Eier und Legehennen, die von transgenen Hühnern abstammen, könnten in der EU ohne Zulassungsverfahren und ohne Kennzeichnung auf den Markt gelangen. Dies geht aus einem Schreiben  der EU-Kommission an das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom Juli 2021 hervor. Das Schreiben wurde jetzt durch eine Anfrage der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) bekannt.
In Reaktion wenden sich jetzt die AbL und Testbiotech in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission und weisen darauf hin, dass eine Vermarktung der Eier ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung gegen EU-Recht verstoßen würde. Sie warnen vor einer ‚kalten‘ Deregulierung der umstrittenen CRISPR/Cas-Gentechnik durch die Hintertür mit weitreichenden Folgen für Verbraucher:innen, Lebensmittelerzeuger:innen und den Lebensmittelhandel.

Annemarie Volling, Gentechnikexpertin der AbL kommentiert:
„Die Art und Weise, wie die EU-Kommission mit diesem Fall umgeht, gibt Anlass zu großer Sorge: Die vorliegende Stellungnahme könnte so verstanden werden, dass die Legehennen und ihre Eier in der EU direkt vermarktet werden können, ohne Zulassungsprüfung und Kennzeichnung. Die Eier könnten so völlig unbemerkt in Verkehr gebracht werden. Damit würde die EU-Kommission das Gentechnikrecht und das Vorsorgeprinzip außer Kraft setzen. Mit diesem Paradigmenwechsel überschreitet sie deutlich ihre Kompetenzen.“

ForscherInnen in Israel haben Hühner per CRISPR/Cas gentechnisch so verändert, dass keine männlichen Nachkommen schlüpfen. Dabei soll nur an die männlichen Nachkommen ein tödliches Gen weitergegeben werden, welches die Küken (Embryo) schon im Ei absterben lässt. Gleichzeitig sollen sich die weiblichen Nachkommen normal entwickeln und als Legehennen eingesetzt werden. Das Verfahren und die Tiere sind bereits zum Patent angemeldet und sollen in Zusammenarbeit mit einer US-Firma vermarktet werden. Die Patentanmelder:innen behaupten, dass ihre Technologie zu 100 Prozent sicher sei und im Erbgut der Legehennen keine artfremden Gene mehr zu finden seien. Diese Angaben scheinen für die EU-Kommission auszureichen, um die Legehennen und deren Eier von der gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsprüfung und Kennzeichnung auszunehmen. Doch dafür gibt es keinerlei rechtliche Grundlage.

Die EU-Gesetze schreiben vor, dass alle Organismen, die aus gentechnischen Verfahren hervorgehen, einem Zulassungsverfahren zu unterziehen sind sowie rückverfolgbar und gekennzeichnet sein müssen. Wie wichtig es ist, diese Anforderungen auch auf die Nachkommen von gentechnisch veränderten Tieren anzuwenden, unterstreichen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung: Diese zeigen, dass Nachkommen von Tieren, deren Erbgut mit Hilfe von CRISPR/Cas gentechnisch manipuliert wurde, von unbeabsichtigten Veränderungen betroffen sind, die mit spezifischen Risiken einhergehen.

Der Fall der CRISPR/Cas-Eier ist kein Einzelfall: Obwohl inzwischen mehrere Publikationen neuartige und spezifische Risiken der CRISPR/Cas-Technologie belegen, streitet die EU-Kommission diese vehement ab. Sie räumt zwar ein, dass durch die Verfahren der Neuen Gentechnik auch unbeabsichtigte genetische Veränderungen ausgelöst werden können, vertritt aber dennoch den Standpunkt, dass diese nicht genauer untersucht werden müssten. Der Fall der CRISPR/Cas-Legehennen legt die Vermutung nahe, dass hinter dieser fragwürdigen Position  das politische und wirtschaftliche Kalkül stehen könnte, die Neue Gentechnik einfach durch die Hintertür zu deregulieren.

Links und Weitere Informationen:
– Das gemeinsame Schreiben an die EU-Kommission – hier.
– Das Schreiben der EU-Kommission an das BVL – hier.
– Das Patent auf CRISPR/Cas-Hühner – hier.

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