Eine aktuelle Analyse der Arzneimittelversorgung in Deutschland für das Jahr 2021 zeigt weiterhin Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Klinik und Praxis. Die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln zur Behandlung schwerer Erkrankungen bleibt weiterhin eine wichtige Säule im therapeutischen Geschehen. Die aus Kostendämpfungsmaßnahmen resultierenden Einsparungen der Krankenkassen übertreffen die des Vorjahres.

Deutscher Pharmagesamtmarkt 2021: Einflüsse der COVID-19-Pandemie

Im Jahr 2021 stieg der Umsatz im gesamten deutschen Pharmamarkt – also Klinik- und Apothekensegment – um gut 7 % auf 53,6 Mrd. Euro (Basis: Herstellerabgabepreise ohne jegliche Abzüge im Apotheken-, berechnete Preise im Kliniksegment). Einbezogen sind hier auch Impfstoffe und Diagnostika. Die Menge nach Zähleinheiten (Tabletten, Kapseln, Portionsbeutel, Injektionen usw.) ging um 1 % auf 99,8 Mrd. zurück.

In getrennter Betrachtung beider Sektoren steigt der Umsatz jeweils um gut 7 %. Die Verbrauchsmenge in der Klinik ging um knapp 3 % zurück, während der Absatz im Apothekenmarkt bei einer „roten Null“ stagnierte (Abb. 1 zum Herunterladen). Diese Entwicklungen hängen mit der COVID-19-Pandemie zusammen. Im Krankenhausmarkt ging wegen ausgefallener und verschobener Behandlungen u.a. der Verbrauch an Hautschutzpräparaten und weiteren Routinemedikationen zurück.[1]

Im Apothekenmarkt spiegelt die quartalsweise Entwicklung die Einflüsse der Pandemie gut wider: Nach einem massiven Absatzeinbruch im ersten Quartal 2021, auch durch statistische Effekte infolge von Hortungskäufen im Vorjahr bedingt, erholt sich der Absatz des Apothekenmarktes und liegt über dem des Vorjahres. Der Umsatz wächst ab April wieder und pendelt sich im hohen einstelligen Bereich ein.

Mit deutlichen Zuwächsen in den einzelnen Monaten ab zweitem Quartal zeichnet sich eine Normalisierung des Gesundheitsbetriebes ab, der Patienten wohl auch wieder mehr Ärzte und Apotheken aufsuchen ließ. Der Verlauf in den Monaten des dritten Quartals mit deutlichen Zuwächsen dürfte durch niedrigere Inzidenzen in dieser Zeit zu erklären sein.[2] Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung war bis dahin zumindest einmal geimpft, und Kontaktbeschränkungen waren mit Ausnahme der Vorgaben von Maske und Abstand gelockert. Trotz der seit November grassierenden Omikron-Welle mit ansteigenden Inzidenzen hielt der Trend zur Normalisierung an, wohl auch wegen des mehrheitlich moderaten Krankheitsverlaufs.

OTC-Versandhandel profitiert

Der Versandhandel mit rezeptfreien (=OTC: over the counter) Arznei- und Nichtarzneimitteln legt in 2021 nach Wert um fast 11 % (2,8 Mrd. Euro zu effektiven Verkaufspreisen) und nach Menge um knapp 8 % (241 Mio. Packungen) zu. Vor allem der Bereich des medizinischen Sachbedarfs, also u. a. auch COVID-Tests und Hilfsmittel, zeigt mit fast 27 % Umsatz- und 11 % Absatzsteigerung das größte Wachstum. Generell führt die pandemische Situation zu einer verstärkten Nutzung dieses Vertriebskanals in allen Produktkategorien.[3]

GKV-Markt: Wachstum durch Innovationen

Im Jahr 2021 belaufen sich die Arzneimittelausgaben (einschließlich Testdiagnostika[4]) der gesetzlichen Krankenversicherung auf 47,7 Mrd. Euro (Basis: Apothekenverkaufspreise abzüglich Zwangsrabatten und Erstattungsbeträgen nach § 130 SGB V). Das entspricht einem Anstieg gegenüber Vorjahr um 8,1 %. Die Menge abgegebener Packungen stagniert (Abb. 2 zum Herunterladen). Diese Entwicklung erklärt sich u.a. durch mehr verordnete Großpackungen patentgeschützter Medikamente (+10 %) und Biosimilars (+15 %), wodurch Arzt- und Apothekenbesuche zum Teil seltener erforderlich wurden.

Ein Blick auf die führenden Arzneimittelgruppen zeigt, dass sich hierunter vielfach innovative Präparate zur Behandlung oftmals schwerer Erkrankungen, im Schwerpunkt Krebs, finden (Abb. 3 zum Herunterladen). Immerhin empfahl die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Jahr 2021 die Zulassung für 92 Humanarzneimittel, davon 53 mit neuen, bis dahin in der EU nicht zugelassenen Wirkstoffen, einschließlich COVID-19-Vakzinen und -Medikamenten. Dies entspricht einer Steigerung von 35 % im Vergleich zu 39 Arzneimitteln mit einer neuen Substanz, die im Jahr 2020 zugelassen wurden.[5]

So beinhaltet die umsatzstärkste Kategorie der in der Krebstherapie eingesetzten MAB Antineoplastika (MAB: monoclonal antibodies) zu über 70 % nach Wert wie nach Menge Medikamente unter Patentschutz. Bei der zweitpositionierten Gruppe der ebenfalls bei onkologischen Erkrankungen indizierten Proteinkinasehemmer liegt der Anteil der patentgeschützten Medikamente bei über 90 %. Auch bei weiteren der führenden Gruppen entfällt das Gros auf patentgeschützte Arzneimittel. Die meisten dieser Kategorien verbuchen ein niedrig zweistelliges oder höheres einstelliges Wachstum nach Wert und Menge. Das weist auf entsprechende Bedarfe in der Therapie hin.

Höhere GKV-Einsparungen als im Vorjahr

Trotz so viel Innovation sind die Einsparungen der GKV weiter gestiegen. So belaufen sich die durch Herstellerzwangsabschläge und Rabatte aus Erstattungsbeträgen resultierenden Einsparungen in 2021 auf 6,477 Mrd. Euro (Abb. 4 zum Herunterladen; 2020: 5,731 Mrd.). Noch nicht berücksichtigt sind in diesen Zahlen die Einsparungen aus Rabattverträgen, die für das Gesamtjahr 2021 noch nicht veröffentlicht sind.

Den privaten Versicherungen kommen in 2021 berechnete Einsparungen durch Herstellerabschläge in Höhe von 931 Mio. Euro zugute. Im rabattpflichtigen Segment der Kliniken[6] fielen zudem 214 Mio. Euro für Nachlässe an. Insgesamt summieren sich die Zwangsabschläge aus den drei Marktsegmenten somit auf 7,6 Mrd. Euro.

1 S. dazu IQVIA Pharmamarktbericht 2021, Seite 15, online unter:  https://www.iqvia.com/de-de/locations/germany/publikationen/marktbericht?utm_source=Presse&utm_medium=E-Mail&utm_campaign=Marktbericht-Kalenderjahr-2021-Feb22

2 S. dazu IQVIA Pharmamarktbericht 2021, Seite 17: a.a.O.

3 S. dazu IQVIA Pharmamarktbericht 2021, Seite 23: a.a.O.

4 Ohne Impfstoffe, da andere Kostenstelle

5 Quelle: https://www.ema.europa.eu/en 

6 Ambulanz ausserhalb Budget

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