Gegen die weit verbreitete Kakophonie von Marktbeobachtern, die der EZB angesichts hoher Inflationsraten Untätigkeit vorwerfen, setzt Immobilienfinanzierungsberater und Zinsexperte Kurt Neuwirth eine nüchterne Analyse: Die entscheidende Gefahr geht seiner Ansicht nach von einer drohenden Rezession aus, nicht von einer Inflationsspirale. Die EZB macht demnach alles richtig. Und wer eine Immobilie zu finanzieren hat, sollte sich nicht von übertriebenen Zinsängsten ins Bockshorn jagen lassen.

Immobilien Zeitung: Herr Neuwirth, viele Marktbeobachter fordern angesichts galoppierender Inflationsraten ein beherztes Drehen der Europäischen Zentralbank (EZB) an der Zinsschraube. Was halten Sie davon und wie sind Ihre Erwartungen?

Kurt Neuwirth: Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass die Inflation nahezu vollständig von einer Angebotsknappheit getrieben wird. Diese aber kann die Notenbank mit Zinserhöhungen gar nicht bekämpfen, sie würde stattdessen nur die strauchelnde Wirtschaft komplett abwürgen. Die EZB erfüllt also nur scheinbar ihren Auftrag nicht. Denn wenn ich mir die Wirtschaftsentwicklung außerhalb der Eurozone so anschaue, dann hat sie bisher offenbar einen besseren Job gemacht als viele andere Zentralbanken. Die EZB macht alles richtig!

IZ: Es heißt aber doch, wenn die EZB nichts tue, dann könnte sich eine Lohn-Preis-Spirale bilden und die Inflation dadurch eben doch nicht vorübergehend sein, sondern zum Dauerproblem werden.

Die Entwicklung der Geldmenge M3 deutet Richtung Rezession

Neuwirth: Das ist ein Scheinargument. Natürlich bleibt das Risiko von Zweitrundeneffekten durch Lohnsteigerungen nach wie vor bestehen. Aber machen wir uns nichts vor: Wir schlittern gerade in eine Rezession hinein und da sind Lohnsteigerungen nicht das Hauptproblem. Der entscheidende Indikator für eine Rezession ist die Geldmenge M3, die die Guthaben bei den Banken mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie kurzfristige Geldmarktpapiere enthält. Zurzeit plappern fast alle von steigender Inflation, aber kaum einer redet davon, dass das Wachstum der Geldmenge M3 gefallen ist wie ein Stein. Eine Lohn-Preis-Spirale würde es genau dann geben, wenn die Zentralbank, wie bei der ersten Ölkrise Anfang der 1970er Jahre geschehen, in einer solchen Situation die Zinsen anhebt und die Inflation dennoch nicht fallen kann, weil sie eben angebotsseitig getrieben ist.

IZ: Können Sie nochmal erklären, wie die Angebotsverknappung genau wirkt und warum der EZB in dieser Hinsicht die Hände gebunden sind?

Neuwirth: Alle Rohstoffe und alle Energieträger sind durch die Folgen von Corona-Pandemie und Ukraine- Krieg knapp geworden. Wer vor einem Jahr literweise Öl verkaufen konnte, kann das heute nur noch tröpfchenweise tun. Obwohl die Nachfrage schon gefallen ist, kann sie durch das knappe Angebot nicht befriedigt werden. Also kostet der Tropfen Öl plötzlich so viel wie vorher der Liter, bildlich gesprochen.

IZ: Und wenn die EZB jetzt schlagartig die Zinsen erhöhen würde …

Neuwirth: … dann würde sie wie jemand handeln, der eine lästige Fliege sieht, die sich auf einer teuren Ming-Vase niedergelassen hat, die er verscheuchen will. Und da gerade ein Hammer daneben liegt, empfindet er den Impuls zuzuschlagen …

IZ: … und die Vase ist kaputt!

Neuwirth: Genau. Die Vase ist das Wirtschaftswachstum, die Fliege die Inflation und der Hammer ist der Leitzins. Um im Bild zu bleiben: Jeder vernünftige Mensch würde abwarten, bis die lästige Fliege von allein wegfliegt, statt die teure Vase zu zerdeppern. Und die EZB dürfte das beherzigen. Sie wird, wenn sie ihre Anleihenkäufe zurückgefahren hat, die Einlagenfazilität aus dem Negativbereich holen und damit die Anomalie beseitigen, die wir in den letzten Jahren hatten. Aber mehr nicht.

IZ: Diese Anomalie, also der Negativzins, war demnach schlecht?

Neuwirth: Ja, denn so sehr sich der eine oder andere Kreditnehmer über die extrem niedrigen Zinsen gefreut hat, sie wirkten marktverzerrend. Negativzinsen sollte es überhaupt nicht geben. Wenn dieses Zinsexperiment eines belegt hat, dann den Umstand, dass die EZB die Banken nicht mit Negativzinsen zu einer erhöhten Kreditvergabe zwingen konnte.

