Eine breite Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet eine öffentliche Investitionsoffensive in den kommenden Jahren. Das gilt für Sachinvestitionen in öffentliche Infrastruktur, Klimaschutz und Digitalisierung, aber auch für eine bessere Personalausstattung in Gesundheit, Pflege und Bildung, zeigt eine neue repräsentative Befragung im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* So sprechen sich gut 86 Prozent der Befragten dafür aus, Investitionen und Personalschlüssel im Bereich Gesundheit und Pflege "stark" oder "etwas" zu erhöhen. Knapp 79 Prozent fordern auch mehr Investitionen in Bildung, gut 70 Prozent wollen mehr Geld für den Klimaschutz, rund 65 bis 67 Prozent votieren für zusätzliche Investitionen in Bahnverkehr und ÖPNV, Mobilfunk- und Datennetze sowie die öffentliche Sicherheit. Ebenfalls mehrheitlich, allerdings mit geringeren Zustimmungsraten zwischen 54 und 58 Prozent, werden Investitionen in Fuß- und Radwege sowie Straßen und Brücken gewünscht (siehe auch Abbildung 1 in der Studie; Link unten). Für die Analyse wurden zwischen dem 28. September und dem 12. Oktober 2021 knapp 2200 Personen im Alter von 18 bis 75 Jahren online befragt.

Die IMK-Forscher Prof. Dr. Sebastian Dullien, Dr. Jan Behringer und Christoph Paetz analysieren in ihrer Studie auch, ob und wo sich bei den Investitionswünschen Unterschiede nach Einkommen und Parteipräferenzen ergeben. Ergebnis: Bei den meisten Investitionskategorien unterscheiden sich die Befragten in ihrer mehrheitlichen Zustimmung nicht stark. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede: So favorisieren Befragte mit niedrigeren Einkommen den Ausbau von Bahnverbindungen, ÖPNV, Fuß- und Radwegen besonders deutlich. Befragte mit hohen Einkommen wollen zwar Gesundheit und Pflege auch gestärkt sehen, aber dafür nicht so viel Geld zusätzlich ausgeben wie die anderen Befragten.

Beim Blick auf die Parteipräferenzen zeigen sich spürbare Differenzierungen bei den Themen öffentliche Sicherheit und vor allem Klimaschutz (siehe auch Abbildung 2d und 2e): Mehr als 90 Prozent der Grünen-Anhängerinnen und Anhänger wollen die Investitionen in Klima- und Umweltschutz ausweiten, rund 80 Prozent sogar "stark". Unter Bürgerinnen und Bürgern mit SPD-Präferenz sprechen sich insgesamt gut 80 Prozent für höhere Ausgaben in diesem Bereich aus, ähnlich groß ist die Zustimmung bei Anhängerinnen und Anhängern der Linken, etwas niedriger bei der Union. Unter Befragten, die der FDP zuneigen, liegt die Zustimmung bei knapp 70 Prozent. Ganz anders äußern sich lediglich Anhängerinnen und Anhänger der AfD: Von ihnen wollen rund 50 Prozent Investitionen in Klima- und Umweltschutz kürzen, nur gut 20 Prozent plädieren für eine Ausweitung.

Welchen hohen Stellenwert zusätzliche öffentliche Investitionen für die große Mehrheit der Befragten haben, zeigen auch die Antworten zur Finanzierung. Lediglich 7 Prozent votieren dafür, aus finanziellen Gründen auf Investitionen zu verzichten. Knapp 63 Prozent sprechen sich dafür aus, der Staat solle dafür an anderer Stelle weniger ausgeben, überdurchschnittlich häufig tun das Personen, die FDP oder AfD zuneigen. Zusätzliche Investitionen über Kredite zu bezahlen, halten gut 15 Prozent der Befragten für den besten Weg. Weitere gut 7 Prozent sind dafür, Steuern zu erhöhen.

