Ein Zehntel der Weltbevölkerung leidet unter akutem Hunger. Rund 2,4 Milliarden Menschen haben regelmäßig nicht genug zu essen. Umweltkatastrophen und die Klimakrise spitzen sich zu. Der heute in New York stattfindende Welternährungsgipfel (UNFSS) von UN-Generalsekretär António Guterres müsste genau hier ansetzen. Astrud Beringer, FIAN-Koordinatorin zum Food Systems Summit kritisiert: „Das stark konzerngeprägte Lösungsmenü des Gipfels wirbt vorrangig für marktbasierte und profitorientierte Ansätze. Diese würden jedoch weder den Klimawandel eindämmen noch die Ernährungssicherheit der von Hunger und Mangelernährung betroffenen Menschen verbessern“. Der Gipfel hat zudem erstmals und im Gegensatz zu früheren Ernährungsgipfeln kein Mandat der UN-Vollversammlung.
Der problematische Multi-Stakeholder-Ansatz des Gipfels hat erstmals Konzerne, Banken und philanthropischen Organisationen dazu eingeladen, Platz am Diskussionstisch zu nehmen und die UN-Mitgliedsstaaten bei der Transformation der globalen Ernährungssysteme zu beraten. Die Rechtfertigung hierfür lautet: „Wir brauchen auch diejenigen an Bord, die unsere kostspielige Agrar- und Ernährungswende finanzieren können“. Doch weder besitzt der Privatsektor eine demokratische Legitimation, die politischen Entscheidungsprozesse mitzubestimmen, noch bietet er echte Lösungen gegen die Klima- und Ernährungskrise.
FIAN fordert von der Bundesregierung, sich während des heutigen Gipfels deutlich gegen die Etablierung von Multi-Stakeholder-Ansätzen in der UN und die Einrichtung einer neuen und zusätzlichen Koordinierungsstelle in Rom parallel zum Welternährungsrat CFS auszusprechen. Interessenskonflikte sind sonst vorprogrammiert, und die menschenrechtlichen Rechenschaftspflichten der UN-Mitgliedsstaaten drohen hinter nebulösen Multi-Stakeholder-Bündnissen zu verschwinden. Hingegen müssen demokratisch legitimierte und inklusive UN-Gremien wie der UN-Welternährungsrat gestärkt werden. Agrarökologische Praktiken sollten als zentrale Lösungsansätze im Gipfel propagiert werden – im Gegensatz zur industriellen Intensivlandwirtschaft sind diese auf den Menschen ausgerichtet, rehabilitieren nachweislich unsere kaputten Ökosysteme und stärken Ernährungssicherheit und -souveränität.
Ein zentraler Fokus der von der Privatwirtschaft propagierten „Lösungsideen“ liegt auf der sogenannten soil health. So soll Ackerland vermehrt in Kohlenstoffsenken umgewandelt werden. „Wirksamer Klimaschutz ist aber nur mit der realen Beendigung von Treibhausgasemissionen möglich“, so Astrud Beringer von FIAN. Dies ist durch solche kohlenstoffzentrierten Ansätze – oftmals carbon farming-Initiativen genannt – nicht möglich. Es handelt sich dabei um keine permanente Speichermöglichkeit von Kohlenstoff. Außerdem können sie zu verstärkten Landkonflikten führen und Kleinbäuer*innen nicht helfen, sich aus der Abhängigkeit von agrochemischen Produktionsmitteln zu befreien.
Die wachsende Konzernmacht in der UN und im gesamten Nahrungsmittelsektor birgt enorme Gefahren. Wir brauchen endlich verbindlichen Regeln für Konzerne zum Schutz von Klima, Umwelt und Menschenrechten. Diese Entwicklung hat auch der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Michael Fakhri, in seinem aktuellen Bericht zum UN Gipfel kritisiert. „Die heutigen Lebensmittelsysteme sind nicht nachhaltig. Wenn man die Agrarindustrie, die über Geld und Macht verfügt, in die Bestimmung der Zukunft einbezieht, wird diese unweigerlich die Diskussion dominieren“, so Michael Fakhri. Die Gegenmobilisierung zum UNFSS erfolgte in Deutschland und international in einem breiten Bündnis.
Weitere Informationen
• Interview mit Sofia Monsalve, Generalsekretärin FIAN International
• Artikel „Investitionsspielwiesen“ im IPG-Journal
• Aktueller Bericht des UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung
• Gegenmobilisierung zum UNFSS: Food Systems 4 People
• UN-Welternährungsgipfel (UN-Food Systems Summit 2021)
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