Bisher gehen die meisten Trainingsmethoden und Regenerationsprinzipien nicht auf die hormonellen Vorgänge von Frauen ein. Warum hat sich das noch nicht durchgesetzt?
Frauen sind in trainingswissenschaftlichen Studien noch ziemlich unterrepräsentiert. Sie werden von Studien ausgeschlossen, da der Menstruationszyklus als Störfaktor angesehen wird. Die Ergebnisse der Studien werden trotzdem meist auf Frauen übertragen, ohne ihre deutlich unterschiedlichen physiologischen und hormonellen Profile zu berücksichtigen.
Warum sind die Einflüsse der weiblichen Sexualsteroide auf die Leistungsfähigkeit noch nicht so erforscht wie zum Beispiel von Testosteron?
Testosteron spielt als anaboles Hormon eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der motorischen Eigenschaften, aber auch beim Doping. Testosteron ist jedoch nicht das einzige anabole Sexualhormon. Einige Studien deuten an, dass auch Östrogen auf die Muskulatur kraftsteigernd wirkt. Da Testosteron häufig als Dopingmittel eingesetzt wird, wurde es bisher mehr erforscht als weibliche Hormone.
Was müssen Frauen beachten, um mit einem zyklusorientierten Training ihre Performance im Sport zu verbessern?
Ein zyklusbasierter Trainingsplan kann nicht nur die Leistungen der Athletinnen optimieren, sondern auch gleichzeitig die negativen Konsequenzen bei zu intensivem Training verhindern. Menstruationsdysfunktionen kommen bei Sportlerinnen deutlich häufiger vor als beim Rest der Bevölkerung. Im Leistungssport droht eine sogenannte Female Athlete Triad. Diese Triade beinhaltet neben Menstruationsstörungen auch eine verminderte Verfügbarkeit von Energie, egal ob mit oder ohne Essstörung, und sogar eine verringerte Knochendichte. Durch das Training entstandener physiologischer Stress kann Menstruationsdysfunktionen zur Folge haben. Das kann sich als Unterbrechung des Menstruationszyklus, Menstruationsunregelmäßigkeiten, eine Verlängerung des Zyklus oder eine Anovulation zeigen, insbesondere bei Athletinnen, die nicht genügend Kalorien zu sich nehmen.
Wie sieht dann ein an den Zyklus angepasstes Training aus?
Da die Frauen eine unterschiedliche Leistung innerhalb ihres Menstruationszyklus zeigen, sollte der Trainingsplan an den Menstruationszyklus angepasst sein. Das heißt, dass neue Belastungsreize in den ersten zwei Wochen des Zyklus, der Follikelphase, angesetzt werden sollten. In der zweiten Phase, der Lutealphase, sollten dann keine neuen Trainingsbelastungen, sondern eine Stabilisierung und eine Adaptation des bereits in der Follikelphase erreichten Leistungsniveaus sowie die Regenerationstrainingseinheiten stattfinden. Damit wird in der Lutealphase der weibliche Organismus, in der bereits Zeichen von erhöhtem körperlichen Stress durch den Anstieg von Leukozyten und Kortisol nachgewiesen wurden, nicht auch noch mit neuen Belastungsreizen konfrontiert und überbeansprucht. Frauen sollten also in der Follikelphase mehr Kraft und Sprinttraining absolvieren und in der Lutealphase mehr Ausdauertraining. Vor allem, da Frauen in der Lutealphase eine schlechtere Glukoseverwertung, aber eine bessere Fettoxidation zeigen.
Menstruationsbeeinträchtigungen können verschiedene Symptome mit sich bringen. Wie zeigt sich das bei den Sportlerinnen?
Wir beobachten häufig, dass neben den Menstruationsstörungen auch eine verminderte Energieverfügbarkeit auftritt. Frühere Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Athletinnen, die unter Amenorrhoe leiden, also dem Ausbleiben der Menstruation, auch eine verminderte neuromuskuläre Leistungsfähigkeit im Bereich der Ausdauer, der Muskelkraft und der Reaktionsfähigkeit aufweisen. Die reduzierte neuromuskuläre Leistung geht mit einem niedrigeren Blutzucker- und Östrogenspiegel sowie hohen Kortisolwerten bei diesen Athletinnen einher. Zyklusanomalien können sich nicht nur auf das neuromuskuläre System negativ auswirken, sondern auch auf das Immunsystem der Athletinnen. Eine Studie kam sogar zu dem Ergebnis, dass Athletinnen mit Zyklusanomalien häufiger von Infektionen der oberen Atemwege betroffen sind.
