Seenotretter sind auf dem Weg zum Einsatz selten gemeinsam an Land unterwegs. Die Freiwilligen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) treffen sich in der Regel innerhalb weniger Minuten nach Alarmierung an ihrem jeweiligen Seenotrettungsboot. Die Rettungsmänner der Station Prerow/Wieck sind eine Ausnahme. Werden sie alarmiert, fahren sie mit ihrem SAR-Mobil vom historischen Stationsgebäude im Herzen von Prerow zum Liegeplatz ihres Seenotrettungsbootes STRALSUND im Hafen von Wieck. Jetzt haben sie ein neues Fahrzeug erhalten, der Vorgänger wurde nach rund 30 Einsatzjahren außer Dienst gestellt. Finanziert hat das neue Einsatzmittel die Schöps-Friedrich-Stiftung.

Die wärmende Sonne blitzt an diesem Donnerstagabend Mitte Juni durch die Bäume, als Jens Pagel die Heckklappe des neuen SAR-Fahrzeuges (SAR = Search And Rescue, Suche und Rettung) der freiwilligen Seenotretter aus Prerow öffnet. Es steht vor dem DGzRS-Stationsgebäude am nördlichen Ende des Prerowstroms. Der freiwillige Vormann kontrolliert die Ausrüstung, die sie für Seenotfälle benötigen: Links ist der Notfallrucksack mit einem Spanngurt befestigt, rechts ein Notstromaggregat. Bolzenschneider, Wantenschneider, Lenzpumpe und Werkzeugkiste sind ebenfalls im Kofferraum untergebracht. Jens Pagel und seine Kollegen packen jeweils zwei Taschen dazu. In einer steckt ihre Einsatzkleidung, in der anderen ihr Überlebensanzug. Wenn dieser nach einer Fahrt mit dem Seenotrettungsboot nass geworden ist, können sie ihn in die wasserdichte Wanne auf dem Boden legen. Die Anzüge waschen und trocknen sie im Stationsgebäude.

Heute wollen die Seenotretter mit der STRALSUND auf Übungs- und Kontrollfahrt gehen. Das Seenotrettungsboot liegt allerdings rund sechseinhalb Kilometer vom historischen, 1884 neu errichteten Rettungsschuppen entfernt am Wasserwanderrastplatz Wieck auf der Boddenseite der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Zu weit, um die Strecke im Einsatzfall zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, schneller geht es gemeinsam voll ausgerüstet mit dem neuen SAR-Mobil – schließlich zählt im Notfall jede Minute. Dann dürfen die Seenotretter auch Blaulicht und Martinshorn einschalten. In Wieck besetzen sie das Seenotrettungsboot, mit dem sie in erster Linie den Bodstedter Bodden, den Koppelstrom und den Prerowstrom sichern, aber auch ihre Kollegen der Station Wustrow gegebenenfalls im Saaler Bodden unterstützen können. Das Revier ist bei Wassersportlern beliebt, aber auch viele Fahrgastschiffe sind dort unterwegs.

Das Einsatzspektrum der freiwilligen Seenotretter aus Prerow hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert: Nach der Wende strandeten vor dem langen Küstenabschnitt zwischen Darßer Ort und Zingst immer wieder Freizeitkapitäne mit ihren Booten, da damals genaue Karten für das anspruchsvolle Seegebiet fehlten. Bei solchen Notfällen zur offenen See unterstützten die Freiwilligen mit ihrem vorherigen SAR-Fahrzeug vom Strand den am Darßer Ort stationierten Seenotrettungskreuzer bei der Suche nach Vermissten und Havaristen. Das geländegängige Auto war mit einem modernen, druckluftbetriebenen Leinenwurfgerät ausgestattet, mit dem die Seenotretter eine Verbindung zu Schiffen herstellten und Menschen aus gefährlichen Situationen befreiten.

Rein spendenfinanziert

Heute kommen solche Situationen dank detailreicher Seekarten fast gar nicht mehr vor. Hinzu kommt: Nachdem aus dem Etappenhafen am Darßer Ort ein Nothafen wurde, haben sich die hauptsächlichen Routen der Wassersportler von diesem Küstenabschnitt entfernt. Während der im Nothafen stationierte, rund um die Uhr besetzte Seenotrettungskreuzer mit Tochterboot für die Sicherung der Großschifffahrt von unverändert großer Bedeutung ist, sind die freiwilligen Seenotretter aus Prerow mittlerweile fast ausschließlich im rückwärtigen Bodden im Einsatz.

Diese Veränderung floss in die Ausstattung des neuen SAR-Fahrzeuges ein, als die DGzRS den Vorgänger nach fast 30 Dienstjahren und rund 32.000 Einsatzkilometern aufgrund seiner hohen Reparaturanfälligkeit und des nagenden Zahns der Zeit ersetzen musste. Es dient in erster Linie dem Transport der Ausrüstung und von maximal fünf Seenotrettern zum Liegeplatz der STRALSUND. Wie die gesamte Arbeit der Seenotretter ist das neue Auto für die sieben Freiwilligen um Vormann Jens Pagel ebenfalls vollständig aus Spenden finanziert worden: Die Anschaffungskosten hat die Gütersloher Schöps-Friedrich-Stiftung übernommen. Sie unterstützt seit 1979 regelmäßig die DGzRS. Dank ihres jüngsten Engagements können die freiwilligen Seenotretter weiterhin bei jedem Wetter und rund um die Uhr vom Rettungsschuppen in Prerow zum Wasserwanderrastplatz nach Wieck kommen – auch für die wichtigen ständigen Trainings wie an diesem Juni-Donnerstagabend.

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