Ob im Arbeitsleben, beim Reisen oder beim Online-Shoppen – die Zahl der Rechtsstreitigkeiten ist durch die Corona-Pandemie enorm gestiegen. Alle Lebensbereiche sind betroffen. Gut für diejenigen, die eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Die kann sich allerdings nicht jeder leisten. Doch auch, wer kein oder nur ein geringes Einkommen hat, kann sich von einem Anwalt beraten und in einem Prozess vertreten lassen. Die ARAG Experten wissen, wie das geht.

Beratungshilfe
Die Beratungshilfe ist im Beratungshilfegesetz (BerHG) geregelt und umfasst die komplette anwaltliche außergerichtliche Regelung von Streitfällen, insbesondere die Beratung, Vertretung und Durchführung des Schriftverkehrs. Erfasst werden Angelegenheiten des Sozial-, Verfassungs-, Verwaltungs- und des Zivilrechts, einschließlich des Arbeitsrechts. In Angelegenheiten des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts wird zwar keine anwaltliche Vertretung, aber eine Beratung gewährt. In Berlin besteht die Wahl zwischen einer öffentlichen Rechtsberatung und der Beratungshilfe. In Bremen und Hamburg tritt die öffentliche Rechtsberatung an die Stelle der Beratungshilfe. In den anderen Bundesländern kann der Beratungshilfeschein beim zuständigen Amtsgericht am Wohnsitz auf der Rechtsantragsstelle beantragt werden.

Man kann auch gleich zum Rechtsanwalt gehen und durch diesen den Antrag nachträglich stellen lassen. Aber die ARAG Experten raten zur Vorsicht: Wird der Antrag vom Amtsgericht abgelehnt, müssen die Rechtsanwaltskosten zumeist selbst getragen werden. Daher sollte man den Beratungshilfeschein immer vor dem Anwaltsbesuch beantragen. Wird ein Beratungshilfeschein ausgestellt, rechnet der Rechtsanwalt seine Gebühren über den Schein direkt mit dem Gericht ab. Der Ratsuchende zahlt dem Rechtsanwalt nur eine Beratungshilfegebühr in Höhe von 15 Euro. Diese kann vom Rechtsanwalt auch erlassen werden.

Prozesskostenhilfe
Im Unterschied zum Beratungshilfeschein erfasst die Prozesskostenhilfe (PKH) die Übernahme von Kosten im gerichtlichen Verfahren. Durch die Bewilligung der PKH wird die Partei von der Zahlung der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten befreit. Soweit jedoch die Partei dazu in der Lage ist, muss sie sich an den Kosten des Prozesses beteiligen. Hierzu kann das Gericht festlegen, welche monatlichen Raten an die Gerichtskasse zu zahlen sind. Maximal sind 48 Monatsraten zurückzuzahlen. Verbessert sich die finanzielle Situation des Antragstellers innerhalb dieses Zeitraums, kommt auch eine Rückzahlung in Betracht.

Nicht von der PKH erfasst werden nach Auskunft der ARAG Experten die Rechtsanwaltskosten der Gegenpartei. Wer den Prozess verliert, muss daher in der Regel die Kosten des Gegners erstatten, selbst wenn ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden war.

Der Antrag auf PKH muss beim zuständigen Prozessgericht schriftlich gestellt werden. In dem Antrag müssen die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dargestellt und die Beweismittel angegeben werden.

Wer hat Anspruch?
Für beide Verfahren gelten die gleichen Voraussetzungen, unter welchen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eine Bewilligung erfolgen kann. Sie wird nur bedürftigen Antragstellern gewährt, deren Einkommen bestimmte individuelle Einkommensgrenzen nicht überschreitet. Generell lässt sich sagen, dass sich die Prozesskostenhilfe an der Höhe des Nettoeinkommens unter Berücksichtigung der Zahl der unterhaltsberechtigten Personen und der monatlichen Wohn- und Heizungskosten bemisst. Ergibt sich nach allen Abzügen eine monatliche Rate von weniger als zehn Euro, erhält der Antragsteller die PKH ratenfrei. Beratungshilfe wiederum wird nach dem BerHG nur gewährt, wenn die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung vorliegen.

Bei der Berechnung der Raten werden Steuern, Vorsorgeaufwendungen, Werbungskosten, Wohnkosten einschließlich Heizung und diverse Freibeträge berücksichtigt: bei Erwerbstätigen ein Erwerbsfreibetrag von 223 Euro, zudem Freibeträge für die Partei und Lebenspartner bzw. Ehegatten von 491 Euro pro Person sowie Freibeträge für weitere unterhaltsberechtigte Personen wie z. B. Kinder. Bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr liegt der Unterhaltsfreibetrag bei 311 Euro pro Kind, bei älteren Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr werden 340 Euro pro Kind angerechnet. Für Kinder bis zum 18. Lebensjahr gilt ein Freibetrag von 410 Euro und für erwachsene Kinder werden 393 Euro berücksichtigt. Die Freibeträge gelten grundsätzlich bundesweit, soweit nicht lokal ein höherer Satz gilt. Aktuell ist das nur in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Starnberg und München sowie in der Stadt München der Fall.

Den Anträgen muss die „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ beigefügt werden. Das Einheitsformular für beide Verfahren kann auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums heruntergeladen werden.

Zur Antragstellung sind die erforderlichen Unterlagen in Original mitzubringen, damit die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch glaubhaft gemacht werden können. Wer eine Rechtsschutzversicherung besitzt, hat keinen Anspruch auf Beratungshilfe bzw. PKH: In diesem Fall nämlich kommt die Rechtsschutzversicherung für die Kosten auf, wenn die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig gehandelt worden ist.

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