Mit einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom Mai 2021 über einen Mercedes-Benz deutet sich ein bedeutender Rechtsprechungswandel an (Az. 3 U 7/20). Verhandelt wurde eine Klage, die das Landgericht (LG) Frankfurt am Main noch abgewiesen hatte. Die Begründung: Der Vortrag des Klägers über Abschalteinrichtungen im Fahrzeug sei eine „schlichte Behauptung ‚ins Blaue hinein‘“. Dagegen wehrte sich der Kläger und ging in Berufung. Diese wurde von Daimler noch als „Sammelsurium von unsachlichen, zusammenhanglosen und pauschalen Spekulationen“ abgetan. Doch das OLG Frankfurt widersprach eindeutig und gab der Berufung des Klägers statt. Dabei ist besonders interessant, dass der Mercedes in der Zwischenzeit schon weiterverkauft war.

In dem Rechtsstreit ging es um einen 2013 gebraucht gekauften Mercedes-Benz E 350 CDI mit einem Diesel-Motor des Typs OM 642. In dem Fahrzeug war u.a. eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung verbaut, außerdem kam die sogenannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz. 2019 erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte Daimler dazu auf, Schadensersatz zu leisten. In der Zwischenzeit war der Mercedes auch Teil einer freiwilligen Kundenaktion von Daimler gewesen, bei der ein Software-Update installiert wurde.

Vor dem LG Frankfurt verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages, da er „in vorsätzlicher und sittenwidriger Weise“ von Daimler geschädigt worden war. Der Kläger hielt das Fahrzeug aufgrund der Abschalteinrichtungen für mangelhaft. Das LG wies die Klage am 03. Dezember 2019 (Az. 2-14 O 243/19) allerdings ab, u.a. mit der Begründung, dass sich ein Sachmangel am Fahrzeug nicht feststellen ließe – es gebe nicht einmal einen offiziellen Rückruf.

Der Einschätzung des Landgerichts widersprach das OLG aber explizit: „Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das klägerische Vorbringen schlüssig bezüglich eines arglistig verschwiegenen Sachmangels“. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, bei der sich eine Prüfstanderkennung feststellen lässt. Dabei werden in Prüfsituationen relevante Grenzwerte für Stickoxide eingehalten, im Straßenverkehr hingegen nicht. Und eine solche Funktionsweise sei sittenwidrig, so das OLG.

Mit dem Urteil des OLG Frankfurt deutet sich ein vielversprechender Wechsel an, da es die gesamte bisherige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts infrage stellt. Ähnliche Klagen wurden in der Vergangenheit häufig mit der Begründung abgewiesen, dass die Kläger:innen das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen nicht substantiiert belegten. Das habe sich den Richter:innen am OLG zufolge geändert.

Für Betroffene mit Mercedes-Benz Dieselautos bedeutet das Urteil somit hervorragende Aussichten. Es besteht begründete Hoffnung, dass sich neben dem OLG Köln und dem OLG Naumburg künftig auch das OLG Frankfurt am Main positiv zu den klägerischen Ansprüchen gegen die Daimler AG verhalten wird. Besonders hervorzuheben ist außerdem der Fakt, dass das OLG Frankfurt einen Schaden bestätigte, obwohl der Kläger seinen Mercedes-Benz in der Zwischenzeit weiterverkauft hatte.

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