt, „dann wäre so, als ob im Landkreis Ischgl eine Ski-Piste mit Après-Ski-Festhallen neben einem Konzertsaal mit R-Wert 0,3 steht, die Regierung das alles über einen statistischen Kamm schert und Konzerte ebenso wie das Skifahren verbietet“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm, der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, gegenüber Telepolis.

Der linke Kulturpolitiker verwies zugleich auf „mutwillig krankgekürzte Intensivstationen und Gesundheitsämter, die ja längere Infektionsketten nachvollziehen sollen“.

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