Darüber hinaus sieht Credendo auch spürbare Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Auf der politischen Seite erscheinen Georgien und Moldawien am stärksten gefährdet, da sie engere Beziehungen zur EU anstreben und im Falle Georgiens auch der NATO beitreten wollen. Beide Länder haben, wie die Ukraine, ein Assoziationsabkommen mit der EU unterzeichnet. Gleiches gilt für Armenien. Trotz sporadischer Spannungen zwischen Russland und Armenien sieht Credendo hier jedoch eine geringere Gefährdung, da das Land Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion ist – zusammen mit Russland, Belarus, Kasachstan und Kirgistan. Auch in den baltischen Staaten nehmen die Spannungen aufgrund der geografischen Lage zu. Dort lebt eine russische Minderheit und Russland lehnt die EU- und NATO-Mitgliedschaft der drei Staaten ab. Credendo sieht das militärische Risko, im Gegensatz zur Ukraine, durch die NATO-Mitgliedschaft gemindert.
Auf der wirtschaftlichen Seite sieht der Kreditversicherer große Auswirkungen auf die Rohstoffpreise, insbesondere auf die stark gestiegenen Öl- und Gaspreise, aber auch auf Weizen, da Russland und die Ukraine wichtige Exporteure sind (etwa ein Drittel der weltweiten Weizenexporte), Mais (etwa ein Fünftel der weltweiten Exporte) sowie auf die Metallpreise. Russland ist ein wichtiger Produzent von Aluminium sowie Kupfer, Nickel, Platin und Palladium. Die Ukraine ist ein großer Lieferant von Edelgasen (Einsatz in der Chipproduktion) und ein Produzent von Autoteilen, was sich auf den Automobilsektor auswirkt.
Die höheren Energiepreise werden nach Einschätzung von Credendo in erster Linie die EU treffen, da diese etwa ein Viertel der Öl- und mehr als ein Drittel der Gasversorgung aus Russland bezieht – mit großen Unterschieden zwischen den Mitgliedsstaaten im Hinblick auf die Abhängigkeit von russischem Gas. In Deutschland ist diese sehr ausgeprägt. Aber auch andere Ölimporteure wären betroffen. Insbesondere die Türkei, deren Wirtschaft wohl von steigenden Energiepreisen sowie geringeren Tourismuseinnahmen betroffen sein wird, da sie bei russischen und ukrainischen Touristen sehr beliebt ist. Auch türkische Exporte in die Ukraine, nach Russland und in die EU dürften leiden. Tatsächlich unterstützt die Türkei die Ukraine, insbesondere mit Waffenlieferungen, auch wenn Präsident Erdogan darauf bedacht war, die Beziehungen zu Russlands Präsident Putin nicht zu gefährden. Die Krise trifft die Türkei in einer Zeit, in der die Wirtschaft bereits unter einer starken Abwertung der Lira und einer sehr hohen Inflation inmitten einer unorthodoxen Geldpolitik leidet. Ein starker Anstieg der Getreidepreise würde die Inflation weiter befeuern. Credendo befürchtet soziale Unruhen, wie sie 2008 zu beobachten waren. Andere große Getreideimporteure dürften ebenfalls betroffen sein, insbesondere in Nordafrika und im Nahen Osten (z. B. Ägypten als weltgrößter Weizenimporteur und Libanon), aber auch anderswo, z. B. in Bangladesch.
Laut Credendo ist es noch zu früh, um die genauen Auswirkungen des Krieges auf die Weltwirtschaft konkret einzuschätzen, da diese davon abhängen werden, wie sich die Situation an den Fronten weiter entwickelt. Zumindest kurzfristig sind die Aussichten jedenfalls deutlich getrübt.
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