Homeoffice und Homeschooling, Angst vor Ansteckung und Quarantäne, fehlende Freund*innen und Hobbies, dazu oft ‚Lagerkoller‘ und viel Streit: Die Pandemie setzt Familien gewaltigem Stress aus. Die Folgen sind in vielen Fällen schwerwiegend. Studien zeigen, dass psychische Probleme bei Kindern und Erwachsenen in Folge der Lockdowns zugenommen haben. Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) sehen Hinweise für eine psychische Belastung bei jedem dritten Kind. Manche leiden unter Schlafstörungen und Albträumen, können sich schlecht konzentrieren und verhalten sich depressiv, manche reagieren mit Essstörungen, Aggressionen, Ängsten und Zwängen, etwa übertriebenem Händewaschen.

Auch bei Erwachsenen haben psychische Störungen wie Depressionen, Erschöpfungszustände und Angsterkrankungen zugenommen. Die Erwartung, Job und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen und dabei oft auf sich alleine gestellt zu sein, hat viele Väter und Mütter überfordert, erklärt Michael Jente, Chefarzt der Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie und der Klinik für Akutpsychosomatik der Kliniken Bad Wildungen. „Gerade in Familien, in denen es schon in ’normalen‘ Zeiten viele Konflikte oder sogar psychische Erkrankungen gab, hat Corona die Situation mitunter dramatisch verschärft.“ Zum einen, weil viele Hilfsangebote nicht mehr erreichbar und der Zugang zu Psychotherapien erschwert waren, andererseits waren auch Treffen mit Bekannten und Freund*innen enorm eingeschränkt − es fehlte das hilfreiche Gespräch, der soziale Austausch, der über kleinere Schwierigkeiten im Beruf und Privatleben oft schon hinweghilft.

Füreinander da sein

„Die Familie ist grundsätzlich sehr wichtig für die seelische Entwicklung eines Menschen; sowohl im Guten wie im Schlechten, haben frühe Erfahrungen, die wir in unserer Ursprungsfamilie machen, erheblichen Einfluss auf unsere psychische Gesundheit bis ins Erwachsenenalter hinein“, sagt Jente. Erfahren Kinder Geborgenheit, Liebe und feste Bindungen, können sie eine psychische Stabilität entwickeln, die sie im weiteren Leben widerstandfähig gegenüber Krisen macht.

Gleichzeitig betreffen psychische Probleme eines Kindes, einer Mutter oder eines Vaters alle Familienmitglieder. Hierbei geben intakte innerfamiliäre Beziehungen und ein verständnisvoller Umgang miteinander Halt. Manchmal ist die Sache aber auch verfahren und verschlimmert sich, wenn zusätzliche Belastungen von außen kommen oder die Inanspruchnahme des sozialen Netzes aus Freund*innen und Bekannten nicht mehr zur Verfügung steht.

„Ein großer Vorteil ist es, wenn es bei Problemen Unterstützung auch von außerhalb der Kernfamilie gibt“, hebt Jente hervor, „beispielsweise durch Verwandte, Freundinnen und Freunde. Die Pflege sozialer Kontakte spielt eine wichtige, wenn nicht sogar entscheidende Rolle beim Erhalt unserer psychischen Gesundheit.“​

„Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt“ – Michael Jente

Ein offener und vertrauensvoller Umgang in der Familie ist in Krisen wie der Corona-Pandemie zentral. „Man sollte miteinander über Ängste und Schwierigkeit sprechen“, so Jente. Wenn Erwachsene bestimmte Themen verschweigen und tabuisieren, kann das beim Kind erst Recht schlimme Befürchtungen wecken. „Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Es ist wichtig, dass man mit ihnen altersgerecht darüber spricht und ihnen hilft, eine Situation einzuordnen und damit umzugehen.“  Dabei sollte unbedingt vermieden werden, eigene Ängste und Ungewissheiten ungefiltert dem Kind gegenüber zu äußern. „Kinder sind nicht dazu da – und auch nicht in der Lage – die Probleme der Eltern zu lösen, Bedrohungen zu entschärfen oder beruhigend auf ihre Eltern einzuwirken.“

Wenn Eltern merken, dass der Punkt erreicht ist, an dem sie Schwierigkeiten haben ihre Probleme (nicht nur innerhalb der Familie) zu lösen, sollten sie umgehend professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Das kann Psychotherapie oder Familienhilfe sein, das kann aber auch der Sozialverband VdK oder die Schuldnerberatung sein, um nur einige Möglichkeiten zu nennen.

