Mit der Sonderausstellung „Ozeane“ entführt die experimenta ihre Besucherinnen und Besucher noch bis zum 7. November in verborgene Welten. Die Ausstellung ist erstmals in Deutschland zu sehen und stammt aus dem American Museum of Natural History in New York. Dr. John Sparks, Biologe, Forscher und Kurator der Ausstellung, schildert im Interview die Einzigartigkeit dieses besonderen Lebensraums.

Herr Dr. Sparks, was können wir in der Ausstellung „Ozeane“ erleben?

Die Besucher können in die Welt der Ozeane eintauchen. Ein Fokus liegt dabei auf aktuellen Themen der Meeresforschung, die wir normalerweise nicht zu sehen bekommen. Zum Beispiel werfen wir einen genauen Blick auf Plankton, das entscheidend für die marine Nahrungskette ist und viel von dem Sauerstoff produziert, den wir atmen. Die Ausstellung zeigt auch, wie wir den tiefen Meeresgrund kartieren und wie Organismen einzigartige fluoreszierende Muster nutzen, um miteinander zu kommunizieren.

Das American Museum of Natural History hat eine Vielzahl von Forschungsarbeiten in die Ausstellung integriert. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir präsentieren eine große Spannbreite an Forschungsarbeiten: von kleinen lokalen Projekten bis hin zu internationalen Projekten mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. So zeigen wir Markierungssysteme für Wale und Haie, deren Wege dann über Satelliten verfolgt werden können. Ein anderes Projekt widmet sich der Bewegung von Plankton, um zu zeigen, wie sich Organismen im Ozean verteilen. Und es geht um Methoden, wie wir Kreaturen in den tiefsten Teilen des Meeres, zu denen wir nur sehr schwer Zugang haben, studieren können.

Wie hat sich die Meeresforschung in den letzten Jahren verändert? Was gibt es noch zu entdecken?

Meine eigene Forschung hat enorm von der Entwicklung von Ultra-Low-Light-Kameras profitiert, die uns ermöglichen, Biolumineszenz einzufangen und zu studieren. Ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge erlauben uns, Lebensräume zu erreichen, die weit außerhalb der Reichweite von Tauchern liegen oder zu gefährlich sind, um darin ein bemanntes Tauchboot zu navigieren. Obwohl die Meeresforschung immer schneller voranschreitet, gibt es immer noch jede Menge in den Tiefen des Ozeans zu entdecken, zum Beispiel die Riffe in der sogenannten Dämmerlichtzone.  

Ozeane rücken mit Blick auf die Rohstoffsuche zunehmend in den Fokus. Um welche „Schätze“ geht es hier? Welche Gefahren sind damit verbunden?

Bei der Rohstoffsuche in der Tiefsee rückt zunehmend der Abbau von seltenen Mineralien, der verheerend für diese Ökosysteme sein könnte, in den Mittelpunkt. Kritisch für die Natur ist vielerorts auch die Fischerei: Wo Fischbestände in geringeren Tiefen bereits dezimiert worden sind, suchen die Fischer immer tiefer nach neuen Beständen. Der Shrimps-Fang ist ein mahnendes Beispiel hierfür: Das allermeiste von dem, was Shrimps-Schlepper fangen, ist Beifang – häufig mehr als 90 Prozent. Wenn es so weitergeht, werden die Bestände in den tieferen Wasserschichten auch noch aufgebraucht. Außerdem schaden Grundschleppnetze dem Meeresboden. Dort, wo Fischerei gut organisiert ist und in marinen Schutzzonen stattfindet, haben sich dagegen die Bestände ziemlich schnell erholt. 

Welche Bedeutung haben die Ozeane für die Menschheit und wie steht es aktuell um ihren Zustand?

Ohne die Ozeane würde es den Menschen nicht geben. So produziert Phytoplankton mindestens 50 Prozent des Sauerstoffs, den wir atmen. Die Meere helfen, die Temperatur zu regulieren und stellen entscheidende Ressourcen zur Verfügung, auf die viele Gemeinschaften zum Überleben angewiesen sind. Leider sind viele Meeresteile in schlechter Verfassung – diese Regionen sind überfischt und hoher Verschmutzung aus Landwirtschaft und Industrie ausgesetzt. Sie leiden unter den Effekten des Klimawandels und unter Versauerung. Dennoch sind unsere Meere erstaunlich widerstandsfähig und wenn wir sie ernsthaft schützen, haben sie das Potenzial sich zu regenerieren.

Wie wichtig ist die Wissenschaft für den Schutz des Lebens in den Meeren?

Viele Meereslebensformen sind zweifellos stark bedroht und könnten aussterben, wenn wir nicht aktiv werden. Das schließt auch viele Walarten und andere Meeressäugetiere sowie bestimmte Fische ein, die wir intensiv als Nahrung nutzen. Wissenschaft ist ausschlaggebend für ihr Überleben, denn ohne Forschung wissen wir nicht, wie wir am besten diese Populationen schützen können. Mangroven und Seegraswiesen beispielsweise bieten für viele Jungfische und wirbellose Arten überlebenswichtige Räume. Wenn wir diese Orte, die wichtig für die Fortpflanzung und die frühe Entwicklung der Tiere sind, nicht schützen, dann werden viele Arten aussterben.

In den Meeren sind aus unserer Sicht zahlreiche merkwürdige Kreaturen zu finden. Welche Lebewesen beeindrucken Sie besonders?

Tiefseefische gehören zu meinen Favoriten. Es gibt so viele bizarre Arten, die in den pechschwarzen Tiefen leben und niemals das Tageslicht sehen – wie der schwarze Drachenfisch oder Laternenfische mit ihrem einzigartigen System zur Kommunikation durch Biolumineszenz. Die Gruppe, die ich am faszinierendsten finde, ist eine Gattung von Tiefsee-Seeteufeln. Die Weibchen der Gattung Linophryne haben nicht ein, sondern zwei Systeme, um Licht zu produzieren. Sie haben eine Art Köder, der mit symbiotisch lebenden biolumineszenten Bakterien gefüllt ist, um Beute anzulocken. Und außerdem produzieren sie auch noch selbst Licht in ihrer kunstvollen Kinnbarbe. Es ist wirklich faszinierend darüber nachzudenken, wie so etwas jemals entstehen konnte.

Was fasziniert Sie persönlich am Meer? Welches besondere Erlebnis verbinden Sie mit den Ozeanen?

Am meisten fasziniert mich, wie divers das Meer ist. Es gibt so viele spannende Ökosysteme: vom Korallenriff, über Seetangwälder, Eisberge in der Nähe der Pole oder trübe Flussmündungen und Buchten bis hin zur kalten, finstern Tiefsee. Jedes Ökosystem beherbergt eine einzigartige Kombination von Lebewesen, die hochspezialisiert sind, um hier zu überleben. Die schönsten Momente, die ich mit dem Meer verbinde, erlebe ich beim Tauchen in der Nacht. Wenn ich mich einfach vom Wasser umhüllen lasse und weiß, dass ich von allen möglichen Arten von Fischen und anderen Kreaturen umgeben bin. Das ist das Friedlichste, was man sich erhoffen kann.

Zur Person:
Dr. John Sparks ist Professor an der Richard Gilder Graduate School und leitender Forscher am Sackler Institute for Comparative Genomics des American Museum of Natural History. Er ist der leitende Kurator der Ausstellung „Ozeane“ und bereist die Welt seit vielen Jahren auf der Suche nach biolumineszenten und biofluoreszierenden Meeresorganismen.

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