Zur Eröffnung verwies SOKA-BAU-Vorstandsmitglied Dr. Gerhard Mudrack auf die Entstehung der Sozialkassenverfahren im Jahr 1921. „Vor 100 Jahren gaben Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter eine erste Antwort auf spezifische Anforderungen der Baubranche. Hieraus entstanden in den folgenden Jahrzehnten jene Verfahren, die wir heute als SOKA-BAU umsetzen. Die Sozialkassenverfahren sind deshalb Teil der Arbeitsbedingungen, die die Tarifvertragsparteien definieren.“ Anette Kramme, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, betonte in ihrer Begrüßung die Bedeutung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen als Gestaltungsoption des Staates zur solidarischen Finanzierung von Sozialkassen.
Professor Dr. Raimund Waltermann (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) legte dar, welche rechtlichen Möglichkeiten Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben, um Mitglieder zu gewinnen und damit die Tarifbindung zu stärken. Auch bei allgemeinverbindlich erklärten Sozialkassentarifverträgen sei es möglich, mitgliederexklusive Rechte zu verankern. Differenzierungsklauseln zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern seien in einem bestimmten Umfang solange zulässig, wie dies im öffentlichen Interesse liege. Grundsätzlich hält Waltermann auch Beitrags- und Steuervergünstigungen, die aktuell in der Politik diskutiert werden, für rechtlich zulässig.
Professor Dr. Thorsten Schulten warf mit der Vorstellung von empirischen Erkenntnissen der Böckler Stiftung einen Blick nach Europa. Er sieht fünf regionale Bereiche mit unterschiedlich ausgeprägter Tarifbindung. Im kontinentaleuropäischen Bereich sei Deutschland mit einer deutlich abnehmenden Tarifbindung eher ein Ausnahmefall. In der Mehrzahl der europäischen Staaten bleibe dagegen die Mitgliederzahl bei den Tarifvertragsparteien auf höherem oder niedrigerem Niveau relativ stabil.
Daran knüpfte Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schlachter, Direktorin des Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union an der Universität Trier, an. Sie stellte rechtsvergleichende Modelle der Tarifbindung aus dem Ausland vor, sah ihre Übertragbarkeit auf Deutschland allerdings eher skeptisch. Schlachter sieht die Rechtsvergleichung aber als Methode, das eigene System kritisch im Sinne von „Best Practices“ zu hinterfragen. Das Beispiel Schweden zeige, dass starke Tarifvertragsparteien mit einer hohen Mitgliederbindung in der Lage seien, staatliche Einflussnahmen auf die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen zu begrenzen.
Anhand zahlreicher Beispiele zur internationalen Erstreckung von Tarifnormen führte Prof. Dr. Manfred Walser, LL.M. von der Hochschule Bremen die Ergebnisse der Vorträge zusammen und zeigte auf, welche Gestaltungsoptionen die Tarifvertragsparteien exemplarisch bei der grenzübergreifenden Tätigkeit und Soloselbstständigen haben.
In der abschließenden Podiumsdiskussion nahmen die Vertreter der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft die Hinweise der Wissenschaft auf. Uwe Nostitz, Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, stellvertretend für die Arbeitgeberverbände, und Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt, diskutierten mit den Bundestagsabgeordneten Wilfried Oellers (CDU/CSU), Daniela Kolbe (SPD) und Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) das gemeinsame Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesfinanzministeriums zur Weiterentwicklung des Mindestlohns und Stärkung der Tarifbindung sowie die programmatischen Aussagen der SPD im anstehenden Bundestagswahlkampf. Es sei Aufgabe der Politik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Stärkung der Tarifbindung zu definieren. Ihre Rechtmäßigkeit überprüfe die Rechtsprechung dann im Einzelfall, ergänzte Professor Dr. Jürgen Treber, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht.
Das Tarifsymposium der Bauwirtschaft findet seit 15 Jahren statt und dient als wissenschaftliches Diskussionsforum und Impulsgeber zu aktuellen tarifrechtlichen und tarifpolitischen Themen.
Unter dem Dach von SOKA-BAU (Wiesbaden) sind zwei gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.) vereint: die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG (ZVK). Aufgaben der ULAK sind die Sicherung von Urlaubsansprüchen und die Finanzierung der Berufsausbildung. Die ZVK bietet allen Beschäftigten der Baubranche eine überbetriebliche zusätzliche Altersversorgung.
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