Virusausbreitung in sämtlichen Körperzellen
Coronaviren übertragen sich von Mensch zu Mensch durch virushaltige Tröpfchen oder Aerosole. Bei ihnen handelt es sich um membranumhüllte RNA-Viren, die ihren Namen ihrem Aussehen verdanken: Ihre vielen Zacken erinnern an eine Krone. Diese Oberflächenproteine, auch Spikes genannt, passen perfekt an den Zellrezeptor. Dabei verwendet SARS-CoV-2 das transmembranäre Enzym ACE-2 als Rezeptor, um in die Zellen zu gelangen. Dort übernehmen sie nach und nach die Kontrolle und schreiben mit ihrem Genom das zelleigene Bauprogramm um. Als Folge zerfallen die Zellen in ihre Einzelteile und die Viren können sich verbreiten. Nach dem ersten Kontakt mit dem Virus wird das Immunsystem aktiv. Die Reaktionen darauf äußern sich als Husten, Halsschmerzen oder Fieber. „Die Viren breiten sie sich immer weiter aus und wandern auch in die Lunge. Dadurch kann es schließlich zu einer Lungenentzündung oder einem Lungenversagen kommen“, berichtet Dr. Stieglitz.
Entzündliche Prozesse bei schweren Verläufen
Während das Immunsystem bei einer COVID-19-Erkrankung in Aufruhr gerät, vermehrt sich SARS-CoV-2 in der Lunge und in den Zellen der Atemwege zunächst nur schwach. Bei schweren Verläufen lässt sich die Zerstörung des Lungengewebes nicht direkt auf die Vermehrung des Virus in den Zellen zurückführen, sondern auf eine starke Entzündungsreaktion. Forschende der Charité, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft und der FU Berlin haben herausgefunden, dass entzündliche Prozesse und das Endothel der Lunge maßgeblich an schweren Verläufen beteiligt sind. Bestimmte Zellen des Immunsystems in der Lunge, die Monozyten und daraus entstehende Makrophagen, senden nämlich Botenstoffe aus, die eine starke Entzündungsreaktion hervorrufen. Die Endothelzellen stellen hingegen die Barriere dar, die die Blutgefäße auskleidet. Diese verliert bei schwerem COVID-19 an Funktion, wodurch es zu einem Lungenversagen kommt. Bei moderaten Verläufen spielen Gefäßschäden wohl eher keine Rolle. Die Viren greifen allerdings die Zellwände der Blutgefäße im ganzen Körper an.
Im Notfall: künstliches Koma oder Lungenmaschine
Kommt es bei Patienten zu einer Lungenentzündung wird der Sauerstoff knapp und Betroffene leiden unter Luftnot. In schweren Fällen droht ein akutes Lungenversagen. „Je nach Schweregrad gibt es dann verschiedene Möglichkeiten zur Behandlung, beispielsweise die Sauerstoffgabe durch eine Nasenbrille, die nicht-invasive Beatmung über eine Maske, die Beatmung über einen Beatmungsschlauch oder über eine externe künstliche Lunge“, erklärt Dr. Stieglitz. Die nicht-invasive Beatmung gilt als schonende Art der Beatmung und kommt zum Einsatz, wenn Patienten es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, genug Luft ein- und auszuatmen. Durch die Maske wird hingegen mit etwas Druck Luft zugeführt. Für eine invasive Beatmung führen Ärzte über den Rachen einen Schlauch in die Luftröhre ein. Die Betroffenen werden dafür in Narkose, also in ein künstliches Koma, versetzt. „Manchmal ist auch die invasive Beatmung nicht ausreichend, sodass wir dann zusätzlich auch die extrakorporale Membranoxygenierung, kurz ECMO, also eine externe Lungenmaschine, einsetzen. Dabei wird das Blut des betroffenen Patienten aus dem Körper herausgeleitet und durch eine maschinelle Membran geführt, ganz ähnlich wie bei einer Dialyse. Die Membran entfernt Kohlendioxid und führt Sauerstoff zu. Anschließend wird das Blut wieder in den Körper zurückgeleitet“, berichtet Dr. Stieglitz und ergänzt abschließend: „Auch die medikamentöse Therapie darf nicht vergessen werden. Es gibt derzeit sieben verschiedene mögliche Medikamente, die bei einer Erkrankung an Covid-19 eingesetzt werden können. Wir nehmen auch an Studien zur medikamentösen Behandlung von Covid-19 Patienten teil, sodass wir die bestmögliche und aktuellste medikamentöse Therapie von SARS-CoV-2-Infektionen anbieten können. Zusätzlich bieten wir eine ambulante Betreuung von Post-COVID-Patienten mit Spätfolgen an.“
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