Bei der Neuplanung des Gewerbegebietes Wetzisreute-Ost hatten Natur, Klimaschutz und Klimawandelanpassung eine besondere Bedeutung. Nach einem gut einjährigen Prozess gehen die Grundstücke nun in den Verkauf mit besonderen Vorgaben im Bebauungsplan und einer gemeindeeigenen Förderung für nachhaltigere Bauweisen.

Gewerbeflächen sind in der Regel mit hohem Flächenverbrauch und einer hohen Versiegelungsrate verbunden: Lebensfeindliche Orte für die allermeisten Lebewesen also, die wenn möglich gemieden werden, auch von uns Menschen.

Mittlerweile sind Biodiversitätsverlust und der Klimawandel nicht nur in den täglichen Medien angekommen, sondern für jeden einzelnen von uns spürbar geworden. Wie also weitermachen, wenn wirtschaftliche Interessen, die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und das Wohlbefinden von uns Menschen zusammentreffen.

Die Gemeinde Schlier macht es vor: Über ein Jahr lang hat die Gemeinde in engem Austausch mit der Bodensee-Stiftung, den Planungsbüros Sieber Consult und Zimmermann Ingenieurgesellschaft, dem Landschaftserhaltungsverband Ravensburg und der Energieagentur Ravensburg über praktikable Lösungen für diese Mammutaufgabe diskutiert. Herausgekommen ist ein System, das sich sehen lassen kann:

Entscheidende Vorgaben wurden bereits im Bebauungsplan festgeschrieben. So sind auf 75% der Dachflächen extensive Gründächer vorgeschrieben. „Diese helfen das Gebiet zu kühlen und Starkwasserereignisse abzupuffern und bieten gleichzeitig wertvolle Habitate für trockenheitsliebende Arten. Und dabei stehen sie in keinem Widerspruch zur PV-Pflicht: Die Kombination in Form eines Solargründachs kann durch den Kühlungseffekt sogar den Stromertrag steigern“, betont Daniela Dietsche von der Bodensee-Stiftung.

Auch auf den Außenflächen spielt das Thema Wassermanagement und Biodiversität eine große Rolle:  Alle anfallenden Niederschläge müssen auf den Grundstücken versickert werden. Hierfür hilft neben dem Gründach, dass Verkehrswege zweiter Ordnung und Stellplätze versickerungsoffen gestaltet werden müssen sowie die Anlage von naturnahen Retentionsflächen.

Für die Außenflächen ist eine naturnahe Gestaltung z.B. in Form von heimischen Blumenwiesen und naturnahen Hecken vorgeschrieben. In einem durch die Bodensee-Stiftung erarbeiteten Handlungsleitfaden (kostenloser Download: https://www.schlier.de/wirtschaft-tourismus/gewerbestandort/gewerbegebiet)  wird der bunte Strauß an naturnaher Gestaltungsmöglichkeiten vorgestellt, so dass jedes Unternehmen den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entsprechend die geeigneten Maßnahmen für das eigene Firmengelände wählen kann.

Aber nicht nur besondere Vorschriften gelten in diesem Gewerbegebiet. Um Unternehmen eine nachhaltigere Bauweise zu erleichtern, wurde für das Gebiet ein Bonussystem entwickelt. In fünf Kategorien können Unternehmen mit einer entsprechenden Planung Punkte sammeln und damit bares Geld sparen: Mit dem Erreichen der Bonusstufe 1 bzw. 2 kann der Grundstückspreis um 5 € bzw. 10 € pro m² reduziert werden.

So sollen Unternehmen zusätzlich motiviert werden, flächensparend und energieeffizient zu bauen, ökologischere Baumaterialien zu verwenden sowie Gebäudegrün zu integrieren. Dabei konnte für die Entwicklung des Bonussystems auch auf Erfahrungen aus der Gewerbeentwicklung der Stadt Bocholt (https://www.bocholt.de/wirtschaft/gewerbe-und-industrieflaechen/) zurückgegriffen werden.

