Nachgefragt bei Projektleiter Christian Kleinert (Wissenschaft im Dialog) und Beate Spiegel, Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung, wie alles angefangen hat und wie es weitergehen könnte.

Mehr als 5500 Teilnehmende beim „Jugend präsentiert“-Wettbewerb, 1400 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie mehr als 70 „Jugend präsentiert“-Schulen. Eine echte Erfolgsgeschichte! Aber wie ist „Jugend präsentiert“ eigentlich entstanden?

Beate Spiegel: Zum Ende unseres Vorläuferprojekts „Jugendsoftware-Preis“ bestand schon ein erster Kontakt zu Wissenschaft im Dialog. Der „Jugendsoftware-Preis“ lief nicht mehr richtig rund, der Zuspruch ließ nach und da entstand die Idee, daraus „Jugend präsentiert“ zu entwickeln.

Christian Kleinert: Ich war noch bei der letzten Preisverleihung anwesend. In diesem Rahmen gab es ein erstes Treffen des Expertenkreises für „Jugend präsentiert“.

Wie kam es dazu, dass das Präsentieren so in den Mittelpunkt rückte?

Beate Spiegel: Das war ein ureigenes Klaus-Tschira-Ding und damit auch der Stiftung. Wir hatten beobachtet, dass mehr und mehr von Kindern und Jugendlichen etwas verlangt wurde, nämlich das Präsentieren, was weder sie noch die Lehrkräfte bis dahin lernen konnten. Da war ein Defizit auf allen Seiten. Wir wollten mit unserer Initiative dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur das Präsentieren lernen konnten, sondern dabei auch die Naturwissenschaften und die Mathematik für sich entdeckten.

Christian Kleinert: Kurz zuvor gab es einen Wandel in den Lehrplänen und das Präsentieren wurde auf einmal auch in den Naturwissenschaften relevant. Die Lehrkräfte fragten sich dann allerdings, wie sie das ihren Schülerinnen und Schülern beibringen sollten. Aus dem Gedanken heraus und auch durch die Kontakte zu Lehrkräften und Schulen über Explore Science schallte das Thema in die Stiftung und stieß dort auf offene Ohren. Schließlich hatte die sich das Erklären von Wissenschaft auf die Fahnen geschrieben und wollten da aktiv werden.

Und wie ging es weiter?

Christian Kleinert: Zunächst hatten wir nur einen Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler geplant, aber Interviews mit Lehrkräften ergaben, dass ein weiterer neuer Wettbewerb auf keine große Begeisterung stieß. Viel wichtiger, so sagten alle, wäre die gezielte Fortbildung der Lehrkräfte. Das haben wir beherzigt und unser Konzept fortan auf diesen zwei Säulen aufgebaut.

Hohe Erwartung, solide Vorbereitung und etwas ganz Neues, höre ich da heraus…

Beate Spiegel: Ja, und uns war besonders wichtig, dass sich das Ganze im Bereich der Naturwissenschaften abspielte.

Christian Kleinert: Die Idee mit den MINT-Lehrkräften ist auch voll und ganz aufgegangen. Natürlich haben wir auch Anfragen aus anderen Bereichen und lassen sie auch zu, wenn Plätze frei sind. Wir wollen ja, dass das ganze Kollegium mitzieht. Deshalb befähigen wir unsere Teilnehmenden, die Inhalte der Kurse weiterzutragen.

Ist das Konzept aufgegangen?

Christian Kleinert: Die Stärke von „Jugend präsentiert“ ist, dass wir ein an Schulen konkret bestehendes Problem, nämlich die Frage „Wie vermittle ich Präsentationskompetenz?“, beantwortet haben. Es gibt kein anderes Projekt in Deutschland in diesem Bereich, das in einem solchen Umfang Materialien, Trainings, Inhalte – und das auch noch alles in wissenschaftlicher Anbindung – anbietet. Das ist ein einmaliges Ding. Unsere Fortbildungen sind ausgebucht, die Teilnehmendenzahlen im Wettbewerb wachsen und wir werden mittlerweile als großer bundesweiter MINT-Wettbewerb wahrgenommen.

Beate Spiegel: Wir haben den Namen des Projekts extra so gewählt, dass er sich in die Riege der großen Wettbewerbe einreiht, weil wir uns von Anfang an hohe Ziele gesetzt hatten.

Lange Zeit war es ja so, dass der Osten Deutschlands bei „Jugend präsentiert“ eher ein wenig unterrepräsentiert war. Ist das immer noch so?

Beate Spiegel: Ich glaube, da unterscheiden wir uns leider nicht so sehr von anderen großen Wettbewerben. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sind immer dabei, aber gen Osten ist es oft schwierig.

Christian Kleinert: Das ist ein wunder Punkt, der uns sehr stark umtreibt. Die ostdeutschen Schulen wollen wir auf jeden Fall teilhaben lassen. Derzeit haben wir mehr Teilnehmende von der Deutschen Schule in Dubai als aus Sachsen! Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Corona-Zeit und die virtuellen Angebote es vielen Auslandsschulen erleichtert haben, dabei zu sein. Das war schon spannend, wenn wir eine Veranstaltung gestreamt haben, konnten wir sagen, die Deutsche Schule Moskau sitzt beim Abendessen, während die im Silicon Valley gerade frühstückt.

