Die Anwohner*innen des Waldseeviertels sind es leid: Nach jahrelangem Kampf gegen den Durchgangsverkehr hatten im Februar 2020 endlich alle sechs Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf einstimmig beschlossen, dass die Blechlavine aus dem Umland nicht weiter durch das Wohnviertel rollen darf. Mit Modalfiltern, die den Autoverkehr ausbremsen, den Fuß- und Radverkehr aber durchlassen, sollte der motorisierte Durchgangsverkehr unterbunden werden. Nun aber setzt sich das Bezirksamt über den demokratisch gefassten Beschluss hinweg und legt stattdessen eine zweifelhafte rechtliche Stellungnahme vor.

“Die bezirkliche Argumentation, dass die kleinen Wohnstraßen im Waldseeviertel zur Entlastung der Bundesfernstraße B96 gebraucht würden, ist blanker Hohn”, so Prof. Dr. Michael Ortmann von der Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung. Täglich fahren 6.000 Kfz durch das Waldseeviertel. Der Anteil der Durchfahrten beträgt laut unabhängigem Verkehrsgutachten 90%.

Die Anwohner*innen gehen nun mit juristischem Beistand gegen das undemokratische und gesetzeswidrige Verhalten des Bezirksamtes vor.  Der beim Straßenverkehrsamt Reinickendorf eingereichte anwaltliche Antrag stützt sich unter anderem auf das Berliner Mobilitätsgesetz, das natürlich auch im Bezirk Reinickendorf gilt. Demnach ist der starke Durchgangsverkehr im Waldseeviertel zum Schutz der Radfahrer und Fußgänger zu unterbinden. Das Mobilitätsgesetz sieht einen Vorrang des Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehrs vor – und zwar bei allen Planungen und Maßnahmen, also auch im Waldseeviertel.

„Letztendlich geht es darum, in was für einer Stadt wir leben wollen“, kommentiert Ragnhild Sørensen vom Verein Changing Cities e. V.. Der Verein will noch in diesem Jahr 180 sogenannte Kiezblocks, das sind Wohnviertel mit weniger Durchgangsverkehr und mehr Lebensqualität, in ganz Berlin initiieren. Ein Pilotprojekt für einen solchen Kiezblock, also eine verkehrsberuhigte Nachbarschaft, soll das Waldseeviertel in Hermsdorf sein. „Eine etwaige Klage der Anwohner*innen des Waldseeviertels wird Strahlkraft für die Kiezblock-Bewegung in ganz Berlin generieren“, ergänzt Dirk von Schneidemesser, Vorstand bei Changing Cities e.V.. „Es bleibt zu hoffen, dass das Bezirksamt Reinickendorf das geltende Recht und Gesetz in Berlin akzeptiert und entsprechend handelt“, so Prof. Dr. Michael Ortmann. „Für Nichtstun braucht man schließlich niemanden.“

Weiterführende Links:

Informationen zu der Bürgerinitiative: https://www.schildower-strasse.de/

Informationen zu Changing Cities e.V.: https://changing-cities.org

Über den Changing Cities e.V.

Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

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Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung
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