„Wie wir Erwachsenen in einer Krise reagieren, ist Vorbild für die Kinder. Wenn wir ängstlich, unsicher und ständig gereizt sind, ist das für das Kind bedrohlich“, so der Chefarzt. Für Familien kann es eine Erleichterung sein, sich ein Stück weit damit abzufinden, dass „es ist wie es ist“. Das erleichtert auf jeden Fall die Suche nach alternativen Wegen, um etwas Gutes für sich zu tun.

Einfache Routinen und Rituale wie gemeinsame Abendessen, der gemeinsame Spaziergang oder das Vorlesen geben Sicherheit und bieten Gelegenheiten, um miteinander zu reden oder einfach nur um zusammen zu sein. „Und jeder sollte Freiräume für sich und für Aktivitäten haben, die ihm gut tun. Nicht nur während einer Pandemie.“

Professionelle Hilfe annehmen

Neben diesen grundsätzlichen Empfehlungen für ein gesundes Familienleben hebt Jente hervor, dass bei längeren und schwerwiegenden Problemen und insbesondere bei psychischen Erkrankungen Hilfe von außen notwendig ist. Wer nicht mehr weiter weiß, kann sich etwa an psychosoziale Beratungsstellen wenden.  Auch die Hausärztin oder der Hausarzt sind eine erste Anlaufstelle. Diese können auch an Fachärzt*innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder an approbierte psychologische Psychotherapeut*innen überweisen. Auch die Krankenkassen vermitteln teilweise Erstgespräche bei den genannten Fachärzt*innen. In akuten Krisen kann man auch bei einer Telefonberatung anrufen, wie die ‚Nummer gegen Kummer‘ für Kinder und Jugendliche (116111) oder das ‚Elterntelefon‘ (0800 1110550).

Welttag für seelische Gesundheit / Woche der Seelischen Gesundheit

Seit 1992 findet jedes Jahr am 10. Oktober der Welttag für seelische Gesundheit (World Mental Health Day) statt. Initiiert wurde dieser von der World Federation for Mental Health (WFMH). Rund um dieses Datum informieren zahlreiche Institutionen, Initiativen und Einrichtungen über psychische Gesundheit, Prävention und Hilfsangebote. In Deutschland koordiniert das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit alle Veranstaltungen und Aktionen rund um den Welttag und führt sie auf einer zentralen Kommunikationsplattform zur „Woche der Seelischen Gesundheit“ zusammen.

Weitere Informationen auf der Internetseite des Aktionsbündnis Seelische Gesundheit: www.seelischegesundheit.net ​

Über die MEDICLIN Kliniken Bad Wildungen
Die MEDICLIN Kliniken Bad Wildungen vereinen drei Fachkliniken unter einem Dach. Der Rehabilitationsbereich gliedert sich in eine Fachklinik für Konservative Orthopädie mit einem Zentrum für Amputationsnachsorge und eine Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie. Zum Spektrum der Klinik gehört außerdem eine Fachklinik für Akutpsychosomatik mit vollstationären und teilstationären Plätzen. Hier können sowohl Erwachsene als auch Jugendliche ab 15 Jahren mit akuten psychosomatischen oder psychotherapeutisch behandelbaren Störungen aufgenommen werden. Die Einrichtung, die am Rande des größten Kurparks von Europa liegt, verfügt über 305 Betten und beschäftigt rund 190 Mitarbeiter*innen.

Über MEDICLIN

Zu MEDICLIN gehören deutschlandweit 35 Kliniken, sieben Pflegeeinrichtungen und zehn Medizinische Versorgungszentren. MEDICLIN verfügt über rund 8.350 Betten/ Pflegeplätze und beschäftigt rund 10.200 Mitarbeiter*innen.

In einem starken Netzwerk bietet MEDICLIN den Patient*innen die integrative Versorgung vom ersten Arztbesuch über die Operation und die anschließende Rehabilitation bis hin zur ambulanten Nachsorge. Ärzt*innen, Therapeut*innen und Pflegekräfte arbeiten dabei sorgfältig abgestimmt zusammen. Die Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen gestaltet MEDICLIN nach deren individuellen Bedürfnissen und persönlichem Bedarf.

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