Der Bestand an Wölfen in der Schweiz wächst. Parallel dazu steigt die Anzahl der Risse von Nutztieren, jedoch viel weniger stark als die Zunahme des Wolfsbestandes. Alppersonal, BäuerInnen und Behörden lernen laufend, besser mit der Wolfspräsenz umzugehen – die Anzahl Risse pro Wolf und Jahr geht zurück. Die Naturschutzorganisationen anerkennen den Handlungsbedarf für die weitere Koexistenz mit dem Wolf in der Schweiz. 

Die konfliktarme Koexistenz zwischen Wolf und Nutztierhaltung fusst auf Herdenschutz, guter Entlöhnung von genügend Alppersonal, finanzieller Unterstützung der Nutztierhaltenden, wissenschaftlicher Begleitung, Beratung, Dialog und Anerkennung der von den Älplerinnen und Älplern geleisteten Arbeit. Ergänzend sind gezielte, ökologisch vertretbare Eingriffe in den Wolfsbestand auch aus Sicht der Naturschutzorganisationen akzeptabel. 

Abschüsse unvermeidlich
Abschüsse von besonders schadenstiftenden Wölfen und Eingriffe in Wolfsrudel mit problematischem Verhalten (Regulierung) können notwendig sein. BirdLife Schweiz, Pro Natura, WWF Schweiz und Gruppe Wolf Schweiz sagen innerhalb der geltenden rechtlichen Grundlagen Ja zu diesen Massnahmen. Die Kantone und das BAFU haben die Entscheide dazu sachgerecht zu fällen. Die Naturschutzorganisationen verfolgen die Entwicklung. Sie überprüfen selbstverständlich weiterhin allfällige Abschussverfügungen, sehen sich aber nicht in der Rolle einer permanenten Kontrollinstanz. Die Verbände wollen ihre Kräfte nicht in Aktenstudium, sondern in die Förderung der Koexistenz stecken.

Existenzrecht ist unantastbar
Entscheidend ist, dass alle Akteure im Umgang mit potenziell Schaden verursachenden Tieren wie Biber, Luchs, Fischotter oder eben dem Wolf in Richtung Koexistenz vorwärtsschauen. Denn das Existenzrecht regionaler Wolfsbestände dieser einheimischen Tiere in der Schweiz ist unverhandelbar; eine erneute Ausrottung ist kein Thema. Es braucht gesunde und langfristig überlebensfähige Wolfsbestände im ganzen Alpenraum. Jede Tierart schafft Mehrwerte für unser Ökosystem. So hilft der Wolf bei der Regulierung des Rotwilds, seiner Hauptbeute. Angemessene Wolfsbestände dienen dadurch dem Berg- und Schutzwald und dem langfristigen Ziel von artenreichen, stabilen und klimaangepassten Wäldern.

Gemeinsam vorwärts gehen
Die Naturschutzorganisationen haben Eingriffe in Wolfbestände nie kategorisch abgelehnt und das auch immer so kommuniziert. Es ist wichtig, dass diese Haltung nun wirklich bei den Medien und der Bevölkerung ankommt. Den Tatbeweis der Kompromissfähigkeit haben die Organisationen längst erbracht – und erbringen ihn weiterhin. Der Bundesrat hat die Jagdverordnung per 15. Juli 2021 angepasst. Dabei wurde die Schwelle für den Abschuss von Wölfen deutlich gesenkt. Die Umweltverbände haben dies akzeptiert. Da sich die Behörden an die neuen Regeln hielten, war im laufenden Jahr eine gerichtliche Überprüfung der Abschussbewilligungen mittels Beschwerde nicht nötig. Gleichzeitig wurden mit der aktualisierten JSV die Voraussetzungen verbessert, um den Herdenschutz zu stärken. Dies genügt für eine gesicherte Koexistenz aber noch nicht. Das Ziel muss jetzt sein, ein Lernumfeld zu schaffen, in dem die Beteiligten ihr Wissen einbringen. Die Erfahrungen des Alpsommers 2021 sind gemeinsam auszuwerten. Alle Massnahmen mit dem Ziel einer Koexistenz mit dem Wolf in unserer Kulturlandschaft sollen ergriffen werden. Dafür werden sich die Naturschutzorganisationen praktisch und politisch einsetzen.

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