In einer am 14. Juli 2022 veröffentlichten Stellungnahme warnen die elf Kirchenleiter des Nationalen Kirchenrates in Sri Lanka vor einer „schweren politischen Katastrophe“, auf die der südasiatische Inselstaat im Fahrwasser der bislang schwersten Wirtschaftskrise zusteuert. In ihrem Statement rufen die leitenden Theologen, darunter auch Kirchenpräsident W.P. Ebenezer Joseph von der Methodistenkirche in Sri Lanka, einem Mitglied der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), die Regierenden dazu auf, angemessen auf die aktuelle Lage zu reagieren, um ein Scheitern des Staates abzuwenden.

Nach dem Rücktritt und der Flucht von Präsident Gotabaya Rajapaksa nach Singapur wurde eine Ausgangssperre in der Hauptstadt und der Notstand im gesamten Land verhängt. In Sri Lanka protestieren weiterhin Tausende gegen die politische Führung. Die Übergangsregierung von Premierminister Ranil Wickremesinghe muss weitere Unruhen befürchten. Am 20. Juli 2022 soll ein neuer Präsident durch das Parlament gewählt werden.

Appelle der Kirchenleiter in Sri Lanka

In seinem Appell wendet sich der Nationale Kirchenrat von Sri Lanka an diejenigen, die das korrupte Herrschaftssystem des Landes anprangern und insbesondere an die Jugend, und mahnt diese, sich in ihrem gerechten Engagement an die geltenden Gesetze zu halten und kein öffentliches oder privates Eigentum zu zerstören.

Darüber hinaus wenden sich die Theologen an die politischen Entscheider und Machthabenden, die aktuelle Lage nicht für einen Machtmissbrauch auszunutzen und die schwierige Lage nicht anzuheizen, um daraus Maßnahmen zum Ausbau der eigenen Befugnisse abzuleiten.

Die Parlamentarier werden dazu aufgerufen, „die Stimme der Öffentlichkeit“ zu berücksichtigen und die Interessen des Landes an erster Stelle zu setzen. Dazu soll eine gemeinsame All-Parteien-Regierung gebildet werden, um das Land mit vereinten Kräften aus den Staatsbankrott herauszuführen.

Nicht zuletzt werden Militär und Polizei des Landes aufgefordert, angesichts der Frustration der Menschen und ihrer Forderung nach einer verantwortungsvollen und rechenschaftspflichtigen Regierung, mit den Protestierenden auf verhältnismäßige Weise umzugehen. Im Gegenzug werden auch die Protestierenden dazu aufgerufen, die Sicherheitsaufgaben von Militär und Polizei zu respektieren.

Der Nationale Kirchenrat drückt seine Hoffnung aus, dass Sri Lanka als Nation seine aktuellen Herausforderungen gemeinsam überwinden kann, um nicht als gescheiterter Staat zu enden. Die sri-lankischen Kirchen bieten dafür ihre Solidarität, Unterstützung und Zusammenarbeit an.

Nach Angabe von Franziska Koch vom Netzwerk „Sri Lanka Advocacy“ sei die politische Krise auch ursächlich auf den Aufschub der Rechenschaftsprozesse über die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen während der Zeit des Bürgerkriegs zurückzuführen. Diese Praxis ermöglichte bislang den Machterhalt der politischen Eliten, insbesondere der Rajapaksa-Familie. „Erstmals sehen wir in Sri Lanka mit den seit März anhaltenden Protesten einen großflächigen und öffentlichen Dissens gegenüber der Regierung; dies macht Hoffnung auf einen anhaltenden politischen und sozialen Paradigmenwechsel, für den eine Aufarbeitung der Bürgerkriegszeiten durch einen unabhängigen Mechanismus aber unabdingbar ist“, so Franziska Koch. Die internationale Gemeinschaft habe nach Ansicht der Netzwerk-Vertreterin im September die Möglichkeit, mit einer starken UN-Resolution dafür einen Maßstab zu setzen und gemeinsam mit der neuen Regierung Sri Lankas an einer nachhaltigen Verbesserung der Menschenrechtssituation zu arbeiten.

Stellungnahme der Methodistenkirche Sri Lanka

Am 8. Juli 2022 hatte der Kirchenpräsident der Methodistenkirche von Sri Lanka bereits eine ähnlich lautende Stellungnahme veröffentlicht. Darin forderte der Leiter der VEM-Mitgliedskirche den Präsidenten, Premierminister und das Kabinett des Landes unter anderem dazu auf, eine nationale Regierung mit allen im Parlament vertretenen Parteien zu bilden, die Exekutivpräsidentschaft abzuschaffen und die Verfassung dahingehend abzuändern, dass die Vorrangstellung des Parlaments und die Unabhängigkeit der Judikative gewährleistet werden.

Darüber hinaus appelliert das Schreiben an die Regierung, auf die Anwendung aller Formen von Gewalt zu verzichten und darauf zu achten, dass die Menschen im Land nicht manipuliert oder für destruktive Zwecke instrumentalisiert werden.

Dr. Jochen Motte, Mitglied des Vorstands der VEM, der im vergangenen Mai noch die Methodistische Kirche in Sri Lanka besucht hatte, drückte seine Erwartung aus, dass Deutschland im Rahmen seiner Möglichkeiten einen friedlichen Wandel und die demokratischen Kräfte in Sri Lanka unterstützt und dabei auch einen Beitrag zur Lösung der Schuldenkrise leistet. Zudem solle die Bundesregierung durch humanitäre Hilfe die unmittelbar von Armut und Hunger bedrohten Menschen in Sri Lanka unterstützen.

Die VEM veröffentlichte am 8. April 2022 bereits eine Pressemeldung über die damalige Entwicklung in Sri Lanka, die hier nachzulesen ist.

 

Über Vereinte Evangelische Mission (VEM)

Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) mit Büros in Wuppertal, Indonesien und Tansania ist eine internationale, gleichberechtigte Gemeinschaft von 39 Mitgliedern, darunter 32 evangelische Kirchen in Afrika und Asien sowie sechs deutsche EKD-Kirchen und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die VEM verfolgt konsequent ein ganzheitliches Missionsverständnis. Dazu gehört, die Lebensumstände notleidender und benachteiligter Menschen unter Achtung ihrer persönlichen Würde und Berücksichtigung ihres kulturellen Kontexts zu verbessern.

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