Mit dem heutigen Beschluss wurde auch entschieden, dass der Rundfunkbeitrag rückwirkend zum 20. Juli dieses Jahres steigt. Von einer rückwirkenden Entscheidung zum 1. Januar dieses Jahres wurde abgesehen.
Der Rundfunkbeitrag wird in einem dreistufigen Verfahren festgelegt. In der ersten Stufe melden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jeweils ihren Bedarf an, in der zweiten Stufe prüft die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) diese Anmeldungen und empfiehlt für eine Gebührenperiode den Beitrag. Seit 2009 sollte zum Jahr 2021 erstmals wieder der Beitrag erhöht werden, und zwar um 86 Cent von 17,50 Euro auf 18,36 Euro im Monat. In der dritten Stufe verständigen sich die Länder im Rahmen eines Staatsvertrags auf den Rundfunkbeitrag. Dieser Staatsvertrag muss von den Landesparlamenten ratifiziert werden. Bis auf Sachsen-Anhalt haben im Jahr 2020 die anderen 15 Landtage der Rundfunkerhöhung zugestimmt.
Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung fest, dass "die zur Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestehen. Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags muss frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen." Es macht damit unmissverständlich klar, dass zwischen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung und der Festsetzung des Rundfunkbeitrags getrennt werden muss, "um Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern" zu können.
ARD und ZDF haben also einen Teilsieg errungen und der Ball liegt nun im Spielfeld von Sachsen-Anhalt. Die Parteien in Sachsen-Anhalt wären gut beraten, die Zustimmung zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen festzuzurren.
Das Bundesverfassungsgerichtsurteil ist aber kein Freifahrtschein für ARD und ZDF. Im Urteil ist zu lesen: "Die Rundfunkfreiheit dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in größtmöglicher Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Dabei wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. Dies gilt gerade in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits."
Aus Sicht des Deutschen Kulturrat gilt die Vielfaltssicherung insbesondere auch für Kultur. Hier geht es einerseits um die Kulturberichterstattung und andererseits um die eigenen Kulturangebote der Sender.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Rundfunkfreiheit. Aus gutem Grund besteht das mehrstufige Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags, dass gerade nicht durch aktuelle medienpolitische Positionen oder gar Geschmacksurteile aus der Politik beeinflusst werden soll. Das Urteil ist aber kein Freifahrtschein für die öffentlich-rechtlichen Sender. Der Wegfall zum Beispiel von Literatursendungen ist genau das Gegenteil, was von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwartet werden kann und muss. Sie müssen tagtäglich im Radio, Fernsehen und Internet beweisen, dass sie den an sie gestellten Anforderungen auch tatsächlich gerecht werden. Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags schafft den Rundfunkanstalten Luft, ins Programm, d.h. gerade auch in die Kulturberichterstattung und Kulturproduktion, zu investieren. Denn dafür gibt es sie und dafür werden sie von der Allgemeinheit finanziert."
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