Von Pascal Blanqué, Group CIO Amundi und Vincent Mortier, Deputy Group CIO AmundiIn letzter Zeit mussten die Finanzmärkte einige gemischte Signale aus der US-Wirtschaft verdauen (Arbeitsmarktbericht für August, Einzelhandelsumsätze, jüngster Verbraucherpreisindex). Die US-Notenbank Fed kündigte ein mögliches Tapering an – also die Rückführung ihrer expansiven geldpolitischen Maßnahmen –, aber man wird dabei wohl schrittweise vorgehen und die Aussage "nicht genug Wachstum" wird weiterhin vorherrschend sein. Wir sehen zwei wachsende Risikobereiche im Hintergrund. Der erste bezieht sich auf China: die Ausbreitung der Delta-Variante im Sommer, die erneute Regulierungswelle und die Story rund um das chinesische Immobilienunternehmen Evergrande. Die Verlangsamung des chinesischen Konjunkturzyklus dürfte fiskalische und geldpolitische Maßnahmen auslösen, wie der jüngste Schritt der chinesischen Zentralbank (PBoC) zur Vermeidung einer Liquiditätsverknappung gezeigt hat. Der zweite Risikobereich ist die Inflation bei Energie und Lebensmitteln. Das Thema der steigenden Energiepreise ist in Europa, wo die Gaspreise auf ein Rekordniveau gestiegen sind, in aller Munde. Auch die Lebensmittelpreise steigen rasant an, und das Thema ist für die Schwellenländer besonders kritisch. Diese beiden Themen sind wichtig, wenn es darum geht, die Entwicklung der Inflationsraten anzusprechen und die langfristigen Verpflichtungen der Regierungen zur Bewältigung des Klimawandels zu berücksichtigen. Ist es an der Zeit, die Risikoallokation zu ändern und defensiver zu werden?Angesichts des steigenden Inflationsrisikos und der nachlassenden Wirtschaftsdynamik nimmt das Stagflationsrisiko zu, also das Risiko des Stillstands des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger Geldentwertung. Die unterstützenden Zentralbanken und der Mangel an Alternativen zu Aktien bedeuten aus unserer Sicht jedoch einmal mehr, dass ein baldiger Einbruch des Marktes schwer vorstellbar ist. Angesichts der beeindruckenden Wertentwicklung seit Jahresbeginn und des Risikos, dass die Inflation weiterhin die Schlagzeilen beherrscht, glauben wir, dass man bei der Risikoallokation im Gesamtportfolio neutral bleiben und einige Absicherungen vornehmen sollte. Bei Unternehmensanleihen bleiben wir konstruktiv. Angesichts der engen Spreads (Renditeabstände) sollte man nach Titeln Ausschau halten, die bei steigenden Zinsen und einer Wiederbelebung der Wirtschaft eine gute Wertentwicklung erzielen könnten oder ein geringeres Durationsrisiko aufweisen, so zum Beispiel nachrangige Anleihen oder Hochzinsanleihen. Unter Duration versteht man die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer, sie ist ein Maß für die Zinssensitivität von Anleihen. Bleibt der Trend zu Value-Aktien aufrecht?Seit Beginn der Reflation, die durch die Einführung der Impfstoffe ausgelöst wurde, ist die Präferenz für Value (wertorientierte Aktien) gegenüber Growth (wachstumsorientierte Aktien) eine wichtige Überlegung. Die Furcht vor dem Ausbruch der Delta-Variante hatte im Sommer zu einer Unterbrechung dieses Trends geführt. Dennoch glauben wir, dass sich dieser Trend sowohl in den USA als auch in Europa, wo die Bewertungslücke zwischen Value und Growth im historischen Vergleich immer noch sehr groß ist, weiter entwickeln kann. Mit zunehmender Dauer der Value-Phase kristallisieren sich einige spezifische Themen heraus. In den USA umfasst der Value-Bereich interessante Investmentmöglichkeiten im Zusammenhang mit Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien, die durch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung Biden weiteren