Müssen Athletinnen in unterschiedlichen Sportarten verschiedene Dinge beachten?
Unterschiedliche Sportarten erfordern verschiedene motorische Fähigkeiten. Leistungsschwimmerinnen etwa zeigen in der frühen Follikelphase ihre besten Leistungen, während in anderen Disziplinen das Gegenteil der Fall ist. In Studien wurde auch schon festgestellt, dass durch Wassereinlagerungen in den unteren Extremitäten eine verminderte Beweglichkeit auftreten kann, was z.B. beim Turnen entscheidend ist. Sportartspezifische Merkmale sollten beim Trainingsplan deshalb nicht außer Acht gelassen werden. Ich empfehle jeder Athletin, ihren Zyklus dauerhaft zu tracken. So können sie ihre Ressourcen innerhalb des Zyklus besser einschätzen und, basierend auf den Leistungsschwankungen, einen Trainingsplan erstellen.
Sie haben sich bei Ihrer Untersuchung für eine Zyklusdiagnostik mit OvulaRing entschieden. Warum haben Sie diese Methode gewählt?
Durch regelmäßige Kontrolle des Menstruationszyklus lassen sich frühzeitig die Zeichen des Übertrainings erkennen. So können wir den Trainingsplan rechtzeitig umstellen und damit die Gefahr einer Female Athlete Triad minimieren. Ein großer Vorteil ist, dass wir ohne Blut- und Speichelentnahme mit OvulaRing den Zyklus verfolgen können. Zur Etablierung des zyklusbasierten Trainings im Leistungssport sollte auf jeden Fall zunächst eine Zyklusdiagnostik stattfinden, um einen individuellen zyklusbasierten Trainingsplan zu erstellen und mögliche Abweichungen des Menstruationszyklus frühzeitig zu erkennen.
Was hat Sie dazu gebracht, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen?
Frauen weisen eine unglaubliche Leistungsreserve auf. Ich bin fest davon überzeugt, dass die physiologische Leistungsfähigkeit bei Frauen im Gegensatz zu Männern noch nicht ausgeschöpft ist. Mit richtiger Trainingsperiodisierung werden wir in Zukunft schnellere, kräftigere und insgesamt leistungsfähigere Athletinnen haben, die den Leistungsunterschied zu Männern minimieren können. Es ist mir aber auch wichtig, die Gesellschaft generell für das Thema zu sensibilisieren. Bei unserer Untersuchung geht es auch darum, die menschlichen Aspekte aufzuzeigen – nämlich, dass im Frauensport andere, sanftere Methoden zu großen Erfolgen führen können. Solche experimentellen Studien sind ziemlich zeit- und kostenaufwendig, weshalb sie in der Genderforschung lange vernachlässigt wurden. Deshalb freue ich mich umso mehr, nun etwas zu diesem Thema beitragen zu können.
Die Vision der VivoSensMedical ist es, die Diagnostik für die Frauengesundheit zu verbessern und neue Standards für die Gynäkologie, Reproduktions- und Sexualmedizin zu setzen. Das Leipziger Unternehmen hat aufbauend auf 40 Jahren medizinischer Forschung eine Plattformtechnologie für die individuelle Diagnostik auf Basis des Biomarkers Körperkerntemperatur entwickelt und mit OvulaRing sein erstes Produkt im Bereich Frauengesundheit auf den Markt gebracht. OvulaRing ist ein zertifiziertes Medizinprodukt und als solches klinisch validiert und erfüllt die strengen Anforderungen an Qualität und Datenschutz. Das Unternehmen wurde 2011 gegründet und wird durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA), durch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) sowie durch die Stadt Leipzig gefördert. OvulaRing wurde im Rahmen eines EXIST Gründerstipendiums vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstützt.
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