Bei einem tödlichen Unfall an einem Gleisübergang kann die Betreiberin eines Zuges mithaften, auch wenn die verunglückte Person ein erhebliches Eigenverschulden trifft. Voraussetzung ist, dass die Betriebsgefahr der Bahn wegen der Beschaffenheit des Bahnübergangs erhöht war. Dies entschied das Landgericht Frankfurt/M. am 23. Februar 2022 (AZ: 2-01 S 168/17), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Im Jahr 2015 starb an einem Bahnübergang eine 16-jährige Schülerin auf dem Weg zur Schule. Das Mädchen wurde von einem Zug erfasst. Der Bahnübergang liegt in einem Wohngebiet und wird von Fußgängern genutzt. Vor den Gleisen befindet sich ein sogenanntes Drängelgitter bzw. eine Umlaufsperre. Lichtzeichen oder akustische Warnsignale gab es nicht.

Die gesetzliche Unfallversicherung zahlte an die Hinterbliebenen Sterbegeld. Sie verlangte von der Bahnbetreiberin die Erstattung von 40 Prozent dieser Kosten. Zwar sei vor allem das Mädchen an dem Unfall schuld. Die Bahnbetreiberin treffe aber ein Mitverschulden. Der Bahnübergang sei nur durch das Drängelgitter gesichert gewesen, das auch Kinder und Jugendliche unachtsam passierten.

Die Bahnbetreiberin haftet zu einem Drittel für den Unfall. Mit Hilfe von Sachverständigen stellte das Gericht fest, dass die Betriebsgefahr des Zuges bei dem tödlichen Unfall wegen der Beschaffenheit des Bahnübergangs maßgeblich erhöht war. Das rechtfertige – trotz des erheblichen Eigenverschuldens der Schülerin – eine Mithaftung. Um herannahende Züge sehen zu können, musste man durch das Drängelgitter hindurch gehen.

Auch stellte ein Sachverständiger fest, dass sich das Gitter entgegen der Vorschriften zu nahe an den Gleisen befand. Die fehlenden 40 Zentimeter seien nicht unerheblich, denn sie entsprächen bei mäßigem Lauftempo in etwa einem Schritt. „Zum ersten Gleisstrang fehlen fast 20 % des notwendigen Abstandes“, stellte das Gericht fest.

In der Gesamtschau führe dies daher dazu, dass der betreffende Bahnübergang sehr gefährlich gewesen sei und jedenfalls hinsichtlich des Abstandes der Umlaufsperre zu den Gleisen gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßen habe. Zudem handele es sich um einen Gleisübergang innerhalb eines Ortes in einem Wohngebiet, der regelmäßig von Schulkindern genutzt werde. Zwar sei es erlaubt, eine Bahnstrecke („nur“) durch eine Übersicht und Umlaufsperre zu sichern. „Dass das im konkreten Fall ausreicht, ist damit freilich nicht gesagt“, so das Gericht.

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