Von Rekordpreisen für Kraftstoffe, Heizöl, Strom und Gas der vergangenen Monate bis hin zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs: Die Energiekrise belastet Haushalte unter anderem durch massiv steigende Heizkosten. Um die Klimaziele im Gebäudesektor voranzubringen und Haushalte zielgerichtet zu unterstützen, braucht es eine gute Informationsbasis. Bisher ist die Datenlage zur Heiz- und Energieinfrastruktur in Deutschland allerdings sehr spärlich. Diese Lücke will das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne jetzt schließen: Eine neue Erhebungsreihe unter rund 15.000 Haushalten über drei Jahre verbindet erstmals detaillierte Informationen zu Gebäuden und Energienutzung mit sozioökonomischen Merkmalen der Bewohnerschaft. Die ersten Ergebnisse liegen jetzt vor.

Die im Klimaschutzgesetz festgelegten Vorgaben zur Emissionsreduktion im Gebäudesektor wurden bereits wiederholt verfehlt. „Jetzt kommen  die Herausforderungen der aktuellen Energiekrise noch erschwerend hinzu“, erklärt Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Wir setzen hier an einem sehr grundsätzlichen Punkt an: Damit Politikinstrumente für eine effiziente und sozial ausgewogene Gebäudepolitik entwickelt und in ihrer Wirksamkeit überprüft werden können, braucht es auch detaillierte Daten zur Wohn- und Heizsituation der mehr als 40 Millionen Haushalte in Deutschland. Bislang wurden jedoch viele politische Maßnahmen im Gebäudesektor lediglich in dem guten Glauben aufgesetzt, dass sie hinreichend wirksam sind.“

Auch die Kritik des Bundesrechnungshofes im vergangenen Winter macht deutlich, wie dringend die Überprüfung der Wirksamkeit der Energieeinsparprogramme ist. Die Daten des Ariadne Wärme- & Wohnen-Panels bieten eine neue Basis dafür, zielgenaue Maßnahmen für unterschiedliche Haushaltsgruppen entwickeln und überprüfen zu können. Die Erhebung wird nach 2021 auch 2022 und 2023 durchgeführt. Künftig können im Längsschnitt zum Beispiel Rückschlüsse über Veränderungen in der Heizinfrastruktur, Modernisierungstätigkeiten oder im Verbrauchsverhalten privater Haushalte gezogen werden. Dies soll etwa dazu beitragen, Hemmnisse und Barrieren der Haushalte bei der Änderung ihres Heizverhaltens zu identifizieren.

„So kann nicht nur die Wirksamkeit der Maßnahmen im Gebäudesektor künftig besser untersucht und ausgerichtet werden. Wir können auch konkrete Reaktionen auf Maßnahmen besser verstehen“, sagt Ko-Autor Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Besonders relevant ist das vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise. Die Erhebung wird in diesem Jahr deshalb unter anderem explizit abfragen, ob die Haushalte überhaupt schon über den starken Anstieg der Großhandelspreise für Gas informiert sind, und ob beziehungsweise wie sie darauf reagiert haben.“

Der Ausgangspunkt: Auswertung der Erhebungswelle 2021 – Ergebnisse in fünf Schlaglichtern 

  • Einkommen und Energiekosten: In der Erhebung 2021 lagen die Kosten für Heizung und Warmwasser pro Quadratmeter für Mietwohnungen deutlich höher als für Eigentumswohnungen. Unabhängig von Eigentum oder Miete sinken die durchschnittlichen Kosten pro Quadratmeter in allen betrachteten Gebäudearten mit steigendem Einkommen.
  • Einkommen nicht ausschlaggebend für Modernisierung: Bei der Modernisierungstätigkeit in Eigentumswohnungen gab es 2021 kaum Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen. Nur rund 20 Prozent der Befragten gaben an, sich eine energetische Sanierung nicht leisten zu können. Gleichzeitig schätzten 37 Prozent ein, dass sich eine energetische Sanierung trotz Förderprogrammen nicht lohnen würde. Insgesamt fühlten sich nur 25-30 Prozent der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer gut informiert über bestehende Förderprogramme zur Gebäudesanierung.
  • Hohe Zustimmung für aktuelle Politikmaßnahmen: Die bestehenden Politikmaßnahmen im Gebäudesektor fanden 2021 überwiegend eine hohe Zustimmung und die Maßnahmen wurden als wirksam wahrgenommen. Viel Zustimmung erfuhren auch diskutierte neue Maßnahmen. Von der Wirksamkeit eines Einbauverbots für Gaskessel waren die Befragten dabei weniger überzeugt als von dem bereits verabschiedeten Einbauverbot neuer Ölkessel.
  • Zusätzlicher Informationsbedarf bei der CO2-Bepreisung: Fast 60 Prozent der Befragten fühlten sich eher nicht oder gar nicht über die CO2-Bepreisung informiert. Das wurde auch dadurch unterstrichen, dass unterschiedliche Preishöhen oder Informationen zu verschiedenen Rückverteilungen unter den Befragten kaum zu Unterschieden in der Akzeptanz oder Bewertung von Wirksamkeit und Fairness der CO2-Bepreisung führten.
  • Kostenaufteilung zwischen Vermietenden und Mietenden: Eine Aufteilung der Kostenbelastung der CO2-Bepreisung gemäß Bausubstanz, bei der der Kostenanteil des Vermietenden umso niedriger ist, je höher die Energieeffizienz des Gebäudes ist, genoss jeweils die höchste Zustimmung unter den befragten Mietenden und Vermietenden.

