Die Weltgemeinschaft scheitert im Kampf gegen Hunger, Mangelernährung und Fehlernährung. Das zeigt das von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem TMG ThinkTank for Sustainability heute veröffentlichte Factsheet „Armut Macht Hunger“. Weltweit hungern 768 Millionen Menschen, rund zehn Prozent der Weltbevölkerung. Im Vergleich zum Jahr 2017 ist die Zahl der hungernden Menschen damit um 24,8% gestiegen.

Laut der Publikation sind Hunger und Mangelernährung eine Folge von Armut und Ungleichheit: Weltweit leben etwa 1,8 Milliarden Menschen in Armut und müssen mit weniger als 3,20 US-Dollar am Tag auskommen, knapp 700 Millionen Menschen leben in extremer Armut und haben weniger als 1,90 US-Dollar täglich zur Verfügung. Eine rein nährstofforientierte Ernährung koste im globalen Durchschnitt bereits 2.33 US-Dollar, eine ausgewogene und gesunde Ernährung mindestens 3,75 US-Dollar – und sei damit für viele Menschen unerschwinglich.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte: „Hunger und Mangelernährung sind das Resultat gesellschaftlicher Exklusion und Ungerechtigkeit, mangelnder politischer Verantwortung und unzureichendem politischen Handeln. Fehlende Kaufkraft, fehlender Zugang zu Land und Kriege sind zentrale Ursachen für Hunger. Die zeitlich immer schneller aufeinanderfolgenden politischen, ökonomischen und ökologischen Krisen weltweit schwächen die Widerstandsfähigkeit armer Menschen. So hat die Covid19 Krise von 2019 auf 2020 fast 100 Millionen Menschen mehr in Armut und Hunger getrieben.“

„Um dem entgegen zu wirken müssen arme Menschen darin unterstützt werden, auf Krisen reagieren zu können. Das beinhaltet, dass unsere Ernährungssysteme – von Produktion über Vermarktung und Konsum – neu gedacht werden.“, so Unmüßig weiter. „Soziale Sicherheit, sicherer Zugang zu Land und an die Klimakrise angepasste landwirtschaftliche Produktion und Beratung sind zentrale Elemente einer strukturellen Lösung. Als Antwort auf Hunger und Ungerechtigkeit den Fokus auf Produktivitätssteigerungen in der landwirtschaftlichen Produktion zu legen greift absolut zu kurz.“, so Unmüßig.

Im Jahr 2020 seien fast alle Länder, in denen eine Hungersnot herrschte, von gewaltsamen Konflikten betroffen. Die Zahl der Menschen, die aufgrund von Konflikten und Gewalt vertrieben wurden, habe sich seit 2010 fast verdoppelt und erreiche Ende 2019 einen Rekordwert von 79,5 Millionen Menschen. Zugleich spitzten sich ökologische Krisen zu: Die Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen habe sich seit 1960 weltweit verzehnfacht – mehr als eine Milliarde Menschen lebe in Ländern, deren öffentliche Strukturen nicht mit den zu erwartenden ökologischen Krisen bis 2050 umgehen könnten.

Alexander Müller, Geschäftsführer von TMG – Think Tank for Sustainability, sagte: „Hunger, Fehlernährung und Umweltzerstörung sind keine Randerscheinungen unseres Ernährungssystems. Ohne internationale Vereinbarungen wird die gigantische doppelte Herausforderung, zukünftig 10 Milliarden Menschen zu ernähren und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen Erde zu schützen, nicht bewältigt werden können. Die Vereinten Nationen wurden gegründet, um Probleme anzugehen, die einzelne Staaten alleine nicht lösen können. Es ist zu befürchten, dass der anstehende UN-Gipfel zu Ernährungssystemen genau an dieser Stelle versagt. Es gibt nicht einmal den Versuch, sich auf eine Vereinbarung der Mitgliedsstaaten zur Transformation des Ernährungssystems zu einigen. So wird Hunger als extremste Ausdrucksform von gesellschaftlicher Ausgrenzung, von Ungerechtigkeit und von Machtungleichgewichten weiterbestehen. Dies geschieht in einer Zeit, in der durch den Krieg in Afghanistan neue humanitäre Katastrophen auf der Tagesordnung stehen.“

Auch in Deutschland gebe es einen Zusammenhang zwischen Armut und Fehlernährung. Armutshaushalten fehlt häufig das Geld für eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Im Vergleich zum Jahr 2018 nutzten im Jahr 2019 10% mehr Menschen in Deutschland Tafeln, die Nahrungsmittel umsonst oder zu einem geringen Preis vergeben.

Barbara Unmüßig: „In den Industrieländern brauchen wir eine neue und faire Sozialpolitik, die nicht die billigsten, kalorienlastigen Lebensmitteln mit viel zu viel Zucker, Salz und Kohlehydraten zugrundelegt, sondern die notwendigen Mittel für eine vielfältigere und gesunde Ernährung bereitstellt. Das Menschenrecht auf gesunde und vielfältige Nahrung muss für alle Menschen auf der Welt gelten – und es muss endlich durchgesetzt werden. Eine klimafreundliche Landwirtschaft und gesunde Ernährung müssen Hand in Hand gehen.

Ein Welternährungsgipfel, der die Transformation der Ernährungssysteme so grundsätzlich denkt, wäre ein Erfolg. Dabei sind jetzt vor allem Deutschland und die EU gefordert: Wir müssen unsere Gemeinsame Agrarpolitik, unsere Handelspolitik und unsere Entwicklungspolitik auf den Prüfstand stellen und damit die Glaubwürdigkeit in den Verhandlungen stärken.“

Das Factsheet „Armut Macht Hunger“ steht als download unter https://www.boell.de/armut-macht-hunger  zur Verfügung.

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