In der Realgemeinde Dransfeld werden am kommenden Dienstag (21.12.2021) gerade mal ein Jahr alte Schwarzerlen-Bäumchen (Alnus glutinosa) gepflanzt. Das Besondere daran: Das Saatgut wurde schon 1995 geerntet und war bis zur Aussaat in diesem Frühjahr über 25 Jahre lang eingelagert. Forstleute bewerten dieses einzigartige Experiment als einen ungewöhnlich langen Dornröschenschlaf. Denn die Fachliteratur beschreibt für Erlensamen nur eine Lagerungsdauer von fünf bis zehn, höchstens 15 Jahren. Eine weitere Besonderheit: Das Saatgut stammt von alten Erlenbäumen, in deren Nachbarschaft die jungen Bäume jetzt anwachsen sollen. Die neue Anbaufläche hat die Realgemeinde Dransfeld angekauft. Borkenkäferbefall hatte dort den Fichtenwald zerstört. Kurz vor Weihnachten soll die Kahlfläche am Stadtrand von Dransfeld mit den jungen Erlen aufgeforstet werden.

Mutterbäume mit besonderer Qualität – Wertvolle Genressourcen langfristig erhalten

Forstleute und Waldbesitzende sind zuversichtlich: "Die Mutterbäume galten schon 1995 als besonders wertvoll. Ihr Saatgut wurde von der damaligen Niedersächsischen Versuchsanstalt geerntet und im Kühlkeller in Escherode eingelagert. Ziel war es, die wertvolle Genressource langfristig zu erhalten", sagt Wilfried Steiner von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt aus der Abteilung Waldgenressourcen in Hann. Münden. Als die Realgemeinde auf der neuen Kahlfläche nun Bedarf an Schwarzerlen hatte, erinnerten sich der Realgemeinde-Vorsitzende, Jörg Brandt, und der frühere Betreuungsförster, Manfred Budde, an die lange zurückliegende Saatguternte in diesem besonderen Bestand. "Sie fragten bei der Versuchsanstalt nach und tatsächlich war noch ein kleiner Rest im Kühlkeller am heutigen Standort in Hann. Münden vorhanden. Damit haben wir eine Keimprüfung und einen Aussaatversuch gestartet", beschreibt Wilfried Steiner den Weg vom Saatgut im Kühlkeller bis in den Wald.

Vier Gramm Saatgut liefern 280 pflanzfertige Erlenbäume

Das Keimverhalten sei zwar schlechter als bei frisch geerntetem Saatgut, aber mit 25 Prozent noch ganz passabel, berichtet Dagmar Leisten von der Abteilung Waldgenressourcen der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. "Aus knapp vier Gramm Saatgut wuchsen so 280 pflanzfertige Schwarzerlen heran", freut sich die Technische Assistentin. Auf die späte Heimkehr der Nachzöglinge aus eigenem Wald blicken nicht nur die Mitglieder der Realgemeinde gespannt. Maria Spletter vom Niedersächsischen Forstamt Münden organisiert die Auspflanzung. Als Försterin der Niedersächsischen Landesforsten betreut sie sowohl den Realgemeindewald als auch den Dransfelder Stadtwald. Die Forstfrau ist neugierig zu sehen, ob die einjährigen Roterlen in Reichweite ihrer Mutterbäume den ersten Winter gut überstehen. Und auch die Versuchsanstalt wirft ein waches Auge auf die ungewöhnliche Aufforstung. Denn mit dieser Auspflanzung werde die statische Phase der Erhaltung in der Genbank nun durch eine dynamische Phase abgelöst, beschreibt Forstwissenschaftler Steiner. Die genetische Information des Ausgangsbestandes sei für eine weitere Generation gesichert. Diese dynamische Form der Erhaltung von genetischen Ressourcen habe den Vorteil, dass Anpassungsvorgänge an sich ändernde Umweltbedingungen wie den Klimawandel möglich seien. Insgesamt sei die Aktion ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit von Waldbesitzern, Niedersächsischen Landesforsten und Versuchsanstalt, so das Resümee von Wilfried Steiner.

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