Der auf Exporte in Nicht-OECD-Staaten spezialisierte Kreditversicherer Credendo sieht in Bolivien seit Jahrzehnten eine Anfälligkeit für politische Instabilität, im Wesentlichen aufgrund innerstaatlicher Spannungen zwischen der Elite und armen indigenden Gemeinschaften. Letztere stellen etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Die Herrschaft von Evo Morales und seiner sozialistischen MAS-Partei brachte zwischen 2005 und 2019 eine relative Stabilität. Seit Morales aber beschloss, für eine Wiederwahl zu kandidieren, nehmen die Spannungen wieder zu. In einem Referendum war eine erneute Kandidatur abgelehnt worden. Er gewann die Wahlen 2019, das Ergebnis wurde aber wegen Betrugsvorwürfen annuliert. Es folgten gewaltsame Unruhen, Morales floh aus dem Land. Eine Übergangsregierung der Mitte-Rechts-(Elite-)Opposition regierte das Land bis zu den Neuwahlen 2020. Luis Arce von der MAS-Partei feierte im November 2020 einen überwältigenden Wahlsieg. Doch die politischen Spannungen nahmen unter dem neuen Präsidenten zu. Set der Rückkehr an die Macht hat die MAS harte Maßnahmen ergriffen gegen politische Gegner und den Übergangspräsidenten. Mehrere wichtige Mitte-Rechts-Politiker sitzen im Gefängnis. Es kommt immer wieder zu gewalttätigen Unruhen. 

Während Morales‘ Herrschaft surfte das Land auf dem Rohstoffboom mit hohen Preisen. Bolivien exportiert Gold, Silber, Zink, Zinn und – ganz wichtig – Gas. Zwischen 2005 und 2016 lag das durchschnittliche BIP-Wachstum bei etwa 5 %. Seit 2016 ist es rückläufig aufgrund sinkender Gaspreise. Zwischen 2016 und 2020 lag das durchschnittliche BIP-Wachstum noch bei 3,7 %. Die Coronakrise und die sinkenden Rohstoffpreise haben Bolivien hart getroffen. 2020 erlebte das Land eine tiefe Rezession von 8,8 %. Erst Ende 2022 könnte das Vorkrisenniveau erreicht werden. Credendo prognostiziert ein Wachstum von durchschnittlich 3,7 % in den Jahren 2022-2025. Die erwartete Haushaltskonsolidierung und geringe private Investitionen dürften das Wirtschaftswachstum mittelfristig dämpfen. 

Bolivien gehört zu den Ländern mit dem langsamsten Impftempo in Lateinamerika. Auch hier liegen ebenso Risiken wie in möglichen Naturkatastrophen (Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände). Die angestrebte Energiewende mit geringerer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen könnte sich negativ auf Boliviens Gasexporte auswirken. 

Bis 2014 sorgte der Rohstoffboom auch für Leistungsbilanzüberschüsse. Zwischen 2015 und 2020 entwicklete sich der Saldo allerdings zu einem Defizit i. H. v. von etwa 5 % des BIP. Auf der Exportseite gingen die Leistungsbilanzeinnahmen 2015 um ein Viertel zurück. Argentinien und Brasilien, einzige Abnehmer von Erdgas aus Bolivien, versuchen Importe durch heimische Quellen zu ersetzen. Präsident Morales führte Preis- und Exportkontrollen ein (hauptsächlich für landwirtschaftliche Produkte), was die Ausfuhr schwächte. Auf der Importseite sind Öl, Investitions- und Konsumgüter die wesentlichen Faktoren. 2020 verringerte sich das Defizit auf 0,5 %, weil die Importe deutlich zurückgingen. 2021 wird eine Erhöhung auf 2,2 % erwartet, da die Importe wieder anziehen. Credendo erwartet bis 2025 eine sukzessive Steigerung des Defizits auf 3,8 % des BIP, da höhere Gas- und Mineralpreise nur vorübergehend Entlastung bringen. In der Vergangenheit wurden Defizite hauptsächlich durch den Abbau von Devisenreserven und die Emission von Auslandsschulden finanziert. In den kommenden Jahren dürften ausländische Direktinvestitionen gering ausfallen, da die interventionistsiche Politik der Regierung Investitionen unattraktiv macht. In der Folge erwartet Credendo einen weiteren Rückgang der Devisenreserven und neue Auslandsanleihen. Großes Potential liegt in den Lithiumvorkommen – dem größten weltweit. Entscheidend wird sein, ob es Bolivien gelingt, die notwendigen Investitionen anzuziehen.

Seit 2011 hat Bolivien einen festen Wechselkurs zum US-Dollar, was zu einer niedrigen Inflation führt. Die Devisenreserven haben sich aber seit dem Höchststand 2014 um 85 % verringert. Dieses Niveau ist gefährlich niedrig, um die Dollarbindung zu verteidigen, zumal die Reserven wohl weiter zurückgehen werden. Credendo sieht die Dollarbindung mittelfristig nicht mehr tragbar. Der IWF stellte in einem Bericht im August 2021 fest, dass der Wechselkurs 10-15 % überbewertet ist. Die Kombination aus ideologischer und interventionistischer Politik der derzeitigen Regierung, dem Engagement für den aktuellen Wechselkurs und dem Fehlen einer unabhängigen Zentralbank erhöhen das Risiko von Kapitalkontrollen oder mittelfristigen Devisenengpässen. Die sinkenden Devisenreserven setzen das kurzfristige politische Risikorating bei Credendo (derzeit 4/7) unter Druck. 

Die jüngsten Leistungsbilanzdefizite haben die Auslandsverschuldung ansteigen lassen. Sie stieg Ende 2020 auf 42 % des BIP, nach 27 % Ende 2014. Obwohl das aktuelle Niveau theoretisch noch überschaubar ist, steigt die Schuldenquote deutlich an und liegt auf dem höchsten Stand seit 2005. Eine Währungsabwertung dürfte die Verschuldung weiter in die Höhe treiben. Allerdings handelt es sich im Wesentlichen um langfristige Schulden. 

Credendo sieht die öffentlichen Finanzen noch nicht als besorgniserregend, aber doch schwach an. Seit 2014 steigt die öffentliche Schuldenquote an. Die Coronapandemie hat die Schulden auf 79 % des BIP getrieben, da das Haushaltsdefizit 2020 fast 13 % betrug. Der Kreditversicherer erwartet künftig nur einen leichten Rückgang der Haushaltsdefizite und somit einen Anstieg der öffentlichen Verschuldung bis 2025 auf fast 90 % des BIP. Die Zinszahlungen sind allerdings auf recht niedrigem Niveau. Dennoch könnten künftig größere Ausgabenkürzungen und geringere öffentliche Investitionen notwenig sein und zu weiterer politischer Instabilität führen. 

Credendo hat das mittel- bis langfristige politische Risikorating Boliviens Ende November von der Kategorie 5/7 auf 6/7 herabgestuft. Deckungen von Exporten in das Land sind aber weiterhin möglich. 

 

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