Seitdem Gunter Schröder aus dem niedersächsischen Schwanewede einen Angriff durch seinen Deckbullen nur mit Glück überlebt hat, ist für ihn ein freilaufender Bulle in der Milchviehherde tabu. Manfred Eggers, Präventionsexperte der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) sprach mit ihm darüber.

Eggers: Herr Schröder, seit 40 Jahren führen Sie nunmehr Ihren Milchviehbetrieb mit aktuell 80 Kühen. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit mit Deckbullen gemacht bevor es 2010 zu dem Unfall kam?

Schröder: Vor gut 20 Jahren haben wir uns entschlossen, den Betrieb ökologisch nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes zu bewirtschaften. Ab dieser Zeit haben wir auch erstmals einen eigenen Deckbullen eingesetzt. Wir wollten so die saisonale Abkalbung der Kühe von August bis Ende Oktober erreichen. Wir zogen ihn selbst auf und setzten ihn anfangs ausschließlich bei den Jungrindern ein. Das war problemlos.

Eggers: Und dann änderte sich was?

Schröder: Ja. Ab 2005 setzten wir unseren Deckbullen auch immer mal wieder als sogenannten Ausputzer in der Milchviehherde ein. Tiere, die durch die künstliche Besamung nicht tragend wurden, sollten so im Betrieb gehalten werden. In der Weidesaison kam der Deckbulle zusammen mit den Kühen auf die angrenzenden Flächen. 2010 wies mich dann einer meiner Mitarbeiter auf ein deutliches Drohverhalten des Bullen hin. Aber irgendwie ist das bei mir dann im stressigen Arbeitsalltag in Vergessenheit geraten. 

Eggers: Was passierte dann?

Schröder: Fünf Tage später wollte ich die Kühe in Richtung Warte-Hof des Melkstandes im Stall treiben. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Deckbulle in der Milchviehherde. Ich wollte ihn vor dem Melken aus der Herde separieren. Er ließ sich aber erst nach mehreren Versuchen durch mich treiben, denn er zeigte starkes Interesse an einer Kuh auf der anderen Seite des Futtertisches. Als er sich dann endlich in Bewegung setzte, ging ich zum Trenntor, um es zu schließen. Als ich mich wieder umdrehte, stand der Bulle plötzlich direkt vor mir und drückte mich mit seinem Kopf gegen das Gatter. Ich fiel zu Boden, konnte mich aber mit letzter Kraft unter dem Trenngatter hindurch retten und es ihm vor der Nase zuschlagen. Das war sehr viel Glück im Unglück.

Eggers: Hätten Sie etwas anders machen sollen?

Schröder: Klar! Hätte ich nach dem Hinweis meines Mitarbeiters gleich die richtigen Maßnahmen getroffen, wäre der Unfall nie passiert.

Eggers: Welche Maßnahmen meinen Sie genau?

Schröder: Wenn ein Bulle so auffällig ist, ist es die einzig richtige Entscheidung, sich von ihm zu trennen. Und zwar besser heute als morgen. Außerdem war ich allein im Stall.

Eggers: Wie erging es Ihnen nach dem Unfall?

Schröder: Ich fiel lange Zeit aus, konnte meine Arbeitskraft aber zum Glück wieder erlangen. Ich bin unendlich dankbar, dass alles so glimpflich abgelaufen ist.

Eggers: Was passierte mit dem Bullen?

Schröder: Ich trennte mich sofort von ihm. Der jetzige Deckbulle wird nur noch bei den Jungrindern eingesetzt. Wenn einzelne Tiere behandelt oder getrieben werden müssen, fixiere ich zuvor den Deckbullen in einem Fangfressgitter. Er bleibt maximal ein Jahr im Deckeinsatz und verlässt mit 2 ½ Lebensjahren den Betrieb. Damit beuge ich seiner mit zunehmendem Alter steigenden dominanten Haltung vor.

Eggers: Sie würden also keinen Deckbullen mehr in der Milchviehherde mitlaufen lassen?

Schröder: Genau! Das ist für mich nach dieser Erfahrung heute absolut nicht mehr vorstellbar. Man kann sich in der Herde nie sicher bewegen und agieren solange ein Bulle frei mitläuft. Es ist gut, dass die Unfallverhütungsvorschrift der SVLFG dahingehend geändert wurde und ein mitlaufender Deckbulle inzwischen verboten ist.

Eggers: Was ist für Sie außerdem zwingend, um sich bei der Arbeit im Stall sicher zu fühlen?

Schröder: Ich halte nur noch genetisch hornlose Bullen. Und wenn das eine oder andere Kalb dennoch Hörner hat, stelle ich einen Antrag beim Bioland-Verband auf Enthornung. Wenn ein Tier behandelt oder untersucht wird, separiere ich es durch Trenntore und Abschrankungen, die ich extra dafür angebaut habe.

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