Zum heutigen Mauerbau-Gedenken hat sich der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, dankbar über mehr als 30 Jahre deutscher Einheit geäußert: „Der 13. August 1961 war ein schwarzer Tag. Es war ein Sonntag, der von Stacheldraht ziehenden Streitkräften der DDR entheiligt wurde. Freundschaften und verwandtschaftliche Beziehungen wurden durchschnitten. Aus den Straßensperren in Berlin wurde eine Mauer, die für die Ewigkeit gemacht schien. Dass es 1989 anders kam, macht mich heute noch glücklich“, so Sternberg.

Die getrennten Katholik*innen beider deutscher Staaten hätten über die Jahrzehnte unter Schwierigkeiten ihre Kontakte zueinander aufrechterhalten. Die Kirche habe zahlreiche, auch finanzielle Anstrengungen unternommen, West und Ost in Verbindung zu halten, theologischen Austausch zu ermöglichen und die Gemeinden in ihrem Leben zu unterstützen. Nicht zuletzt habe Hans Joachim Meyer – der sich als Katholik in der DDR kirchlich engagierte und in der Übergangsregierung  de Maizière Minister für Bildung und Wissenschaft war – als ZdK-Präsident in den Jahren 1997 bis 2009 ein starkes Bewusstsein für innerdeutsche Gemeinschaft geschaffen.

Auch Thomas Arnold, Direktor der Katholischen Akademie Dresden-Meißen und Mitglied im ZdK-Arbeitskreis „Politische und ethische Grundfragen“, erinnert daran, „dass der Katholizismus keine Grenzen kannte“. Über die real existierende innerdeutsche Grenze hinweg seien so manche Fäden gesponnen und gehalten worden. „Der Skandal der Trennung hat allerdings dazu geführt, dass sich in Ost und West verschiedene Narrative über die erlebte Geschichte ausgebildet haben.“ Während etwa das Jahr 1968 im Westen „mit Aufbruch, Liberalisierung und Freiheit in Verbindung gebracht“ werde, sei es „mit der Niederschlagung des Prager Frühlings für den Osten ein deprimierendes Jahr“.

Arnold sieht eine Aufgabe und „große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte“ darin, „die Erfahrungen diesseits und jenseits der Mauer wertzuschätzen. Es kommt darauf an, aus diesen unterschiedlichen Erfahrungen heraus eine gemeinsame Idee zu entwickeln, wie das 21. Jahrhundert gestaltet werden soll.“ Am Ende gehe es um eine europäische Perspektive, für die Hoffnung, Zukunftserzählungen und der Wille zur Versöhnung wichtig seien. Dazu hätten gerade Ostdeutsche Maßgebliches beizutragen. „Hier gibt es viel Erfahrung mit dem Thema Versöhnung. Denn untereinander begegnen sich hier Menschen, die schuldig geworden sind im politischen System, und Menschen, die zu Opfern wurden. Es ist immer wieder nötig, den Umgang miteinander zu lernen und so zur Versöhnung der Gesellschaft beizutragen.“

Birgit Aschmann, Historikerin an der Berliner Humboldt-Universität und Sprecherin des Sachbereichs „Politische und ethische Grundfragen“ beim ZdK, verweist einerseits auf zahlreiche Forschungen zur Geschichte des Katholizismus in beiden Teilen Deutschlands. Zugleich hält sie es für notwendig, in der Breite der Gesellschaft das Bewusstsein von den verschiedenen Lebenswelten zu intensivieren. Auch wenn die Bistümer zum Teil über die Zonengrenze hinweggingen, so hätten sich doch die Katholik*innen in Ost und West in den 40 Jahren der Trennung auseinanderentwickelt. „Es ist halt etwas ganz anderes, ob man dem Druck der Entkirchlichungspolitik einer Diktatur ausgesetzt war oder vom Wohlwollen christdemokratischer Regierungen profitieren konnte. Vielfach mangelt es dem Westkatholizismus nach wie vor an Interesse und Verständnis für die Erfahrungen der Katholik*innen in Ostdeutschland.“

Das werde sich aber ändern, ist Thomas Arnold überzeugt. „Die Deutschen in den neuen Bundesländern können ihre Erfahrung von Diaspora einbringen. Wie ist man in der Minderheit eine missionarische Kirche? Wir werden künftig in ganz Deutschland stärker als bisher volkskirchliche Abbrüche erleben. Wir müssen gemeinsam lernen zu erzählen, was den christlichen Glauben ausmacht. Darin ist man im Osten schon seit Jahrzehnten geübt.“ 

 

 

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