Die Inflation an der Zapfsäule erregt im Wahljahr die Gemüter in Deutschland: Muss die Klimapolitik im Verkehr wirklich zu immer höheren Steuern auf den Spritpreis führen, oder gibt es sozialverträglichere Mittel? In der Diskussion und zum Teil schon umgesetzt sind ja auch strengere Kraftstoff-Effizienz-Standards für Autobauer, Bonus- und Malus-Zahlungen, Kaufprämien für E-Mobile sowie Fahrverbote. Eine neue Studie berechnet für all dies präzise die Kosten, für 156.000 repräsentativ ausgewählte Haushalte. Die Studie wurde erstellt unter Leitung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und publiziert in der Zeitschrift ifo Schnelldienst des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München.
Das Forschungsteam stützt sich auf anonymisierte Daten zu Einkommen, Pkw-Ausstattung und zurückgelegten Verkehrswegen aus der Umfrage „Mobilität in Deutschland 2017“ des Bundesverkehrsministeriums. „Mit Hilfe dieses feinkörnigen Abbilds der privaten Lebenslagen konnten wir zeigen, wie sich die im Fokus stehenden Politik-Instrumente in den unterschiedlichen Einkommensgruppen auswirken“, erklärt Nicolas Koch, Leiter des Policy Evaluation Lab am MCC und einer der Autoren. „Das Ergebnis ist eindeutig: Ein CO2-Preis als Aufschlag auf den Spritpreis, bei dem die kompletten Einnahmen in eine einheitliche Pro-Kopf-Rückerstattung fließen, ist mit Abstand die fairste Form von Klimaschutz im Verkehrssektor.“
In diesem Fall zahlt nur das einkommensstärkste Fünftel der Bevölkerung drauf – bei einem CO2-Preis von 55 Euro je Tonne, wie für 2025 geplant, sind es im Schnitt aller Haushalte in dieser Gruppe 0,1 Prozent des Einkommens. Das ärmste Fünftel wird um 0,8 Prozent entlastet. Die Haushalte in der ärmsten Gruppe würden hingegen um 0,7 Prozent ihres Einkommens belastet, wenn die Politik voll auf CO2-Effizienzstandards setzt, die in der Größenordnung mit dem CO2-Preis vergleichbar sind. „Es ist der Vorteil des CO2-Preises, dass er als einziges Instrument Einnahmen generiert, die man zum sozialen Ausgleich verwenden kann“, betont Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung und ebenfalls Co-Autor. „Den sozialen Ausgleich muss die Politik aber auch konsequent liefern – und eine solche Politik zudem offensiv kommunizieren.“
Zwar fahren Leute mit wenig Einkommen typischerweise eher Kleinwagen, doch relativ zum Einkommen schlagen die Kosten von Effizienzstandards bei ihnen stärker durch als bei Leuten mit hohen Einkommen und Limousine. Auch ein wiederum in der gleichen Größenordnung errichtetes Bonus-Malus-System, in dem ein Zuschuss für spritsparende durch eine Strafsteuer für spritfressende Autos finanziert wird, ist für Haushalte mit geringen Einkommen weniger attraktiv als der CO2-Preis mit Pro-Kopf-Rückerstattung. Von Förderprogrammen für E-Mobile profitieren sie bislang kaum. Die Studie beleuchtet auch Fahrverbote für Verbrennerautos in Ballungsräumen; dabei werden der Umstieg auf öffentlichen Nahverkehr unterstellt und die zusätzliche Fahrzeit zur Arbeit in Kosten umgerechnet. Im Ergebnis werden dadurch alle Einkommensgruppen sowohl in urbanen und ländlichen Räumen mit mehr als ein Prozent des Einkommens belastet. Das Argument, andere Klimaschutz-Instrumente seien zwar weniger effizient, aber sozial gerechter als der CO2-Preis, wird widerlegt. Der Befund der Studie lautet, sie sind weder effizient noch fair.
Weitere Informationen:
Baldenius, T., Bernstein, T., Kalkuhl, M., Kleist-Retzow, M., Koch, N., 2021, Ordnungsrecht oder Preisinstrumente? Zur Verteilungswirkung von Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr, ifo-Schnelldienst
https://www.ifo.de/… (ab Seite 6)
Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
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