Auftrieb erfahrenkönnten. In Europa bietet aus unserer Sicht der Finanz- und Industriebereich interessante Qualitätstitel. Hier dürfte es darauf ankommen, von Fall zu Fall die Auswirkungen der steigenden Energiepreise auf die Margen zu bewerten. Was sollten Anleger angesichts des drohenden Taperings in den USA und einer möglichen hartnäckigen Inflation mit ihren Anleihen tun?Anleihen (Fixed Income) erscheinen vielleicht als völlig unattraktive Anlageklasse, aber das sind sie nach unserer Auffassung nicht: Die Anlageklasse befindet sich im Umbruch. Fixed Income dürfte eine wichtige Kernkomponente vieler Anlegerportfolios bleiben, sowohl zur Diversifizierung gegenüber Aktien als auch als mögliche Ertragsquelle. Entscheidend nach unserer Auffassung ist es dabei weiterhin, auf kurze Duration zu achten. Man sollte sich von einem statischen Benchmark-Ansatz (hohes Durationrisiko) lösen und auf der Suche nach möglichen Erträgen eine flexiblere Allokation vornehmen. In den US-amerikanischen Verbriefungsmärkten, den europäischen Peripherieanleihen und selektiven Schwellenländeranleihen gibt es unserer Meinung nach attraktive Anlagemöglichkeiten. Im Vorfeld des Tapering sollte sichergestellt werden, dass die Fixed Income-Kernallokation auch in einem schwierigeren Umfeld standhalten könnte. Sind die Schwellenländer am Ende, oder bieten sie immer noch Chancen für Anleger?Bislang haben Schwellenländer-Aktien im Jahr 2021 deutlich schlechter abgeschnitten als Aktien aus den entwickelten Märkten. Ein großer Teil ist auf China zurückzuführen. Der andere Grund ist die unterschiedliche Entwicklung der Wirtschaftsaktivität in den Schwellenländern, da die Impfkampagnen dort langsamer verlaufen. Aber auch wenn es nach wie vor Gegenwind gibt, da die Stimmung der Anleger in China auf kurze Sicht immer noch sehr schwach ist, einige politische Probleme in Lateinamerika und der Türkei bestehen und sich die Covid-Situation in Asien noch nicht stabilisiert hat, dürften sich die Aussichten trotzdem verbessern. In letzter Zeit hat sich die Wirtschaftsdynamik in den Schwellenländern erhöht, wobei die positive wirtschaftliche Entwicklung in den Schwellenländern ab Juni diejenige in den entwickelten Märkten übertraf. Ausgehend von einer allgemein untergewichteten Allokation der Investoren, könnten die Gewichtungen in den Schwellenländern zunehmen, aber die Bewegung dürfte sich erst gegen Jahresende beschleunigen, wenn sich die regulatorischen Probleme in China abschwächen und etwas mehr Klarheit in die Covid-Situation der Schwellenländer kommen könnte. Bei den Schwellenländeranleihen sind die Aussichten bereits konstruktiver, insbesondere bei Hartwährungs-Unternehmensanleihen und Hochzinsanleihen. Angesichts der auf breiter Front niedrigen Renditen und eines sehr schrittweisen Ansatzes der US-Notenbank Fed beim Tapering ist dieser Bereich für Anleger auf der Suche nach möglichen Renditen unserer Meinung nach attraktiv. FazitFür das vierte Quartal sehen wir drei Hauptthemen, die Anleger im Auge behalten sollten:

  • die Entwicklung der Stagflation-Story,
  • die Entwicklungen an der „grünen Front“ nach dem COP26-Treffen und
  • die Regulierungswelle in China.

 Angesichts der starken Wertentwicklung von Risikoanlagen seit Jahresbeginn und der sich abzeichnenden Risiken dürfte es besser sein, vorsichtig zu bleiben, wie wir meinen: Man sollte nicht den Bullen hinterherlaufen, sondern nach Möglichkeiten suchen, die Allokation in weniger angespannte Bereiche zu verlagern.  Quelleninformationen und weitere Informationen finden im Amundi Research Center.

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