Die unverändert konzertierten Aktionen von Regierungen und Notenbanken machen eine schnelle V-förmige weltwirtschaftliche Erholung nach der Pandemie immer wahrscheinlicher. Doch die Kapitalmärkte stehen in der zweiten Jahreshälfte vor einem Dilemma: Die überbordende Staatenverschuldung treibt die Aktienmärkte an, die Zinsmanipulation der Notenbanken hält diesen künstlich niedrig. Diese erhoffte und scheinbar unbegrenzte Liquidität begründet Inflationssorgen, denen nur mit steigenden Zinsen begegnen werden könnte.

Das Ausmaß der staatlichen Hilfen seit Pandemiebeginn übertrifft bereits heute die nach der Finanzkrise 2008 mehrjährig kumulierten Hilfen um ein Vielfaches. Dennoch lassen sich nicht alle Probleme mit Geld wegdrucken – das Drucken an sich droht zum eigentlichen Problem zu werden. „Die US-Wirtschaft dürfte sehr schnell wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreichen, aber zum Preis überbordender Staatsverschuldung und zukünftiger bürokratiebedingter Produktivitätsverluste“, erklärt Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch. Ähnlich sieht es in Europa aus, das 2022 das Vor-Pandemie-Niveau erreichen sollte.

Steigende Zinsen würden nicht nur Börsentraumschlösser zum Einsturz bringen, sondern auch überschuldete Staaten. „Das Haushaltsbüro des US-Kongresses hat ausgerechnet, dass eine Rückkehr zum langjährigen durchschnittlichen Zinsniveau in den USA die jährlichen Zinslasten im US-Haushalt von aktuell weniger als 10 Prozent auf 40 Prozent erhöhen dürfte“, so Böckelmann. Damit gäbe es keine politischen Handlungsspielräume mehr. Der Traum vom V und dauerhaften Wachstum würde zum Albtraum werden. Das Jahr 2021 wird für die langfristigen Herausforderungen erlebter Zinsmanipulationen und historisch hoher Staatenverschuldung keine Lösung bringen. Doch nicht alle Zeichen stehen auf Inflation. „Zwar wirken die real erlebte De-Globalisierung, Bürokratisierung der Marktwirtschaft und auch der Kampf gegen den Klimawandel inflationär, die Demographie und Digitalisierung wirken aber weiterhin deflationär“, ist Böckelmann zuversichtlich.

Staatsverschuldung zu Lasten künftiger Generationen

Im Mai hat die erstmalige und rechtlich umstrittene Schuldenaufnahme der EU ihren Weg durch alle 27 Parlamente erfolgreich bestritten, im Juni dürfte es losgehen. 750 Mrd. Euro EU-Schulden werden den Mitgliedsländern zur Pandemiebekämpfung zur Verfügung gestellt. „Der Anreiz zur Umverteilung statt zur zukunftstauglichen Verwendung, deren Ergebnisse erst in Jahrzehnten zu sehen wären, ist groß“, erklärt Böckelmann. Auch droht der Fokus auf das Weltklima die erforderliche Perspektive zu verengen. So steigt aktuell auch der juristische Druck, den Kampf gegen den Klimawandel zum politischen Primärziel zu erklären. „In Deutschland treibt seit letztem Monat das Bundesverfassungsgericht die deutsche Regierung vor sich her, die Klimaziele nach 2030 im Sinne der Generationengerechtigkeit zu verschärfen. Diese Begründung ist erstaunlich, dürfte sie doch zu Ende gedacht auch andere Bereiche politischer Inaktivität betreffen, von Versäumnissen in der Bildung bis hin zum maroden Rentensystem“, sagt Böckelmann. Jede Verschuldung des Staates heute gehe zu Lasten zukünftiger Generationen, wenn diese nicht für Investitionen und Innovationen verwendet wird. 

Fokus auf hochwertige Wertpapiere unerlässlich

Eine denkbare tatsächliche Zinswende sollte die Märkte in den kommenden Monaten jedoch immer wieder beschäftigen und zu Marktbewegungen zwischen den Anlageklassen aber auch zu Verschiebungen in den Anlageklassen selber führen. „Die Aktienmärkte haben sich im Mai auf Indexebene eher wenig bewegt, unter der Oberfläche brodelt es jedoch bereits“, gibt Böckelmann zu Bedenken. Der Fokus auf hohe Qualität bei der Wertpapierselektion ist nochmals wichtiger geworden. „Trotz zu erwartender Schwankungen bleibt es Fakt, dass nur auf realen Werten basierende Anlagen einen Schutz vor nicht auszuschließenden Verwerfungen eines überschuldeten Finanzsystems bieten“, so Böckelmann.

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