Der August bringt «ensuite – Zeitschrift zu Kultur & Kunst» zurück in den Alltag – oder besser: Zurück in die Zukunft. Diese liegt nämlich nicht, wie oft angenommen, in weiter Ferne, sondern unmittelbar vor uns. Und genau das ist das Problem: Wenn wir an die Zukunft denken, ist ein Teil davon bereits vorbei.

Oder gehen wir das Thema anders an: Während ich das hier schreibe, ist es in einigen Teilen von Kanada fast 50 Grad Aussentemperatur und dies schon seit einigen Tagen – man spricht von einem Wetterphänomen. Wenn unser Körper über 41 Grad warm wird, wird es lebensgefährlich. Bei 50 Grad draussen können wir uns noch abkühlen – in Kellern, Städten oder Berggegenden gibt es Möglichkeiten dazu. Versuchen Sie das mal in einer Steppe oder Wüste. Vor allem aber können wir aus den reichen Ländern Kühlgeräte kaufen, welche die Raumtemperatur senken. Gute Sache – mit dem kleinen Nachsatz, dass wir damit aber den Kern des eigentlichen Problems «erwärmen»: das Klima. Um uns zu kühlen brauchen wir Energie und diese sollten wir jetzt sinnvoll wählen und nicht erst in Panik, wenn es zu spät ist. Denn: Ein paar Millionen Kühlgeräte können durchaus einen Energiekollaps auslösen. Sprich: Keinen Strom mehr für alle. Keine Kühlung. Kein Telefonnetz. Kein Internet. Kein Geld. Kein Bezin. Kaum Nahrung, weil die Produktionen ausfallen. … In einer solchen Gedankenkette gedacht, wird es plötzlich ganz wichtig, dass wir in die Zukunft blicken und uns überlegen, was wir JETZT tun können. Es ist 2 Minuten vor Zwölf.

Dieses Gedankenspiel können wir mit allem anstellen. Medien – eines meiner Lieblingsthemen – sind so ein Ding: Noch immer gibt es mehr AbonnentInnen von Printerzeugnissen, als der Online-Markt vorweisen kann. Wir erinnern uns: Seit Jahren verspricht man uns «die Zukunft ist online». Nun, bei einem Stromausfall wohl nicht, wobei dann auch Printmedien nicht publiziert werden. Aber viel wichtiger ist hier, dass Medien grundsätzlich aus diesem «altgebackenen» Print bezahlt werden. Der Onlinewerbemarkt funktioniert nicht – und wenn, dann eben immer noch nur für die AnbieterInnen, welche Milliarden-Klicks vorweisen können: Grosskonzerne, welche kaum Steuern bezahlen, nichts für die Nachhaltigkeit liefern, welche die weltweite Macht an sich gerissen haben oder diese stark beeinflussen. In lokalen oder nationalen Märkten ist deren Unwesen unwesentlich, denn: Ein Zielpublikum im Werbemarkt definiert sich nicht über die Menge, sondern über die Sozialisierung. Und egal was Ihnen Künstliche Intelligenzen vorrechnen: Einem Roboter geben Sie, liebe LeserInnen, nicht die Hand – das ist sinnlos. Was hat uns diese Pandemie gelernt? Der zwischenmenschliche Kontakt ist wichtig – nicht der Screen und die Maus.

Medien werden von Menschen gemacht, nicht von Robotern (sagt man hier eigentlich auch RoboterInnen?). Menschen liefern Artikel und bringen die Geschichten. Aber bezahlt werden sie kaum noch – weil wird den Wert dieser Arbeit und deren Funktion vergessen haben. Sprich: «Ich lesen nur noch online» – das hören wir oft. Doch alle wissen: NEIN – online lesen wir nicht, wir überfliegen und tun so, als wüssten wir. Mit gleichem Erfolg können wir ein Rezeptbuch lesen und sagen: Wir können kochen.

Wussten Sie, dass es die Politik als wesentlich wichtiger erachtet, dass SportlerInnen gut bezahlt werden, als JournalistInnen? Die SportlerInnen-Subvention hat innerhalb acht Jahren gute Erfolge erziehlt. Die Medien darben seit 20 Jahren ohne Hoffnung auf wirkliche Besserung.

Wenn wir unseren Kindern keine Katastrophe überlassen wollen, nur weil wir «unser» Leben über alles stellen, … Nein! Wir müssen handeln! Und das hat viel mit Wissenschaft, Arbeit und Kultur zu tun. Das WIE wir miteinander ein Ziel anpacken, ist höchst kulturell veranlagt. Wir müssen uns lösen von der Rechts-Links-Politik und gemeinsam unsere Leben retten. Es reicht nicht zu sagen, nach mir die Sintflut! Wir sind die Bösen. Und wir müssen jetzt «jufle»!

Andersrum: Im Juni 2002 starteten ich das Projekt «ensuite». Im Januar 2003 druckten wir die erste Zeitschrift. Es gab noch kein Facebook und die Händis träumten noch von Internet. Autos, die mit Strom liefen, waren «Experimente», Zukunftsmusik. Laptops brauchten noch richtige GepäckträgerInnen und veganes Essen war eine Randerscheinung. Die Zeitungen waren kaum richtig digital – gratis, weil das Angebot fast niemand nutzte und man auch nicht wusste, wie daraus ein Markt entstehen soll. Medien wurden produziert, um Märkte zu dominieren – man denke an die drei nationalen Gratiszeitungen …

In diesen letzten 20 Jahren ist alles schnell gegangen. Und es wird noch schneller. Haben Sie, liebe LeserIn, bemerkt, wir rasch wir uns in der Pandemie an die neuen Gegebenheiten gewohnt hatten? Haben Sie bemerkt, wie schnell die Dinge altern und unsere Bäuche runder werden? Können Sie den Nachrichten noch folgen? (Können Sie mir noch folgen?) …

Will heissen: Wenn wir nicht mit den Medien zusammenarbeiten, deren Finanzkreislauf stärken, damit unsere Informationsnetze in vertrauenswürdige und funktionelle Gesellschaftsdienstleistungen zurückfinden, dann wird es schwierig werden in Zukunft gemeinsam ein gesellschaftliches Ziel zu verfolgen. Dann werden wir im Informationschaos weiter polemisieren und in der Politik versuchen Links oder Rechts die Macht zu verteilen und es wird wärmer werden, weil niemand eine Lösung finden wird. Wir werden alle Stromautos und Stromfahrräder an das Stromnetz hängen und das Kühlaggregat ebenfalls – und es wird heiss werden. Zu heiss. Wir werden nicht Frieden finden, sondern uns gegenseitig bekämpfen, um den letzten Baum der Schatten wirft. Wir tun es wieder: Turmbau zu Babel!

Welch Drama … Also so muss es nicht kommen. Wir können es ändern. Gemeinsam. Aber wir müssen es tun. Alles andere macht keinen Sinn mehr und verliert.
 
Und darum richtet sich «ensuite – Zeitschrift zu Kultur & Kunst» hoffnungsvoll in die Richtung Zukunft und wir werden ab August gemeinsam versuchen, die Dinge besser zu machen. Aus dieser vermeintlich depressive Zukunft nehmen wir die Kraft, uns zu ändern. Fangen wir an!

Unterstützen Sie uns, abonnieren Sie uns, bewerben Sie und bei Ihren FreundInnen, verschenken Sie uns, teilen Sie uns. Helfen Sie uns, die Kultur zu verändern. Seit 20 Jahren kämpfen wir mit dem «ensuite» um immer das Gleiche: um den Wert von uns allen.

Und wir sind es wert zu überleben!

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