„Nach dem klimaneutralen Baugebiet „Am Bergle“ in Untenankenreute war es uns wichtig, auch im Bereich des Gewerbegebietes neue Wege zu gehen. Der Umwelt- und Klimaschutz hat in der Gemeinde Schlier einen hohen Stellenwert“, so Bürgermeisterin Katja Liebmann.

So werden auch die kommunalen Grünflächen wie das große Retentionsbecken naturnah angelegt und gepflegt. Naturnahe Grünzüge durch das Gewerbegebiet sollen nicht nur die Durchgängigkeit für verschiedene Tierarten sicherstellen, sondern auch die Aufenthaltsqualität für Kunden und Mitarbeiter erhöhen und das Gebiet angenehm in das Landschaftsbild einfügen.

Die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet mit hohen ökologischen Standards sind geschaffen und der Verkauf der Flächen aktuell gestartet. Die Entwicklung des Gebietes kann in den nächsten Jahren beobachtet werden. Dabei kann die Planung des Gewerbegebietes heute schon als Vorbild insbesondere auch für kleinere Gemeinden dienen.

Um weitere Initiativen und Gemeinden europaweit zu motivieren, bei der Planung von Gewerbegebieten neue Wege zu gehen, entwickeln die Projektpartner aus Spanien, Österreich und Deutschland momentan gemeinsam einen Leitfaden, der mögliche Wege und gute Beispiele aus dem Projekt europaweit aufzeigt.

Hintergrund:

Initiative im Rahmen der Biodiversitätsstrategie des Landkreis Ravensburg

Ökosysteme erhalten und entwickeln, strukturarme Flächen aufwerten und Biotope vernetzen – begleitet von einer breiten Sensibilisierung und Einbindung der Öffentlichkeit. Mit diesen Zielen der Biodiversitätsstrategie übernimmt der Landkreis Ravensburg eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt. Einen besonderen Handlungsschwerpunkt sieht der Landkreis bei Unternehmen und deren Firmengeländen. Hier können dauerhaft oder vorübergehend wertvolle Lebensräume für die heimische Pflanzen- und Tierwelt geschaffen werden. Ganz nebenbei wird dabei die Arbeitsumgebung aufgewertet und letztendlich auch die Wirtschaft im Landkreis im Wettbewerb um die besten Köpfe gestärkt.

LIFE-BooGI-BOP

Das durch das EU-LIFE-Programm geförderte Projekt „Boosting Urban Green Infrastructure through Biodiversity Oriented Design of Buisness Premises” läuft noch bis Ende 2022. Schwerpunkte des von sieben europäischen Partnern in Deutschland, Slowakei, Spanien und Österreich getragenen Projektes, sind die Beratungen von Firmen bezüglich der biodiversitätsfreundlichen Gestaltung ihres Firmengeländes und – bei entsprechender Größe –  im Liegenschaftsmanagement, die Sensibilisierung des Bau- und Garten- und Landschaftsbausektors, Schulungen u.a. für das Facilitiy Management und Landschaftsgärtner*innen sowie die Bewusstseinsbildung durch Öffentlichkeitsarbeit. Unternehmen, die entsprechende naturnahe Umgestaltungen ihrer Firmengelände durchführen, werden in die Datenbank der „guten Beispiele“ aufgenommen und u.a. über die internationale Website einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Infos zum LIFE Projekt sowie zum Gewerbegebiet Wetzisreute-Ost finden Sie unter den folgenden Links:

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Bodensee-Stiftung
Fritz-Reichle-Ring 4
78315 Radolfzell
Telefon: +49 (7732) 9995-40
Telefax: +49 (7732) 9995-49
http://www.bodensee-stiftung.org

Ansprechpartner:
Daniela Dietsche
Projektmanagerin
Telefon: +49 (7732) 9995-446
E-Mail: daniela.dietsche@bodensee-stiftung.org
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