IZ: Nehmen wir an, Ihre Prognose trifft zu, dass die Inflation sich von allein wieder abschwächt und die EZB nicht überreagiert. Was passiert dann auf der Zinsseite?

Neuwirth: Es kann sein, dass wir den Peak bei den langfristigen Zinsen schon gesehen haben, jedenfalls werden sie bis zum Jahresende kaum noch steigen und dann wieder sinken. Alle, die in den letzten Wochen für zehn Jahre Jahr eine Immobilie zum Festzins finanziert haben, werden die großen Verlierer sein, da bin ich mir ziemlich sicher. Was jedoch steigen wird, sind die kurzfristigen Zinsen – aber eher marginal.

IZ: Hat das mit Ihrem angesprochenen Rezessionsszenario zu tun?

Neuwirth: Exakt. In einer beginnenden Rezession ist eine inverse Zinsstruktur typisch, also eine Phase, in der die kurzfristigen Kapitalmarktzinsen höher liegen als die langfristigen. Vor ein paar Wochen hatten wir in den USA für wenige Tage bereits eine inverse Zinsstruktur am Markt, bei den Renditen von fünfjährigen Anleihen gegenüber zehnjährigen. Wenn wir dasselbe Phänomen über einen etwas längeren Zeitraum zwischen zweijährigen und zehnjährigen Anleihen in der Eurozone beobachten – und davon gehe ich aus -, dann war das in der Vergangenheit immer ein verlässliches Rezessionssignal.

IZ: Was bedeutet das alles für jemanden, der heute eine Immobilie finanzieren muss?

Neuwirth: Er sollte sich vor allem nicht von unbegründeten Ängsten verunsichern lassen. Wir erleben gerade, dass Investoren, die einen Kaufpreisfaktor von 33 verhandelt haben, bei der Zinsentwicklung kalt erwischt wurden. Jetzt können sie nur noch Faktor 28 bis 30 bezahlen – oder sie müssen bei ihrer Bank die Finanzierungsanfrage zurückziehen und können den Deal nicht mehr machen. Das ist höchst ungewöhnlich, im Regelfall sind es die Banken, die ihre Konditionen nicht länger aufrecht erhalten können.

IZ: Ich habe schon gehört, dass Projekte, die jetzt nicht finanzierbar sind, vorher auch nicht solide gewesen sein können.

Neuwirth: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Der Zins ist nun mal der Hauptparameter bei jeder Finanzierung, gerade bei so langfristigen Geschäften wie der Immobilienfinanzierung.

IZ: Sie sagen, wer seinen Zins jetzt festgeschrieben hat, wird der Verlierer sein. Aber ist eine Zinsfestschreibung in Zeiten großer Unsicherheit nicht sinnvoll?

Neuwirth: Nein, für einen Immobilieninvestor ist das nicht sinnvoll. Sie würden ja bei 120 Dollar je Fass Rohöl auch nicht auf so hohem Niveau den Preis zehn Jahre lang festmachen, das leuchtet jedem ein. Sinnvoll ist eine zehnjährige Zinsbindung für einen privaten Häuslebauer, der möglichst schnell tilgen will. Ein Investor jedoch arbeitet immer mit einem gewissen Fremdkapitalhebel. Für den ist eine zehnjährige Zinsbindung eine ambivalente Doppelspekulation.

IZ: Das müssen Sie mir erklären.

Neuwirth: Eine Doppelspekulation ist es, weil der Kreditnehmer gleichzeitig eine Wette eingeht auf den Marktzins während der Zinsbindung und auf den Marktzins zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung. Und ambivalent ist diese Wette, weil er gleichzeitig auf steigende Zinsen während der Laufzeit wettet und auf fallende Zinsen am Ende der Laufzeit. Wenn es aber genau umgekehrt kommt, verliert er gleich zweimal Geld. Noch dazu kommt er nur gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig aus dem Vertrag mit seiner Bank wieder heraus, wenn es die Umstände erfordern sollten.

IZ: Was empfehlen Sie stattdessen?

Neuwirth: Wir arbeiten mit einem wissenschaftlich belegten Zinssicherungsmodell und empfehlen eine ungesicherte, variable Verzinsung, und zwar so lange, bis das Modell eine echte Zinswende signalisiert – und nicht nur einen vorübergehenden Zinsanstieg. Dann, und nur dann, sichern wir den Kunden gegen den Zinsanstieg ab. Wir haben das in Zusammenarbeit mit ehemaligen Mitarbeitern der Bundesbank für den Zeitraum von 1954 bis 2019 wissenschaftlich untersuchen lassen: Ein Kreditnehmer, der immer variabel finanziert hat, hätte ohne Berücksichtigung von Zinsmanagement-Fees in Höhe von 0,2% im Schnitt 1,56 Prozentpunkte günstiger finanziert als jemand, der immer eine Festzinsbindung über zehn Jahre eingegangen ist. Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich.

IZ: Herr Neuwirth, danke für das Gespräch!

Das Interview führte Ulrich Schüppler.

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