Teilweise über 20 Prozent Abschlag auf dem Aktienmarkt – das betrachtet Dr. Jan Schopen als Crash. Der Portfoliomanager und Analyst im Bereich Asset Allocation bei Lazard Asset Management rät zum Wiedereinstieg und erläutert, warum Diversifizierung nicht tot ist – obwohl sie in diesem Jahr nicht vor Verlusten schützen konnte. Sein Kommentar:

„Ein Teil der Übertreibung an den Märkten stammt von Anlegern, deren Risikobudget erschöpft ist und die verkaufen mussten – Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen. Ein Blick auf historische Aktienkurse zeigt jedoch, dass Rückschläge nichts Ungewöhnliches sind und meist recht schnell wieder aufgeholt werden. Da es nahezu unmöglich ist, den Tiefststand abzupassen, raten wir zu einem sukzessiven Wiedereinstieg in den Markt. Eventuell fallen die Kurse noch etwas, aber sehr viele Risiken sind in den Preisen bereits reflektiert. Auch wenn in der nächsten Berichtssaison noch einige Unternehmen ihre Ergebnisse korrigieren müssen, dürfte dies Investoren nicht mehr überraschen.

Ebenso bleiben wir unserem Multi-Asset-Ansatz treu: Die Gleichläufigkeit der Märkte bleibt nicht bestehen. Aktuell halten wir allerdings die Aktienseite aufgrund der heftigen Korrektur für attraktiver. Trotzdem gilt die Empfehlung weiter, Renten beizumischen. Auch am Rentenmarkt ist nach den zweistelligen Abschlägen inzwischen sehr viel eingepreist: Wir kommen von einem Zinssatz von minus 50 Basispunkten bei der Europäischen Zentralbank und der Anleihenmarkt geht jetzt schon davon aus, dass die Zinsen um 250 Basispunkte ansteigen. Daher möchten wir Anleger ermutigen, je nach Risikotragfähigkeit wieder einzusteigen. Es gibt keine Chance ohne Risiko, aber das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich wieder deutlich verbessert. 

Keine Stagflation
Es war ein extrem schwieriger Start in das Jahr 2022. Inflation war das Thema, das alle beschäftigt hat und Rezessionsängste schürte. In diesem Umfeld war auch über Diversifikation keine positive Rendite zu erreichen, da alle Assetklassen abstürzten. Aber: Wir befinden uns in Europa noch immer in einem Umfeld, in dem die Haushalte hohe Summen angespart haben und noch immer Konsum nachholen. Die Arbeitslosenquote ist niedrig und die Unternehmen verdienen gut. Daher ist das Gesamtbild nicht nur negativ. 

Eine Stagflation ist unter diesen Umständen nicht zu befürchten. In den 1970er Jahren löste die Ölkrise eine Phase der Inflation in Kombination mit Rezession aus, doch die heutige Situation ist damit nicht vergleichbar, da die Inflation über einen langen Zeitraum erhöht war. Die Inflation in Europa stammt aktuell zu einem großen Teil aus dem Nahrungsmittelsektor und der Energie. In der Schweiz, die weniger abhängig von Öl- und Gaspreisen ist und etwa 60 Prozent ihres Energiebedarfs über Wasserkraft abdeckt, ist die Inflationsrate mit etwa 2 Prozent zum Beispiel deutlich geringer. 

Etwas anders sieht das Bild in den USA aus. Hier liegt die Kerninflation, also die Teuerung ohne saisonal schwankende Preise wie Lebensmittel und Energie, deutlich höher. Zudem ist dort eine Lohn-Preis-Spirale im Gange, die hier bislang nicht zu erkennen ist. Wir rechnen daher damit, dass im vierten Quartal Basiseffekte zum Tragen kommen, die dämpfend auf die Inflation wirken. Allerdings gibt es inzwischen Preiserhöhungen unter dem Deckmäntelchen der Inflation – das prominenteste Beispiel sind Mineralölprodukte. Wir von Lazard AM gehen trotzdem davon aus, dass die Börse die Rezessionstendenzen bereits überwiegend eingepreist hat.“

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