Mit lautstarken Sprechchören, einem Trecker und aussagekräftigen Bannern protestierte heute ein Bündnis aus den Bereichen Landwirtschaft, Menschenrechte, Ernährung, Klima- und Umweltschutz vor dem Auswärtigen Amt in Berlin für den Schutz bäuerlicher Strukturen sowie weltweite Ernährungssouveränität. Einen Tag vor dem internationalen Tag des bäuerlichen Widerstands am 17. April solidarisierten sich die Protestieren mit den   Bäuerinnen und Bauern in Indien, welche seit über vier Monaten landesweit gegen eine geplante Liberalisierung des dortigen Agrarsektors auf die Straße gehen. In Indien bestreiten rund 600 Millionen Menschen ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft. Von den angekündigten Gesetzen würden aus ihrer Sicht vor allem große Konzerne profitieren, während bäuerliche Familien leiden. Die indischen Bäuerinnen und Bauern wehren sich zudem gegen eine drohenden Verschärfung der Ungleichheit innerhalb der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung und fordern   rechtsverbindliche Mindestpreise ein – innerhalb wie außerhalb der öffentlichen Märkte.

Paula Gioia von der AbL sagt auf der Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt in Berlin:
Trotz der unterschiedlichen Lebenssituation verbinden die indischen und deutschen Bäuerinnen und Bauern sowohl die Problemursachen als auch die Lösungsansätze. Hier wie dort wird vor allem Agrarpolitik für Konzerne gemacht, statt für die Menschen in der Landwirtschaft. In Deutschland und in der EU sorgt die Agrarpolitik seit Jahrzehnten für ein rasantes Höfesterben. Wir setzen uns ein für faire Erzeugerpreise, gemeinwohlorientierte Subventionen und gerechte Agrarstrukturen. Für die Menschen in der Landwirtschaft fordern wir Unterstützung und Wertschätzung. Gemeinsam streben Bäuerinnen und Bauern – egal ob in Indien, Deutschland oder anderswo – nach Würde, Autonomie und Kontrolle über die Lebensmittelerzeugung im Einklang mit der Natur und den Tieren. Die indischen Bäuerinnen und Bauern sind eine Inspiration für die bäuerliche Bewegung in Europa. Wir wissen, dass sie ihre Proteste an verschiedenen Orten fortsetzen werden, bis dieses Gesetzespaket aufgehoben wird.“

Paula Gioia fordert konkret:
„Deutschland muss die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten (A/73/589/Add.2) als anerkanntes UN-Instrument umsetzen. Wir fordern deshalb heute die Bundesregierung dazu auf, ihren extraterritorialen Verpflichtungen, wie sie im Artikel 2.5 der Bauernrechteerklärung verankert sind, nachzukommen und nicht zulassen, dass durch deutsche Konzerne die Menschenrechte der indischen Bäuerinnen und Bauern außer Acht gelassen und geschwächt werden. Wir fordern die Bundesregierung außerdem dazu auf, bei der indischen Regierung zu intervenieren. Diese muss die drei Agrargesetze endgültig zurückzuziehen, da sie im direkten Gegensatz zum Schutz von Bauernfamilien stehen.“

Hintergrundinformationen:

  • Der Internationale Tag des bäuerlichen Widerstands am 17. April geht auf das Massaker von Eldorado dos Carajás (Brasilien) zurück. Dieser jährt sich am kommenden Samstag zum 25. Mal. 1996 wurden 19 Aktivisten der brasilianischen Landlosenbewegung (MST) durch die brasilianische Polizei ermordet.
  • Seit 25 Jahren existiert das Konzept der Ernährungssouveränität, welches den Bevölkerungen das Recht geben soll, über ihr eigenes Ernährungssystem zu bestimmen. Dies beinhaltet auch allen Menschen den Zugang zu gesunden, nahrhaften und kulturell angemessenen Lebensmitteln zu ermöglichen. Diese sollen unter Verwendung lokaler Ressourcen umweltfreundlich produziert werden und lokale Märkte primär versorgen. Seit 1996 ist das Konzept zu einem wichtigen Thema der internationalen Agrardebatte geworden, wurde bereits in einige nationale Verfassungen integriert und findet in UN-Dokumenten Erwähnung. Ernährungssouveränität ist die Bedingung für eine wahrhaftige Ernährungssicherheit.
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