Ein Abgleich der geäußerten Kürzungsvorstellungen mit den Finanzvolumina zeigt allerdings für IMK-Direktor Sebastian Dullien die Grenzen einer Finanzierungsstrategie alleine über die Kürzungen anderer Ausgaben auf. Die überwiegende Mehrheit der Befragten (59,2 Prozent) etwa gab "Subventionen" als jenen Posten an, bei denen der Staat sparen solle. Hier sei das Problem, dass ein erheblicher Teil der Subventionen in die gleiche Richtung wie die gewünschte Investitionsoffensive zielt, etwa Steuerbegünstigungen für klimaschonenden ÖPNV, Schienenverkehr oder Elektrofahrzeuge. Kürzungen hier seien kontraproduktiv, so Dullien.

Ein potenzieller Posten für Einsparungen, der sowohl von der Präferenz der Befragten gedeckt sei und gleichzeitig vergleichsweise große Finanzvolumina liefern könnte, wäre laut Dullien die Streichung von Vergünstigungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer für die Vererbung von Betrieben und Anteilen an Kapitalgesellschaften. Dieser Posten führt mit 5,1 Milliarden Euro pro Jahr die Liste der Steuersubventionen im Subventionsbericht des Bundes an. "Für eine Streichung dieser Vergünstigung spricht auch, dass von jenen, die höhere Steuern zur Finanzierung der Investitionen wollen, 72 Prozent Vermögens- oder Erbschaftsteuer nennen", so Dullien.

Bei vielen großen Posten der öffentlichen Ausgaben wie soziale Sicherung, Bildung oder Gesundheit sprachen sich nur jeweils kleine Minderheiten der Befragten (wobei Mehrfachnennungen erlaubt waren) für Kürzungen aus. "Das zeigt, dass die Deutschen mit der Größe des Sozialstaates keine Probleme haben", so Dullien.

Interessant ist nach Analyse der Forscher auch, dass die Akzeptanz der Befragten für Schulden oder höhere Steuern weitaus höher ausfällt, wenn es darum geht, ein akutes Haushaltsdefizit zu schließen: Dann liegen die Optionen "Ausgaben senken" und "Kredite aufnehmen" mit jeweils knapp 31 Prozent praktisch gleichauf, die Anhebung von Steuern halten knapp 24 Prozent für die beste Lösung. Dabei sprechen sich Befragte mit höheren Einkommen spürbar häufiger für Steuererhöhungen aus als Befragte mit niedrigeren Einkommen.

"Die Befragungsergebnisse vermitteln einen Eindruck davon, wie viel beim Thema Sicherung und Gestaltung der Zukunft gerade in Bewegung ist", sagt Wirtschaftswissenschaftler Dullien. "Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist überzeugt davon, dass massive Investitionen dafür absolut erforderlich sind. Aber zugleich ist die Bereitschaft, notwendige Investitionen über Kredite zu finanzieren, noch recht schwach ausgeprägt. Drei Jahrzehnte mit Sparappellen wirken offensichtlich nach, obwohl sich die ökonomischen Rahmenbedingungen längst tiefgreifend verändert haben." So zeigen makroökonomische Simulationen des IMK mit international weit genutzten Konjunkturmodellen, dass kreditfinanzierte Investitionen ökonomisch rational und gerade auch für die jungen Generationen lohnend sind: Ein großangelegtes Investitionsprogramm über die kommenden zehn Jahre hätte danach bis 2050 den Effekt, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt spürbar größer, die Staatsschuldenquote dagegen nicht höher wäre als in einem Vergleichsszenario ohne massive kreditfinanzierte Investitionen. ,

*Jan Behringer, Sebastian Dullien, Christoph Paetz: Überwältigende Mehrheit der Deutschen will kräftige Investitionsausweitung. Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung. IMK Policy Brief Nr. 112, November 2021. Download: https://www.boeckler.de/…

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