Alleinstehende Stadtbewohner haben es nicht leicht. Selten merken sie bei all ihren Sorgen und Befindlichkeiten, wenn ihnen jemand begegnet, der sie aus ihrem Singledasein befreien könnte. So geht es auch Jaques, einem menschenscheuen Junggesellen mit Weinhandlung, und Hortense, einer sehr katholischen, ehrenamtlich engagierten, etwas aus der Zeit gefallenen Frau. Damit diese beiden einsamen Seelen zueinander finden, braucht es schon ein kleines Wunder. Und dass dieses Wunder ausgerechnet mit dem Geschmack von Wein zu tun hat, prädestiniert natürlich besonders ein Theater in einer Weinregionen wie Heilbronn, die französische Komödie »Weinprobe für Anfänger« von Ivan Calbérac auf die Bühne zu bringen.

»Weinprobe für Anfänger« wurde 2019 mit dem wichtigsten Theaterpreis Frankreichs, dem Prix Molière, als beste Komödie ausgezeichnet. Nun hat es am 6. Mai 2022 im Komödienhaus des Heilbronner Theaters Premiere. Jens Kerbel konnte als Regisseur gewonnen werden. Er hat  schon so manchen Komödienhit in Heilbronn inszeniert. Erinnert sei nur an »Der Vorname«, »Die Kaktusblüte« oder »Spiel‘s noch einmal Sam«. Als Ausstatterin steht ihm wieder Gesine Kuhn zur Seite. Jaques und Hortense werden von Nils Brück und Judith Lilly Raab gespielt.

Zum Inhalt

Jacques betreibt eine kleine Weinhandlung. Gegenüber seiner Kundschaft gibt er sich ziemlich zugeknöpft und macht aus seiner Unzufriedenheit keinen Hehl. Den ganzen Tag muss er schuften – Regale einräumen, ausräumen und pausenlos Kunden, die keine Ahnung von Wein haben, bedienen. Aus Frust gönnt er sich selbst reichlich vom einen oder anderen Tropfen. Da stolpert eines Tages die schüchterne Hortense auf der Suche nach einem guten Wein in seinen Laden.  Rot oder weiß – keine Ahnung. Den bisher besten habe sie am Sonntag in der Messe getrunken, erzählt sie Jacques. Den Wein möchte sie zusammen mit den Obdachlosen genießen, mit denen sie einmal in der Woche zusammen speist. Gerade hat sie sich für eine richtig gute Flasche für 48 Euro entschieden, für ihre Obdachlosen ist ihr nichts zu teuer, als es vor dem Geschäft zu einem Polizeieinsatz kommt. Ins benachbarte Juweliergeschäft wurde eingebrochen, der Täter flüchtet in den Weinladen und bittet Jacques und Hortense, ihn nicht zu verraten. Denn Steve ist als Strafgefangener auf Freigang schon in der Bredouille. Wenn er jetzt erwischt wird, kann er seine baldige Freilassung vergessen. Er müsse stehlen, um an Geld zu kommen, da ihm niemand die Chance auf Arbeit innerhalb eines Resozialisierungsprojekts gibt, erklärt er. Hortense versteht das und überredet Jacques in ihrer unendlichen Nächstenliebe, Steve zunächst entkommen zu lassen und ihn dann in einem vom Gefängnis finanzierten Jobprojekt wieder sozial zu integrieren. Die Aussicht auf eine kostenlose Aushilfe überzeugt Jacques. Außerdem hat diese irgendwie aus der Zeit gefallene Frau sein Herz berührt, um das er vor langer Zeit einen Ring aus Eisen gelegt hat. Steve indes beweist ein ausgezeichnetes Näschen für Wein und für unausgesprochene Gefühle sowie ein großes Talent, seine Mitmenschen emotional aus der Reserve zu locken.

Kleinod aus gewitzten Dialogen und Spannungsmomenten

Liebevoll und warmherzig schreibt Ivan Galbérac über die Ängste nicht mehr ganz junger Frauen und Männer, sich nach Enttäuschungen, Verletzungen oder gar Schicksalsschlägen wieder auf das Leben und die Liebe einzulassen. Regisseur Jens Kerbel mag den trockenen, lakonischen Witz dieser typisch französischen Liebeskomödie. Ihre besondere Qualität: Trotz ihres Charmes und aller Leichtigkeit scheue sie nicht davor zurück, auch in Abgründe zu schauen: Hortense wird von ihrem unerfüllten Kinderwunsch getrieben, Jaques hat sein Kind bei einem Unfall verloren.

Darüber hinaus ist »Weinprobe für Anfänger‹ ein Kleinod aus Präzision, Finesse, gewitzten Dialogen und genau dosierten Spannungsmomenten. Ein so durch und durch perfekt gebauter Text ist selten. Das Ergebnis ist ein komödiantisches Feuerwerk.« (Paris Match) Dem schließt sich auch die Hamburger Morgenpost an: »Dieses Schauspiel von Ivan Calbérac ist ein charmanter Knaller.«

Ivan Calbérac, geboren 1970, ist ein sehr erfolgreicher und vielfach mit Preisen ausgezeichneter französischer Regisseur, Dramatiker, Drehbuchautor, Filmproduzent und Schriftsteller. In Deutschland ist er vor allem als Regisseur und Drehbuchautor bekannt, sein Film »Frühstück bei Monsieur Henri«, eine Adaption seines gleichnamigen erfolgreichen Theaterstücks, lockte allein 2016 auch hierzulande über 500.000 Zuschauer in die Kinos. Außerdem verfilmte er 2019 seinen Debütroman »Venise n’est pas en Italie« (dt. Der Sommer mit Pauline) der 2015 in Frankreich sofort zum Bestseller aufgestiegen und parallel auch in Deutschland erschienen war. »Weinprobe für Anfänger« inszenierte Calbérac selbst im Januar 2019 in Paris und erhielt im selben Jahr den Prix Molière, den renommiertesten französischen Theaterpreis, in der Kategorie Beste Komödie. Welche Wertschätzung Calbérac mittlerweile als Autor auch in Deutschland genießt, wird daran deutlich, dass sein allerneuestes Stück »Un Amour de Jeunesse« (dt. Jugendliebe) im November 2019 in Bielefeld uraufgeführt wurde, bevor es der Autor selbst im Januar 2020 in Paris inszenierte.

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