„Für die Verkehrswende müssen nicht nur die Städte mehr Gas geben, sondern der Bund muss auch die Handbremse lösen“, sagte Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Fördermittel allein reichen nicht. Kommunen, die etwas bewegen wollen, reiben sich an unzeitgemäßen Vorgaben auf. Häufig fehlt es auch an qualifiziertem Personal, um den Wandel vor Ort zu planen und zu organisieren. Als Erstes braucht es aber das grundsätzliche Signal vom Bund, dass nicht mehr das Auto im Mittelpunkt steht, sondern das Wohl von Mensch, Umwelt und Klima.“
Tempo 30, Parkraummanagement, Verdopplung der Fahrgastzahlen im ÖPNV
Zu den im Bundesrecht zu verankernden Zielen gehört für Agora Verkehrswende eine „Vision Zero“: also der Anspruch, die Zahl der Menschen, die im Verkehr getötet oder schwer verletzt werden, auf Null zu senken. Daraus ließen sich verschiedene Maßnahmen ableiten, etwa die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, der Umbau von Unfallschwerpunkten und die Ausweisung von Verkehrssicherheitszonen, in denen nur Lkw mit Abbiegeassistent zugelassen sind.
Mit der Einrichtung von Zonen, in denen nur emissionsfreie Fahrzeuge Zugang haben, könnten Städte effektiv vor Ort die Emissionen senken und ein Signal für die Umstellung auf elektrische Antriebe setzen. Der Bund müsse dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Auch bei der Erweiterung der rechtlichen Grundlage für Parkraumbewirtschaftung sieht Agora Verkehrswende den Bund in der Pflicht. Damit hätten Städte ein stärkeres Instrument in der Hand, um öffentlichen Raum zurückzugewinnen, der bisher für Autos reserviert war. Dabei gelte es insbesondere, die Belange des Fuß- und Radverkehrs sowie die des Handels und der Gastronomie zu berücksichtigen.
Auch um den öffentlichen Verkehr in den Städten zu stärken, müsse der Bund neue Wege gehen. Dazu gehören aus Sicht von Agora Verkehrswende eine stärkere Beteiligung an den Betriebskosten des ÖPNV genauso wie die bessere Anbindung von Bahnhöfen an Fuß- und Radwege und die Weiterentwicklung digitaler Plattformen für Verkehrsdienste. Ziel solle es sein, im Jahr 2022 den durch die Pandemie bedingten Einbruch der Fahrgastzahlen zu überwinden. Bis 2025 solle die Nutzung von Bus und Bahn um 25 Prozent gegenüber dem Niveau vor der Pandemie steigen, bis 2035 um 100 Prozent.
Planungs- und Verwaltungskapazitäten ausbauen
Damit die Städte die Transformation bewältigen können, müsse der Bund die Kommunen dabei unterstützen, Personal für die Planung und Durchführung der Maßnahmen aufzubauen und zu qualifizieren. Zum Teil sei es auch sinnvoll, einen Stab an erfahrenen Kräften einzurichten, die in verschiedenen Kommunen zum Einsatz kommen können. Die Verfahren zum Beantragen und Verwalten von Fördermitteln könnten aus Sicht von Agora Verkehrswende vereinfacht und flexibler gehandhabt werden. Um all diese Aktivitäten voranzubringen, brauche es schließlich im Bundesverkehrsministerium eine eigene hochrangige Abteilung für städtische Mobilität und die Belange der Kommunen.
„Verkehrswende ist nicht nur ein Wandel der Technologie, sondern auch der Einstellungen und des Verhaltens“, betonte Hochfeld. „Es wird nicht reichen, alle Verkehrsmittel zu elektrifizieren und auf erneuerbare Energien umzustellen. Klimaneutralität erfordert eine massive Verlagerung auf Bus und Bahn, Rad und Fuß. Experimentierfreudige Städte können Antreiber für diesen Wandel sein. Attraktive, klimaneutrale Mobilität für alle ist darüber hinaus auch eine Chance, die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen. Deshalb sollte die neue Bundesregierung alles dafür tun, die Städte für die Verkehrswende zu stärken.“
#AgoraStadtgespräch 2021
Agora Verkehrswende hat seine Empfehlungen am 9. Juni bei der digitalen Konferenz „#AgoraStadtgespräch 2021“ vorgestellt. Die Vortragsfolien sind online verfügbar unter: https://www.agora-verkehrswende.de/veranstaltungen/agorastadtgespraech-2021/. Weitere Empfehlungen für die nächsten Legislaturperiode wird Agora Verkehrswende in den kommenden Wochen veröffentlichen.
Agora Verkehrswende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.
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