Die Klaus Tschira Stiftung ist bekannt dafür, ihren Projekten Entwicklungschancen einzuräumen. Wie wichtig ist diese Haltung?

Christian Kleinert: Langfristigkeit ist das A und O. So viele Stiftungen geben nur Impulse und ziehen sich dann wieder zurück.  Wir sind extrem dankbar für diesen langen Atem und die große Flexibilität. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für dieses Projekt.

Beate Spiegel: Wir wissen, dass es mindestens fünf Jahre dauert, bis ein Projekt dieser Größenordnung sich überhaupt erst etabliert hat.

Christian Kleinert: Mir ist es hier ganz wichtig, das Augenmerk auf die Tübinger Begleitforschung und Mit-Konzeption bei „Jugend präsentiert“ zu lenken. Das ist ein großartiges Beispiel dafür, wie Projekte heute funktionieren sollten. Diese Entwicklungsarbeit und die beständige Evaluation bereits vor zwölf Jahren anzulegen, war wirklich wegweisend. Zahlreiche Forschungsarbeiten haben wissenschaftlich belegt, dass „Jugend präsentiert“ wirkt und sich die Schülerinnen und Schüler objektiv im Präsentieren verbessern. Wir bekommen als Rückmeldung, dass Schülerinnen und Schüler ein tieferes Verständnis für die Naturwissenschaften entwickeln im Rahmen von „Jugend präsentiert“.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilen uns mit, dass „Jugend präsentiert“ ihr Leben verändert habe. Manche Lehrkräfte sagen sogar, das sei die beste Fortbildung gewesen, an der sie je teilgenommen hätten. Wir haben zwischenzeitlich auch ein Alumni-Programm für unsere Ehemaligen aufgebaut, das weitere Angebote für die Zeit nach der Schule bietet und sie langfristig ans Projekt bindet. Das bedeutet aber auch eine große Verantwortung für uns und wir geben alles, damit „Jugend präsentiert“ eine tolle Erfahrung für alle ist. Vor 500 Leuten zu präsentieren, das prägt sich tief ins Leben ein.

Wie schafft man es denn als ständig wachsendes Projekt, sich nicht zu verzetteln?

Christian Kleinert: Das läuft über die unglaubliche Teamleistung zwischen Wissenschaft im Dialog in Berlin und dem Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen. Von Anfang an machen wir uns gemeinsam auf den Weg der zuvor zusammen definierten Ziele. So entstehen immer wieder neue Ideen der Umsetzung, beispielsweise „Jugend präsentiert Kids“ für die Grundschulen. Die Ideen stellen wir dann der Klaus Tschira Stiftung vor, die die Weiterentwicklung bislang als stimmig mit ihren eigenen Zielen gewertet und daher gefördert hat.  

Gab es auch emotionale Momente in den letzten zehn Jahren?

Beate Spiegel: Jedes Mal beim Finale des Bundeswettbewerbs, wenn man sieht, wie junge Menschen auf der großen Bühne über sich hinauswachsen. Das begeistert mich immer wieder aufs Neue.

Christian Kleinert: Ich habe mein Lieblingsbild von „Jugend präsentiert“ in meinem Büro. Ein großformatiges Foto der Teilnehmenden der Präsentationsakademie 2013 in Heidelberg, bei der Klaus Tschira dabei war. Auf dem Bild ist er umringt von Schülerinnen und Schülern in ihren orangenen Jugend-Präsentiert-T-Shirts. Wirklich bewegend.

Wie hat „Jugend präsentiert“ den Corona-Schock verkraftet?

Christian Kleinert: Wie alle anderen hatten wir auch erst einmal große Fragezeichen im Kopf. Aber schon eine Woche, nachdem wir die Präsenzveranstaltungen abgesagt hatten, sind wir durchgestartet und haben eine virtuelle Präsentationsakademie entwickelt.

Wo könnte „Jugend präsentiert“ in zehn Jahren stehen?

Beate Spiegel: Dann haben wir den ganzen Osten mit dabei! Und jede Lehrerin und jeder Lehrer – ob aus den Naturwissenschaften oder nicht – kennt unseren Wettbewerb.

Hintergrund:

„Jugend präsentiert“ ist eine bundesweite Bildungsinitiative der Klaus Tschira Stiftung, Heidelberg, in Kooperation mit Wissenschaft im Dialog, Berlin. Die gemeinnützige Initiative wurde 2011 mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Präsentationskompetenz und Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlich-mathematischen Themen in der Schule zu fördern. „Jugend präsentiert“ richtet jährlich einen bundesweiten Präsentationswettbewerb aus und bietet kostenfreie Lernmaterialien und Seminare für Lehrkräfte an. Mit dem Programm „Jugend präsentiert Kids“ richtet sich die Initiative seit 2020 auch an Grundschulen. Lernmaterialien, didaktische Konzepte sowie Seminare für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schülern werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen entwickelt und evaluiert.

Über Klaus Tschira Stiftung gGmbH

Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940-2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de

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