„Die politischen Parteien haben es mehr als 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts nicht geschafft, dass Frauen angemessen in den Parlamenten vertreten sind. Wenn nicht noch einmal 100 Jahre vergehen sollen, muss der Gesetzgeber jetzt wirksame Regelungen beschließen“, so die UN Women Vorsitzende Elke Ferner. Sie nahm am als Sachverständige des Deutschen Frauenrats an der 4. Sitzung der Kommission zur Reform des Wahlrechts teil.
Verbindliche Quoten in den Parteien bewirken eine stärkere Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen der Parteien und in den Parlamenten. Bei den Parteien ohne verbindliche Quotenregelung stagniert der Frauenanteil in den Parlamenten seit Jahren oder er sinkt sogar. Wenn er steigt, dann nur weil Parteien mit verbindlichen Quotenregelungen Mandate hinzugewinnen.
Im Deutschen Bundestag lag der Frauenanteil noch nie über 35 Prozent, bei der gestrigen NRW-Wahl ziehen CDU mit nur 18,4 und FDP mit 16,7 Prozent Frauen in den Landtag ein – das ist völlig aus der Zeit gefallen!
Ungleiche Teilhabe hat Folgen
Strukturelle Benachteiligungen in der Gesellschaft wirken sich auf die politische Teilhabe aus: Frauen leisten den Großteil unbezahlter Sorgearbeit, der schwer mit einem politischen Ehrenamt zu vereinbaren ist. Diskriminierende Strukturen sind gesellschaftlich und politisch so tief verankert, dass Frauen und Männer mit ungleichen Ausgangsbedingungen für politische Ämter kandidieren.
Frauen sind an politischen Entscheidungen, die ihre Verwirklichungsmöglichkeiten und ihre Lebensumstände unmittelbar beeinflussen, nur zu einem Drittel beteiligt. Ohne Mitwirkungsmöglichkeiten sind politische Veränderungen aber nur sehr schwer zu erreichen. „Je mehr Frauen an politischen Entscheidungen beteiligt sind, umso stärker können aktiv Einfluss nehmen, um bestehende Benachteiligungen für alle Frauen abzubauen oder Verschlechterungen zu verhindern“, so Elke Ferner.
Paritätsgesetze wirken
Paritätsgesetze können Wahlrechtsänderungen und weitere Maßnahmen enthalten, um die politische Beteiligung von Frauen zu verbessern, z.B. Sanktionen oder Anreize bei der Parteienfinanzierung. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass gesetzliche Regelungen zur Herstellung von Parität machbar und wirksam sind. Diese Länder konnten nicht nur den Frauenanteil deutlich steigern, sie sind auch in allen gesellschaftlichen Bereichen erfolgreicher bei der Gleichstellung der Geschlechter. Dafür genügt eine Änderung des Wahlrechts, ein Eingriff in die Satzungsautonomie der Parteien ist nicht notwendig. Auch die parlamentarischen Abläufe müssen familienfreundlicher ausgestaltet werden. Die Ausübung eines Mandats darf eine partnerschaftliche Teilung der Familienarbeit nicht erschweren.
Das Grundgesetz, die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) sowie der Vertrag über die Europäische Union und die EU-Grundrechtcharta rechtfertigen den Eingriff in die Wahlrechtsgrundsätze und die Parteienfreiheit. Welche Paritätsregelungen mit dem Grundgesetz konform sind, kann nur das Bundesverfassungsgesetz entscheiden.
Die Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit befasste sich letzte Woche in einer öffentlichen Beratungssitzung mit dem Thema „Gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag“. Gegenstand der Kommission ist es, Empfehlungen für eine Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit zu erarbeiten. Elke Ferner ist für den Deutschen Frauenrat als Sachverständige Mitglied der Kommission.
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