Die Rückkehr öffentlicher Protestbewegungen nach Corona würde sich vor allem in Schwellenländern negativ auf die Wirtschaftsaktivitäten auswirken. Das Exportgeschäft betroffener Länder könnte drei Jahre nach Aufkommen der Proteste um bis zu 20,7% niedriger bleiben als es ohne die Unruhen wäre, während die Importe bis zu 5,6% nachlassen könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Modellrechnung des Kreditversicherers Coface.  

Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie wurden zahlreiche sozioökonomische und politische Protestbewegungen im vergangenen Jahr jäh gestoppt. Nach dem Arabischen Frühling 2011 ging die Zahl der weltweiten Massenaufstände zunächst bis zum Jahr 2016 stetig zurück. Zwischen 2017 und 2019 folgte dann vor allem in Schwellenländern ein deutlicher Anstieg. Kurz vor Ausbruch der Pandemie gab es Unruhen in Hongkong, Algerien, dem Libanon und lateinamerikanischen Ländern wie Chile und Ecuador. 

Neue Protestwelle hat bereits begonnen

„Durch die Aufhebung von Corona-Restriktionen dürften viele Bewegungen und Aufstände zurückkehren. Darüber hinaus hatte die Pandemie selbst vielerorts verheerende soziale und ökonomische Auswirkungen und sollte neue Konflikte anfachen und bestehende befeuern. Die Erfahrungen mit früheren Epidemien und Pandemien zeigen, dass solche Bewegungen im Durchschnitt ein Jahr nach der Gesundheitskrise auftauchen“, sagt Coface-Volkswirt Samuel Adjutor. In mehreren Ländern Asiens, Lateinamerikas, Afrikas und Osteuropas hat die neue Protestwelle bereits begonnen. Neben den gesellschaftlichen Folgen der Pandemie, zum Beispiel in Brasilien, Kolumbien oder Malaysia, standen in einigen Ländern auch politische Krisen im Zentrum der Bewegungen – unter anderem in Peru, Myanmar oder Montenegro. In Schwellenländern wie Südafrika, Guatemala und Tunesien fanden Proteste statt, die sowohl gesellschaftlich als auch politisch motiviert waren.

Schäden vor allem für das Exportgeschäft

Die neue Welle von Protestbewegungen sollte negative Auswirkungen auf den globalen Handel der betroffenen Länder haben, vor allem auf die Warenausfuhren. Coface schätzt, dass die Exporte im Jahr der Unruhen im Schnitt um 4,2% niedriger sind als sie es ohne Massenproteste gewesen wären. Auch in den drei Folgejahren bleibt der Abstand beträchtlich, da die Ausfuhren weiterhin zwischen 6,3% und 8,9% niedriger bleiben. Die negative Wirkung bei den Einfuhren ist hingegen schwächer und eher vorübergehend, so dass sie schnell wieder ihr Potenzialniveau erreichen. Die beschriebenen Auswirkungen sind auf ein schwindendes Vertrauen der Haushalte und Unternehmen sowie zunehmende politische Unsicherheit zurückzuführen. Dies lässt auf der Angebotsseite die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor sinken und führt auf der Nachfrageseite zu einem geringeren Privaten Konsum. Davon abgesehen lässt die politische Unsicherheit die Transaktionskosten zwischen dem betroffenen Land und Handelspartnern steigen.

"Politik steht mit dem Rücken zur Wand"

Im Rahmen der Modellrechnung zeigt sich auch, dass Aufstände mit rein politischen Forderungen im Durchschnitt schwächere Auswirkungen auf die Exporte und Importe haben als sozioökonomisch motivierte Proteste. Nach politischen Unruhen kehren Ein- und Ausfuhren nach zwei bzw. drei Jahren wieder auf den Weg zurück, den sie ohne den Schock genommen hätten. In der Folge von sozioökonomisch motivierten Aufständen liegen Exporte und Importe auch drei Jahre später noch 20,7% bzw. 5,6% unter ihrem Potenzial. Dieser Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass es für die Regierungen schwieriger ist, zeitnah auf soziale Forderungen zu reagieren. „Diese Erkenntnis ist umso wichtiger, als die Bewegungen, die infolge der Gesundheitskrise entstehen dürften, wahrscheinlich durch die Verschlechterung der sozioökonomischen Bedingungen motiviert sein werden und es gleichzeitig weder für die Fiskal- noch für die Geldpolitik einen Reaktionsspielraum gibt. Die Zentralbanken können den Leitzins aufgrund der hohen Inflation nicht senken und die Regierungen haben bereits einen großen Schuldenberg angehäuft. Die Politik steht mit dem Rücken zur Wand“, sagt Samuel Adjutor. 

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