Wie die Forschenden die Ergebnisse einordnen:

Ko-Autorin Kathrin Kaestner vom RWI: „Bis Mitte des Jahrhunderts soll der Gebäudebestand in Deutschland nahezu klimaneutral sein. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, muss umfangreich modernisiert werden und dazu müssen bestehende Hindernisse, wie Unsicherheiten über Förderprogramme und die Rentabilität von energetischen Sanierungen, beseitigt werden.“

Ko-Autor Andreas Gerster vom RWI: „Das Wärme- & Wohnen-Panel erlaubt im Detail nachzuvollziehen, welche Haushalte sich an der Wärmewende im Gebäudesektor beteiligen – und was andere Haushalte noch davon abhält. Dieses Verständnis ist unerlässlich, um zielgerichtete Politikmaßnahmen zu entwickeln.“

Ko-Autorin Antonia Schwarz vom PIK: „Die meisten Deutschen wissen offenbar nicht, was der CO2-Preis an konkreter finanzieller Belastung, aber auch an klimapolitischem Nutzen für die Erreichung der Klimaschutzziele bringt. Hier braucht es eine gezielte Aufklärung seitens der Politik. Eine gemeinsame Faktenbasis ist letztlich die Voraussetzung für einen erfolgreichen Dialog über die Ausgestaltung der CO2-Bepreisung.“

Ko-Autorin Puja Singhal vom PIK: „Für eine zielführende Ausgestaltung der CO2-Bepreisung ist es notwendig zu verstehen, wie Haushalte bei langfristigen Investitionsentscheidungen in Energieeffizienz und kohlenstoffarme Heizsysteme auf Veränderungen des Energiepreisniveaus reagieren. Durch die Befragung der Haushalte in einer Zeit hoher Energiepreisvolatilität können wir wertvolle Daten für diesen Forschungszweck erhalten.“

Ko-Autor Stephan Sommer vom RWI: „Die jüngst beschlossene Aufteilung der CO2-Zusatzkosten nach Klimafreundlichkeit des Gebäudes ist ein guter Kompromiss, um Mietende zu entlasten. Für die Vermietenden bleibt so der Anreiz erhalten, in den Gebäudebestand zu investieren. Gleichzeitig profitieren Mietende, wenn sie ihren Energieverbrauch reduzieren. Unsere Erhebung hat gezeigt: Dieses Modell ist in der Bevölkerung am beliebtesten.“ 

Das Ariadne Wärme- & Wohnen-Panel kurz erklärt

Die Ergebnisse des ersten Wärme- & Wohnen-Panels 2021 legen den Grundstein für den Aufbau einer neuartigen Datengrundlage zur Heiz- und Energieinfrastruktur des Landes, die zunächst im laufenden Jahr 2022 und 2023 fortgesetzt wird. Die erste Erhebungswelle für das Jahr 2021 besteht aus einer Stichprobe von rund 15.400 Haushalten. 65 Prozent der Befragten sind Eigentumspersonen, 25 Prozent davon außerdem Vermietende von Wohnraum. 35 Prozent der Befragten sind Mietende. Neben detaillierten Informationen zum Gebäudebestand, bestehenden Heizsystemen und Heizkosten sowie sozioökonomischen Charakteristika der Haushalte untersucht die Erhebung auch bereits durchgeführte oder geplante Modernisierungsmaßnahmen. Befragt wurden die Haushalte zudem zu ihrer Einschätzung und Haltung zu bereits eingeführten oder geplanten Politikinstrumenten sowie zur CO2-Bepreisung.

Weitere Informationen:

So wird geheizt: Ergebnisse des Wärme- und Wohnen Panels 2021. Ariadne-Report (2022): Manuel Frondel, Andreas Gerster, Kathrin Kaestner, Michael Pahle, Antonia Schwarz, Puja Singhal, Stephan Sommer.
Weblink:
https://ariadneprojekt.de/publikation/waermepanel21

Detaillierte Informationen zur Zielsetzung und Methodik des Wärme- und Wohnen-Panels:
Das Wärme- & Wohnen-Panel zur Analyse des Wärmesektor. Ariadne-Hintergrund (2021): Manuel Frondel, Kathrin Kaestner, Michael Pahle, Antonia Schwarz, Puja Singhal, Stephan Sommer.
Weblink: https://ariadneprojekt.de/publikation/hintergrund-waermewohnen-panel/

Institute der beteiligten AutorInnen:
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Weblink zur Projektseite: https://ariadneprojekt.de/Folgen Sie dem Ariadnefaden auf Twitter @AriadneProjekt

Wer ist Ariadne? Im Konsortium von mehr als 25 wissenschaftlichen Partnern führt das Kopernikus-Projekt Ariadne durch einen gemeinsamen Lernprozess mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, erforscht Optionen zur Energiewende und stellt politischen Entscheidern wichtiges Orientierungswissen bereit.

Wir sind Ariadne:
adelphi | Brandenburgische Technische Universität Cottbus – Senftenberg (BTU) | Deutsche Energie-Agentur (dena) | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) | Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) | Ecologic Institute | Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems (CINES) | Guidehouse Germany | Helmholtz-Zentrum Hereon| Hertie School | Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) | ifok | Institut der deutschen Wirtschaft Köln | Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität | Institute For Advanced Sustainability Studies (IASS) | Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) | Öko-Institut | Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) | RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung | Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz | Stiftung Umweltenergierecht | Technische Universität Darmstadt | Technische Universität München | Universität Greifswald | Universität Hamburg | Universität Münster | Universität Potsdam | Universität Stuttgart – Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) | ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Über die Kopernikus-Projekte
Die Kopernikus-Projekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bilden eine der größten deutschen Forschungsinitiativen zum Thema Energiewende. Ihr Ziel ist eine klimaneutrale Bundesrepublik mit einer sauberen, sicheren und bezahlbaren Stromversorgung bis zur Mitte des Jahrhunderts. www.kopernikus-projekte.de

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