Steigende Kosten sind unvermeidbar, wenn wir uns aus der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas lösen wollen. Eine MCC-Studie zeigt, wie wir dabei soziale Härten vermeiden können.

Der Anstieg der Energiepreise im Zuge des Ukraine-Kriegs droht viele Haushalte in Deutschland zu überfordern. Allerdings kann der Staat wirksam gegensteuern – und dabei von Erkenntnissen aus der Forschung zu Klimapolitik profitieren, wo es ja ebenfalls um höhere Energiepreise und Ausbalancieren der Folgen geht. Wie die bisherige Verteuerung in den privaten Haushaltskassen zu Buche schlägt, was ein kompletter Ausfall russischer Energielieferungen bedeuten würde und inwieweit die Politik helfen kann, das beleuchtet ein Arbeitspapier des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Die Studie ist auf der MCC-Website abrufbar.

Um den Verteilungseffekt von Energiepreisanstiegen und Kompensationsmechanismen zu beziffern (zum Beispiel für den CO2-Preis-Rechner), stützt sich das MCC auf die großen Repräsentativumfragen EVS und Mikrozensus sowie ein eigens entwickeltes Simulationsmodell. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine untersucht es nun drei Preisszenarien, die aus einer Reduktion oder kompletten Unterbrechung der russischen Energielieferungen resultieren könnten. Im „Extrem-Szenario“ wäre Erdgas über die kommenden zwölf Monate um 20 Cent je Kilowattstunde teurer als im Zeitraum 2017 bis 2021, das ist bereinigt um die normale Inflation ein Plus von 275 Prozent. Bei Sprit und Heizöl werden weniger dramatische Anstiege erwartet: Russisches Öl ist über den Weltmarkt leichter ersetzbar als russisches Gas.

„Ohne abfedernde Maßnahmen hat die Energiepreiskrise schon jetzt für viele Menschen in Deutschland enorme Auswirkungen“, bilanziert Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung und Leitautor der Studie. Je nach Preisszenario könnten auf einen durchschnittlichen Haushalt Mehrkosten von 800 bis 2500 Euro pro Jahr zukommen, und die Belastung für die rund vier Millionen einkommensschwächsten Haushalte macht dann im Schnitt 3,5 bis 11 Prozent der gesamten Konsumausgaben aus. „Ein deutsches Importembargo oder ein russischer Lieferstopp auf Öl, Kohle oder auch Gas wären kaum durchhaltbar, Deutschland ist an dieser Stelle latent erpressbar. Doch wir zeigen: Eine Politik des gezielten sozialen Ausgleichs kann die Belastung signifikant abmildern.“

Das Forschungsteam bewertet 15 mögliche Instrumente nach Zielgenauigkeit, Verwaltungsaufwand und nach Anreiz zum Energiesparen und stellt daraus Pakete zusammen. Schon ein sofort umsetzbares Grundpaket würde in der Gesamtwirkung auch bei extremen Preisanstiegen die Belastung im ärmsten Zehntel mehr als halbieren und Pendler vor allem mit mittlerem und hohem Einkommen entlasten: Es besteht aus Anpassungen bei Sozialhilfe, Wohngeld und Bafög, der ohnehin vorgesehenen Abschaffung der EEG-Umlage, dem Senken der Stromsteuer fast auf null sowie einer höheren Pendlerpauschale. Darauf aufbauend werden verschiedene zusätzliche Maßnahmen kalkuliert, die jede für sich breite Teile der Bevölkerung signifikant entlasten. Ein nach Haushaltsgröße gestaffeltes, aber verbrauchsunabhängiges „Energiegeld“ könnte Härtefälle am effektivsten vermeiden helfen. Alternativ ließe sich auch mit einem für alle Haushalte einheitlichen „Helikoptergeld“ wirksam gegensteuern, vor allem für Geringverdiener und die Mittelschicht. Die Kosten für das Grundpaket lägen je nach Ausmaß des Energiepreisanstiegs für ein Jahr bei 14 bis 23 Milliarden Euro, ergänzt um Energie- oder Helikoptergeld wären es 30 bis 77 Milliarden Euro.

Abgeraten wird von Preissubventionen oder der Senkung der Mehrwertsteuer auf Sprit oder Gas. In der angespannten Marktlage wirkt das nicht preisdämpfend, sondern erhöht die Knappheitsrenten der Anbieter und letztlich auch Russlands Einnahmen. Hingegen wird der Sozialausgleich noch wirksamer, wenn man die Pendlerpauschale auf ein von Verkehrsmittel und Einkommen unabhängiges „Mobilitätsgeld“ umstellt. „Die Auswahl der Instrumente ist von größter Bedeutung“, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des MCC und einer der Co-Autoren der Studie. „Die Politik sollte gerade jetzt nicht durch Preisdeckel in die Märkte eingreifen – dann droht ein Marktzusammenbruch und am Ende Rationierung. Die hohen Preise sind wichtig, weil sie maximale Anstrengungen befördern, Energie einzusparen und Versorgungswege jenseits der russischen Energielieferungen aufzubauen. Aber begleitend braucht es gezielte Entlastung: zum Abfedern des aktuellen Preisschocks genauso wie zum Abfedern langfristiger Preiseffekte durch die Klimapolitik.“

Quellenhinweis zur zitierten Studie:
Kalkuhl, M., Flachsland, C., Edenhofer, O., Knopf, B., Amberg, M., Bergmann, T., Kellner, M., Stüber, S., Haywood, L., 2021, Auswirkungen der Energiepreiskrise auf Haushalte in Deutschland und sozialpolitische Optionen, MCC-Arbeitspapier
www.mcc-berlin.net/Publications/2022_MCC_Auswirkungen_der_Energiepreiskrise_auf_Haushalte.pdf

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Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu Themen wie Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. | www.mcc-berlin.net | https://twitter.com/MCC_Berlin

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